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Hier der Familientyp, dort der Popstar. Robert Forster (li.) und Grant McLennan 2005 in München.

© ullstein bild

Biografie des Go-Betweens-Frontmanns: Robert Forster, Popstar und Dandy

Ewiger Pop-Zauber: Der australische Musiker Robert Forster erzählt in „Grant & I“ die Geschichte seiner Band The Go-Betweens – und die einer außergewöhnlichen Freundschaft.

Die Popgeschichte kennt viele Gewinner, klar, wird aber noch mehr von Verlierern bevölkert: von tragischen und traurigen, eigensinnigen und überzeugten, schönen und glücklichen Verlierern. Die australische Indie-Pop-Band The Go-Betweens, die ihre größte Zeit in den mittleren und späten achtziger Jahren hatte, gehört sicher zur Kategorie der Verlierer und hat als solche alle möglichen Stadien von Glück bis Tragik durchlaufen.

Robert Forster, einer der beiden Masterminds und Songwriter der Band, lässt das in seiner lesenswerten Biografie „Grant & I“ gleich in den ersten Sätzen anklingen, vermutlich unfreiwillig. Er beginnt chronologisch damit, wie er im provinziellen ostaustralischen Brisbane behütet aufwächst, aus was für einer Familie er stammt, aufstrebende Mittelschicht, und er erwähnt auch die Menschen in der Nachbarschaft: „Wir lebten Tür an Tür mit den Smiths“, schreibt Forster, um schon einmal kurz auf die legendäre „juwelen- und blumengeschmückte“ britische Band zu verweisen, mit denen die Go-Betweens später in England Bühne und Plattenlabel teilen sollten.

Die Geschichte einer lebenslangen Freundschaft

Nur dass eben die Smiths zu den Giganten des Pop zählen, ihre Songs heute noch sehr geläufig sind. Und dass Morissey und Co auch nicht ganz unschuldig daran waren, dass die Go-Betweens mit ihren ersten sechs Alben von Label zu Label ziehen mussten. Denn nach den ersten Smiths-Singles setzte der damalige Rough-Trade-Chef Geoff Travis die Go-Betweens wieder vor der Tür. Und zwar kurz nach der Veröffentlichung ihres zweiten, eigentlich die Grundlage für eine große Karriere in Europa schaffenden, von Forster im Nachhinein gar als „Klassiker“ bezeichneten Albums „Before Hollywood“: „Geoff hatte eine neue Liebe“.

Meister der Herzen wurden die Go-Betweens trotzdem, mit ganz wundervollen Popsongs, die für die Alben zu gleichen Teilen geschrieben und komponiert von Forster und seinem Freund und kreativem Widerpart in der Band, dem im Mai 2006 mit 48 Jahren gestorbenen Grant McLennan. Forsters Buch heißt deshalb nicht zufällig „Grant & I“. Mit der ihm eigenen Noblesse hat er den Vornamen von McLennan an den Anfang gestellt. Forster erzählt nicht nur die Geschichte einer Band, sondern auch die einer lebenslangen Freundschaft.

Das Romantischste, das zwei Heteros machen können - eine Popgruppe gründen

Die beiden lernen sich in einem Anglistik-Kurs an der Uni kennen und stellen fest, dass sie dieselben Interessen teilen, Film, Literatur und Popmusik. Nach einigem Hin und Her — Robert Forster ist der Fordernde, der schon erste Stücke geschrieben hat, „Karen“, „Lee Remick“, zwei All-Time-Favoriten der Band, McLennan der sich Zierende, Zurückhaltende – machen sie schließlich „das Romantischste, was zwei heterosexuelle Männer zusammen erschaffen können: eine Popgruppe gründen“.

Die Popgruppe entwickelt sich zu einer der ungewöhnlicheren ihrer Zeit, nachdem Forster und McLennan beschlossen haben, zwischen Australien und London hin und her zu pendeln. Zu ihnen stoßen die Schlagzeugerin Lindy Morrison und die Geigerin Amanda Brown, und die Go-Betweens spielen keinen Indierock, keinen Underground-Pop, sondern funkelnden, klassisch anmutenden, ein wenig auch auf die Charts zielenden Pop. „See you in the Top Ten“: So beendete Forster einmal eine Einführung für ein Best-Of-Album, ironisch und wohl wissend, dass sie nie einen richtigen Hit hatten.

Der Schüchterne und der Aufbrausende

Den Pop bringt Amanda Brown mit ihrem Geigen- und Oboenspiel entscheidend mit in die Songs. Doch mehr noch speist er sich aus der den Songs innewohnenden produktiven Spannung zwischen Forster und McLennan. Der eine, Forster, ist der schroffere, eher dem Country- und Folk zugewandte Musiker, McLennan derjenige, der den Songs die Melancholie, den Herzschmerz, aber auch das Jubilierende, Übersprudelnde verleiht, zuständig für hinreißende Stücke wie „Bachelor Kisses“, „Bye, Bye Pride“ oder „Streets of Our Town“, und viel später dann für „Boundary Riders“, „Finding you“ und „Demon Days“, die allesamt heute noch enorm frisch wirken.

Interessant dabei: Forster ist immer der charismatische Frontmann der Band gewesen, der mit seinem dandyhaften Aufreten für den Go-Betweens-Glam sorgte. McLennan war mehr der Kumpeltyp, kleiner und gedrungener von Statur, mit früh sich lichtendem Haar. McLennan erinnerte mehr an einen gemütlichen Handwerker von nebenan als an einen Popstar. Forster bezeichnet ihn einmal auch als ein „bisschen hüftsteif“ auf der Bühne, als jemand, der sich dort „in seinen Songs wohler fühlte“ und nur ungern den Kontakt zum Publikum aufnahm.

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Allerdings erzählt er auch von ihrer beider unterschiedlicher Entwicklung, besonders einfühlsam von der McLennans, nachdem sie die Band 1990 aufgelöst hatten und im Jahr 2000 begannen, unter dem alten Namen erneut Alben zu produzieren und aufzutreten. Das widerspricht sehr der bisherigen öffentlichen Wahrnehmung der Band: Forsters Leben außerhalb der Musik ist das einer stetigen Verbürgerlichung. Er lernt in Deutschland eine Frau kennen, hat mit ihr zwei Kinder (und schwört nach einer Hepatitis-C-Diagnose dem Alkohol und anderen Drogen ab, die er in seinem Buch, ebenfalls nobel, meist nur dezent am Rande erwähnt).

Grant McLennan dagegen lebt studentisch-bohèmehaft, verwindet nie die Trennung von Amanda Brown, die ihm nach der Bandauflösung 1990 den Laufpass gab, hat wechselnde Freundinnen, vertraut laut Forster auf die „Mythen des Künstlerdaseins“ und versteht insbesondere den Alkohol nicht als Dämon, sondern als „Lebensnotwendigkeit“. Über ihre späte Beziehung – vor den Aufnahmen spielen sie einander wie früher ihre Songs vor –, schreibt Forster:  „Gelegentlich erwischte ich ihn, wie er mich irritiert ansah, vielleicht suchte er nach dem Mann, der ich in den Achtzigern war. Als ob der nüchterne Familientyp neben ihm ein Betrüger wäre.“

Torwächter der Seele

Beiden gelingt trotz dieser inzwischen unterschiedlichen Lebensstile und -Auffassungen ein außergewöhnliches Comeback, mit drei Alben, die fast noch besser sind als die frühen – und genauso erfolglos, gemessen an zählbaren Chart- und Verkaufsnotierungen. Wer sich die Go-Betweens-Songs jetzt noch einmal anhört, über ein Jahrzehnt nach McLennans Tod und der Veröffentlichung des allerletzten Albums „Ocean’s Apart“, wird merken: Ihren Pop-Zauber haben sie sich bewahrt. Sie sind ewige „gatekeeper of my soul“, Torwächter der Seele, wie es in einem der Stücke heißt.

Robert Forster: Grant & I. Aus dem Englischen von Maik Brüggemeyer. Heyne Encore, München 2017. 368 Seiten, 22 €. Buchpremiere mit Robert Forster an diesem Montag, 6. 11., 20 Uhr, Pfefferberg-Theater, Schönhauser Allee 176

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