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Clemens Schick

© promo

Clemens Schick: Schauspieler Royal

Erst Mönch, dann Bond-Bösewicht und jetzt Ermittler: Der talentierte deutsche Schauspieler Clemens Schick lässt sich nicht festlegen.

Es gibt wenige ehemalige Mönche, die schon einmal den Schurken in einem James-Bond-Film gespielt haben. Vermutlich ist Clemens Schick sogar der einzige. Erst zog er ins Kloster, weil er keine Lust mehr auf die Schauspielschule und das kapitalistische System hatte, keine zehn Jahre später spielte er in "Casino Royale" ausgerechnet Kratt, den glatzköpfigen Bodyguard des Bösewichts Le Chiffre (Mads Mikkelsen) – und jetzt soll Schick auch noch mithelfen, die deutsche Serie zu retten. An der Seite von Alexandra Neldel spielt er den Ex-Polizisten Marco Lorenz in der neuen ProSieben-Serie "Unschuldig", auf der die Aufmerksamkeit der gesamten Fernsehbranche ruht, nachdem zuletzt deutsche Serien reihenweise floppten.

"Unschuldig" ist Schicks erstes großes Ding im deutschen Fernsehen. Und dass er jetzt hier in einem Berliner Hotel sitzt, um darüber zu sprechen, dafür muss man letztendlich auch den französischen Mönchen dankbar sein. Sechs Monate lebte Schick mit den Glaubensbrüdern zusammen, nachdem er die Schauspielschule abgebrochen hatte, die ihm vorkam, wie ein narzisstische Selbtbeschäftigung junger Menschen.“ die ihn zwar duldeten, aber nicht aufnehmen wollten. "Sie sagten mir immer wieder, dass ich Schauspieler werden soll", erinnert sich der 36-Jährige.

Clemens Schick ist eine deutsche Schauspielhoffnung

Zum Glück. Auch wenn es viele Zuschauer noch nicht wissen: Clemens Schick gehört zu den interessantesten Schauspielern, die es zurzeit in Deutschland gibt. Nicht nur, weil er mit seinen wasserblauen Augen so stechend scharf schauen kann wie kaum ein anderer Schauspieler. Oder er mit seiner markanten Nase, der Narbe auf der linken Wange und dem durchtrainierten Körper auffällt. Vielmehr noch fasziniert seine Art. Nie scheint sich Schick von seiner Umgebung so stark absorbieren zu lassen, dass er Teil des Ganzen wird: Er zog ins Kloster ein und wieder aus, er lebt in Kreuzberg in einer 57 Quadratmeter großen Wohnung, obwohl er als Schauspieler nicht wenig Geld verdient. Er geht gerne ins Restaurant "Grill Royal", das die Berliner-Szene allabendlich als ihre Bühne nutzt, von Schick aber nüchtern betrachtet wird: "Ich bin dann zwar Teil dieses Spektakels, aber ich verliere mich nicht darin."

Einen solchen Abstand sucht er sowohl beruflich als auch privat immer wieder. Ständig ringe er um seine Unabhängigkeit, sagt Schick: "Heute bekommt man permanent gesagt, wie man sich wo zu verhalten hat, um erfolgreich zu sein. Trotzdem seinen eigenen Weg zu gehen und autonom zu bleiben, ist eine Herausforderung." Und vermutlich kann Clemens Schick gerade deshalb seine Rollen so intensiv verkörpern. Weil er sie von innen und von außen betrachtet und so Züge entdeckt, die erst mit gewissem Abstand zu erkennen sind.

Vom Theater zum Film

Jetzt Fernseh- und Kinoproduktionen zu machen, ist wieder ein solcher Schick-Schritt, um Abstand zu nehmen. Vorher hatte er sich nahezu ausschließlich aufs Theater konzentriert. Im Schauspielhaus Hannover war Schick zu sehen in "Parzival“, "Richard III.“ und "Don Carlos“. Dann spürte er, dort nicht mehr hinein zu passen. "Ich hatte das Gefühl, ich wachse und wachse mit meinen Rollen, und es entstand die Sehnsucht nach mehr. Deshalb musste ich weg“, sagt Schick. Er kündigte im Oktober 2006. Keine vier Wochen später war er gecastet als der Bodyguard des Bösewichts in "Casino Royale“ - und machte mit dieser Rolle Film- und Fernsehproduzenten auf sich aufmerksam. Schick spielte nach dem Bond-Auftritt mit in "Das Wunder von Berlin“ und einem "Tatort“, bis ihn das Produktionsteam von "Unschuldig“ um die Firma Teamworx und ProSieben engagierte. Sie haben die Rolle des Ex-Polizisten Marco Lorenz mit Schick hervorragend besetzt. Denn auch hier hat seine Figur Züge, die erst allmählich deutlich werden: er ist radikal und verletzlich zugleich. Gegenüber seinen Kollegen, der Rechtsanwältin Anna Winter (Alexandra Neldel) und dem Mediziner Sebastian Krüger (Erhan Emre) spielt Lorenz den Womanizer und knallharten Ermittler, der den Tod nicht scheut. Er weiß, dass er ohnehin bald sterben muss, wegen einer tödlichen Herzkrankheit, von der er seinen Kollegen nichts erzählt. Nur die Zuschauer erfahren von diesem Geheimnis, peu à peu, so wie sie auch die anderen Charaktere nur langsam kennen lernen.

Ein Prinzip von "Unschuldig“, das US-amerikanischen Krimi-Formaten ähnelt: schnelle Schnitte, bedrohlich wirkende Musik und dazu das Dreier-Team um Schick, das Verbrechen in Berlin aufklärt – allerdings verkehrt herum. Sie bringen keine Mörder hinter Gitter, sondern holen zu Unrecht verurteilte Menschen aus dem Gefängnis herausholen. So wie heute in der vierten Folge von "Unschuldig“, in der Dina Simons (Claudine Wild) wegen Mordes an ihrem Mann, dem Schönheitschirurgen Mark Simons (Frank Köbe), verurteilt wurde.

Die Schnitte sind schnell, die Musik bedrohlich

Den Familienvater Jürgen Naumann (Klaus J. Behrendt), der den Mord an seiner Frau nicht begangen haben will. Seine Akten wälzt das Dreier-Team in einem chaotischen Berliner Loft, die wahren Verbrecher finden sie in der Hauptstadt oder den Lauben außerhalb. Die Schnitte sind schnell, die Musik bedrohlich - amerikanisch wirkenden Crime-Format ebe. Trotzdem braucht der Zuschauer Geduld. Denn anstatt zunächst in einem 90Minüter die Figuren einzuführen, erfährt der Zuschauer peu a peu, was sie bewegt. Genau das hat Schick an seiner Rolle Marco Lorenz gereizt:

Ex-Polizist, gewiefter Ermittler, Womanizer - und gleichzeitig ein todkranker Mann, der nicht einmal seinen Kollegen von seinem Herzfehler erzählt. "Nur die Zuschauer und ich wissen von diesem Geheimis", sagt Schick. Allerdings erst ab der zweiten Folge. Dass sie so lange durchhalten, davon ist Schick zwar überzeugt. Doch ansonsten macht er sich um den Erfolg seiner Rollen keine Gedanken. "Das bringt mir ja künstlerisch nichts. Also lasse ich es bleiben ", sagt Schick. Die Zuschauer scheinen dieses Prinzip zu goutieren. 12,1 Prozent Marktanteil erzielten die ersten drei Folgen durchschnittlich bei der werberelevanten Gruppe der 14-49-Jährigen, über eine zweite "Unschuldig“-Staffel wird zurzeit nachgedacht.

Über Erfolg macht sich Schick keine Gedanken

Erleichterung für die deutschen Serienmacher – und für Schick eine Bestätigung. Zwar mache er sich um den möglichen Erfolg seiner Rollen keine Gedanken, aber ein Ziel habe er immer: Perfekt zu spielen. Obwohl Schick meint, dass jeder Mensch unperfekt ist. Auch er selbst. Deshalb beurteile er Menschen auch immer wieder falsch: "Ich mache das täglich. Ich bin ein ungeduldiger Mensch, und andere sind mir oft zu langsam. Da passiert es schnell, dass ich jemanden in eine falsche Schublade stecke oder ihn ungerecht behandele“, sagt Schick. Er entschuldige sich, "aber bis ich meinen Stolz überwunden habe, kann es manchmal dauern“.

Doch wenn er aber dann in Zeitungen von Ungerechtigkeit liest, will Clemens Schick dagegen kämpfen. Neulich setzte er sich für einen jungen, Diabetes-kranken Türken ein, der abgeschoben werden sollte. Schick schrieb Briefe und kontaktierte Journalisten, damit sie über diesen Fall berichteten. Jetzt will er mit dem Kindernotdienst zusammen arbeiten, der seine Büros gleich bei ihm um die Ecke seiner Kreuzberger Wohnung hat. „Es gibt so viel Ungerechtigkeit auf der Welt. Deswegen können wir moralisch nichts Anderes als Scheitern“, sagt Schick, „aber wir müssen zumindest im Kleinen immer wieder versuchen, dagegen zu kämpfen." Das hört sich irgendwie nach Charity-Geplauder eines Schauspielers an. Aber wem sollte man sonst glauben, wenn nicht einem ehemaligen Beinahe-Mönch.

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