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Minimalistische Bewegungen: Ein schleichendes Schieben der Körper als Metapher des Stillstands, der störrischen Ruhe.

© Sophiensäle

„(b)reaching stillness“ in den Sophiensälen: Von Meerjungfrauen und Plastikpalmen

Choreografin Lea Moro inszeniert mit ihrem neuen Stück „(b)reaching stillness“ den Stillstand, das Innehalten und widerspenstige Ruhen. Voll fließender, minimalistischer Bewegung und humoristisch gebrochenem Pathos.

Von Sandra Luzina

Scheinbar reglos liegen die drei Tänzer auf dem petrolblauen Grund. Als wäre alles Leben aus ihnen gewichen. Die Choreografin Lea Moro inszeniert in ihrem neuen Stück „(b)reaching stillness“ den Stillstand der Körper. Nicht nur als Innehalten, sondern als ein völliges Anhalten der Bewegung.

Störrische Ruhe als Gegenentwurf zur rastlosen Moderne

In Zeiten der zunehmenden Beschleunigung liegt im Stillstand durchaus etwas Widerständiges. Von einer „störrischen Ruhe“ spricht auch Lea Moro, die in ihrer Choreografie mit Vorgängen des Stillstellens und Einfrierens experimentiert. Die Schweizerin ist in Berlin bereits mit ihrer eigenwilligen Aneignung von „Sacre du printemps“ aufgefallen. Bei „(b)reaching stillness“ in den Sophiensälen lässt sie sich von barocker Stilllebenmalerei inspirieren, die an die Vergänglichkeit alles Irdischen erinnert und zugleich ein Entstehen zeigt. Den Gegenpol bildet Gustav Mahlers Auferstehungssinfonie. Die Komposition von 1894 ist am Anfang und am Ende in Auszügen zu hören, im Mittelteil wird sie elektronisch verfremdet.

Die fundamentalen Themen von Leben und Tod werden hier auf eigene Weise berührt. Moro, die auch eine fantastische Performerin ist, zeigt körperliche Vorgänge des Niedersinkens und Aufrichtens, des Abstürzens und Emporstrebens, die weite Assoziationsräume öffnen. Die Körper sind raffiniert arrangiert, Moro flicht Anspielungen an die Kunstgeschichte und auch ironische Tanzzitate ein.

Der musikalische Pathos wird durch abknickende Plastikpalmen gebrochen

Wenn die Körper sich nach minutenlanger Starre zu regen beginnen, sind zunächst nur winzige Verschiebungen zu sehen, doch die minimalen Gesten haben eine große Wirkung. Die Tänzer schieben sich bäuchlings über die vier Stufen des Podests, sinken übereinander, verschmelzen. Mal erinnern sie an Meerjungfrauen, mal an eine schlummernde Venus oder eine verführerisch hingebettete Odaliske. Dabei wird das musikalische Pathos gern unterlaufen. Abrupt stehen die Performer auf, um sich am Wasserspender zu erfrischen. Die aufblasbaren goldenen Plastikpalmen knicken genau dann ein, wenn die Tänzer das christliche Motiv der Auferstehung andeuten und kurz zu schweben scheinen. Ein wahrhaft erhebender Abend.
Sophiensäle, nochmals heute, 6. Juni

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