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Im neuen Domizil steht der Galerie jetzt mehr Platz für Ausstellungen zur Verfügung, wie die Computersimulation zeigt.

© C/O

C/O Berlin: Etwas wird sichtbar

Der Westen leuchtet: Im Amerika-Haus eröffnet diese Woche die Fotogalerie C/O Berlin ihr neues Quartier. Am Bahnhof Zoo könnte nun ein neues Zentrum für Fotografie entstehen.

Kontaktabzüge also. C/O Berlin, die wichtigste private Institution für Fotokunst in der Stadt, eröffnet ihre neuen Räume mit einem aus der digitalen Zeit gefallenen Medium. In einem aus den fünfziger Jahren stammenden Gebäude, das noch dazu am Bahnhof Zoo steht, und zwar im weniger feinen Winkel statt in Sichtweite zum schicken Bikini-Haus. Berlins beste, jahrelang in Mitte gelegene Adresse für fotografische Gegenwart ist, so wirkt das, nun auch dem Retro-Charme des Westens erlegen.

Die andere Lesart: Wenn hier in wenigen Tagen die große Feier mit über tausend Gästen, dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit und Kulturstaatsministerin Monika Grütters stattfindet, knüpft C/O Berlin an seine Ursprünge an. Weil es mit jenen Kontaktabzügen aus dem Archiv der legendären Agentur Magnum noch einmal zeigt, womit man vor vierzehn Jahren im ehemaligen Postfuhramt begonnen hat, als dort Fotografien großer Bildreporter wie Robert Capa oder Henri Cartier-Bresson zu sehen waren. Mit dem sanierten und behutsam umgestalteten Amerika-Haus präsentiert man überdies eine Architektur, die sich vom maroden Flachbau in ein Kleinod zurückverwandelt hat. Und zündet damit vielleicht gleich den Funken Aufmerksamkeit, den das Quartier hinter dem Bahnhof trotz Helmut-Newton-Stiftung und dem Museum für Fotografie braucht.

„Ich glaube, dass wir hier überall neuen Schwung reinbringen“, sagt Stephan Erfurt. Der Fotograf ist Mitbegründer von C/O Berlin, inzwischen Vorstandsvorsitzender der operativen Stiftung des Hauses. Das Team hat in den vergangenen zwei Jahren hart gearbeitet. C/O Berlin hingegen war in dieser Zeit nahezu unsichtbar. Von der Oranienburger Straße hat sich das Haus 2012 verabschieden müssen, weil der neue Besitzer des Postfuhramts es gar nicht abwarten konnte mit der Kündigung.

„Ein halbes Jahr früher als geplant“, resümiert Erfurt und spricht von einem „finanziellen Fegefeuer“, durch das man gegangen sei, weil sich das Haus wesentlich über die Eintrittsgelder finanziert. Dass man sich vergeblich um die Jüdische Mädchenschule bemühte und auch die ehemaligen Ateliers im Monbijoupark am Ende nicht bekam, spielt schon keine Rolle mehr. Vielleicht, sagt Erfurt, war es Schicksal, weil das Amerika-Haus auf sie gewartet hat. Es musste bloß entdeckt werden. Momentan verbringt er Tag und Nacht auf der Baustelle und muss sich Gedanken machen, bei welchen Sponsoren er die fehlende Summe von knapp 600 000 Euro für den Umbau bis Jahresende einwerben kann.

Zur Eröffnung gibt es vier Ausstellungen. Mit dabei: Will McBride

Über zwei Millionen Euro wird der Umbau am Ende kosten. Das Land Berlin hat die Grundsanierung übernommen, für alles andere trägt C/O Berlin die Verantwortung. Engagement und Risiko, beides gehört für Erfurt, den Designer Marc Naroska und den Architekten Ingo Pott von Beginn dazu. Seit sie die erste „Magnum“-Retrospektive aus Hamburg ins ehemalige Postfuhramt lotsten. Damals mehr spontan als geplant, weil es in Berlin keine institutionelle Adresse für solche fotografischen Großprojekte gab. Und angenehm überrascht, als schon nach wenigen Wochen über 30 000 Besucher in die morbiden Säle gekommen waren.

Ausstellungen von Fotokünstlern wie Robert Mapplethorpe, Nan Goldin, Larry Clark oder Anton Corbijn waren Meilensteine. Genau wie die Entscheidung für die Reihe „Talents“, in der jährlich vier junge, aufstrebende Fotografen vorgestellt und mit einem Katalog unterstützt werden. Doch erst mit der Schau der Arbeiten von Annie Leibovitz 2009 schrieb C/O Berlin „zum ersten Mal eine schwarze Null“. Ein Nervenkrieg, der auch damit zusammenhängt, dass man sich nie um öffentliche Förderung bemühen wollte. Zu kompliziert, zu langwierig, zu abhängig.

Das ist im Prinzip so geblieben, selbst in der schwierigen Phase der Unsichtbarkeit, in der Freunde und Förderer gehalten werden mussten. Dass es sich gelohnt hat, wird zur öffentlichen Party am 30. Oktober für alle sichtbar sein, die das Amerika-Haus zum ersten Mal seit 2012 wieder von innen sehen. Ein Schmuckstück von 1957, im Rahmen der Internationalen Bauausstellung nach Plänen von Bruno Grimmek als Informationszentrum der USA errichtet. Mit Kino, Bibliothek, Ausstellungsflächen natürlich als Teil des education program für Nachkriegsdeutschland. Nach der Eröffnung der Botschaft der USA am Brandenburger Tor 2006 wurde es an das Land Berlin übergeben, das die Immobilie gern verkauft hätte. Es fand sich jedoch kein Investor für das teure, zentrale Grundstück mit dem denkmalgeschützten Gebäude darauf.

Zum Glück, denn das neue Mietverhältnis kann den Standort nur stärken. Mit vier Ausstellungen zur Eröffnung gibt C/O Berlin seinen Einstand, zeigt neben „Magnum – Contact Sheets“ die junge Künstlerin Luise Schröder mit der Serie „Arbeit am Mythos“, präsentiert den „Magnum Photomaton“ und die Schau „Ich war verliebt in diese Stadt“ von Will McBride. Ein Coup, denn der Amerikaner war der erste Fotograf, der seine Motive in den fünfziger Jahren im Amerika-Haus aufhängen durfte. „Die Fotos“, erinnert sich McBride, „zeigten meine jungen Freunde, die ich bei ihrer exzessiven Freizeitgestaltung fotografierte. Und Kinder, die damals auf der Straße spielten.“ Wenn der 83-Jährige nun zur Eröffnung kommt, wird es ihm im ganzen Haus vorkommen, als habe sich kaum etwas verändert.

Was er nicht wissen kann: Die meiste Arbeit hat in den vergangenen Monaten der Rückbau gemacht, die Umbauten und verhunzten Details. Der helle Naturstein im Foyer: versteckt unter Kleister und Teppich. Die Säulen: verkleidet. Das gläserne Oberlicht im ersten Stock: kaputt und abgedeckt. Als hätte jemand sich besonders viel Mühe damit gemacht, die Transparenz und Leichtigkeit jener Architektur auszumerzen.

Nach einem eingeladenen Wettbewerb, den das Kölner Büro Meyer Voggenreiter zusammen mit dem Architekten Wolfgang Zeh gewonnen hat, ist der Charakter des Gebäudes erneut sichtbar. Der originale Zustand wurde so gut wie möglich wiederhergestellt. C/O Berlin steht in dem ungleich kleineren Bau mit 2300 Quadratmetern mehr Fläche zum Hängen zur Verfügung als zuvor.

Nun muss sich zeigen, wie die geografische Verschiebung ankommt. Ob alle jene nach Charlottenburg kommen, die vorher ins Postfuhramt drängten; darunter zahllose Touristen. Viel verspricht sich Erfurt von der Nähe zur etablierten Fotogalerie Camera Work. Er steht am Fenster und schaut auf die breite Hardenbergstraße: sechs Fahrspuren und eine Absperrung trennen das Haus der Newton-Stiftung und dem Museum für Fotografie. Eine Ampel haben sie schon durchgesetzt, sie soll demnächst eine Verbindung zwischen den Häusern stiften. Dass mehr passieren muss, davon kann man sich in der Dauerausstellung der Stiftung überzeugen, die wie ein Mausoleum wirkt. Genau wie in den leeren Räumen des Museumcafés, das vor Monaten geschlossen hat. Zu wenig los.

C/O Berlin, Hardenbergstr. 22-24, Eröffnung: 30.10., 16 Uhr; Begrüßung: 19 Uhr. Ab 31. 10., tgl. 11-20 Uhr, Tickets: 10/5 Euro, freier Eintritt bis 18 Jahre.

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