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Der Blick kreist frei um die Kunstwerke. Blick in die Bernini-Ausstellung in der Galleria Borghese.

© Krahn

Bernini-Ausstellung in Rom: Die Wärme von Marmor

Sein Einfluss reichte bis Berlin: Die Galleria Borghese in Rom präsentiert eine große Schau des barocken Universalkünstlers Gianlorenzo Bernini.

Vor zwanzig Jahren wurde in Rom die Galleria Borghese wiedereröffnet. Nun ist dort eine großartige Ausstellung über Gianlorenzo Bernini mit Leihgaben aus aller Welt zu sehen. Sie widmet sich dem Werk des Künstlers „a tutto tondo“, also von allen Seiten seines Schaffens, das von Antiken-Restaurierungen über mythologische Darstellungen, Gestalten christlicher Thematik, Bildnisbüsten, Grabmälern bis hin zu Brunnenprojekten reicht. Insofern ist es die erste monografische Ausstellung dieses 1598 in Neapel geborenen Künstlers und Architekten.

Einen besseren Ort dürfte es dafür kaum geben, denn in der zu Anfang des 17. Jahrhunderts errichteten Galleria Borghese befinden sich etliche Meisterwerke aus der frühen Schaffenszeit Berninis, darunter die Apoll-Daphne-Gruppe, die der Künstler 1622-25 für seinen ersten großen Mäzen und Auftraggeber, den Kardinal Scipione Borghese, ausführte. Nach dessen Idee entstanden die Marmorarbeiten als autonome Werke, um in jedem Raum die Vorstellungskraft der Besucher anzuregen. Noch heute bilden sie eine der Hauptattraktionen in dem ursprünglich vorrangig für die Präsentation von plastischen Werken errichteten Gebäude. Sie sind auch der Kern der aktuellen Ausstellung.

Auch Werke von Berninis Vater sind zu sehen

In diesem Pantheon der Skulptur waren Berninis Werke ursprünglich gleichsam im Wettstreit antiken Skulpturen gegenübergestellt oder kamen, wie die Apoll-Daphne-Gruppe, in den damals noch schlicht mit Ledertapeten ausgestalteten Räumen als Einzelwerke zur Geltung. Während Berninis Skulpturen damals eine wandbezogene Aufstellung fanden, wurden sie seit Ende des 18. Jahrhunderts gänzlich anders inszeniert, nämlich jeweils im Zentrum einzelner Räume. Der heutige Besucher kann sie umschreiten und verschiedenartige Ansichten wahrnehmen, wozu die von allen Seiten in technischer Meisterschaft ausgeführten Werke geradezu herausfordern. Diese Betrachtungsweise orientiert sich an Überlegungen von Benvenuto Cellini, dem Florentiner Bildhauer des 16. Jahrhunderts, der in der Diskussion um die Vorrangigkeit der Künste die Vielansichtigkeit als einen wesentlichen Vorteil der Skulptur im Gegensatz zur Malerei herausgestellt hatte. Einen Höhepunkt dieser Art der Präsentation bildete die Inszenierung von Antonio Canovas Marmorfigur der Paolina Borghese auf einem drehbaren Postament.

Die Ausstellung beginnt im zentralen Hauptsaal, der sich über zwei Stockwerke ausdehnt. Dort sind auch einige Werke von Berninis Vater Pietro, bei dem der Sohn Gianlorenzo seine Ausbildung erhielt, zu sehen. Diese Gegenüberstellung macht deutlich, wie sehr sich Gianlorenzo vom spätmanieristischen, etwas trockenen Stil seines Vaters abzusetzen vermochte. Das Zentrum dieses Raumes bildet die 1624-26 für den Hauptaltar der römischen Kirche Santa Bibiana geschaffene Statue der Märtyrerin, die nach ihrer Restaurierung nun zum ersten Mal aus unmittelbarer Nähe zu betrachten ist. Schon allein die Präsentation dieser bravourös gestalteten Figur macht die Ausstellung zu einem Ereignis. Bernini hatte in der Standfigur dieser Heiligen ein Werk von geradezu kanonischem Charakter geschaffen, das im Barock häufig nachgeahmt wurde.

Bernini war ein Michelangelo seines Zeitalters

Seine innovative Kraft zeigt sich auch in seiner Tätigkeit als Antikenrestaurator. Im Auftrag von Scipione Borghese ergänzte er einen schlafenden Hermaphroditen, ein Hauptwerk der Sammlung antiker Skulpturen der Borghese. Statt eines üblichen Terrainsockels schuf er eine lebensecht gestaltete Matratze aus Marmor. Diese Figur befand sich allerdings damals nicht frei im Raum, sondern war in einen hölzernen Schrein mit Türen eingelassen, um sie den gewöhnlichen Blicken zu entziehen. Anlässlich der Ausstellung ist dieses Werk, das in napoleonischer Zeit zusammen mit einem Großteil der antiken Skulpturen in den Louvre gelangte, nun wieder an den Ort seiner Entstehung zurückgekehrt.

Berninis Meisterschaft in der Bildniskunst wird in einem großen Saal des Obergeschosses, der ehemaligen Loggia, gewürdigt. Porträts fielen Bernini jedoch, nach seinen eigenen Worten, jedes Mal schwer. Es dominieren hier Papstporträts in Marmor und Bronze. Mit drei plastischen Bildnissen ist Urban VIII. Barberini präsent, der schon sehr früh Berninis Genie erkannte und ihn darin bestärkte, den Künstler zu einem Michelangelo seines Zeitalters zu machen. Im Kontext dieser Werke wird der hohe künstlerische Rang der ebenfalls präsentierten Büste des Kardinals Alessandro Peretti Damasceni Montalto aus der Hamburger Kunsthalle evident.

Gegenüberstellung mit Porträts

Tableauartig sind die Büsten auf einem großen Tisch präsentiert, sodass auch sie von allen Seiten zu sehen sind. Den künstlerischen Höhepunkt dieser Phalanx bilden die beiden „sprechenden“ Porträts des Scipione Borghese, vor allem das in seiner „Lebenswahrheit“ unvergleichliche Bildnis der Geliebten Berninis, Costanza Bonarelli, das der Bildhauer für sich selbst geschaffen hatte. Spannungsvoll gegenübergestellt sind den Bildnissen Gemälde des Künstlers, vor allem Porträts. In der temperamentvollen Gestaltung sind sie Berninis plastischen Porträts durchaus vergleichbar.

Weitere Sektionen widmen sich den plastischen Modellen. Eine repräsentative Auswahl seiner Bozzetti, die in der Spontaneität ihrer Formensprache Berninis schöpferische Kraft eindringlich zur Anschauung bringen, ist im Saal mit Correggios Danae zu sehen. Während diese Modelle ganz eigenhändig entstanden sind, waren an den großen Marmorwerken häufig Mitarbeiter der Werkstatt beteiligt. Anschaulich wird die Verwendung von Modellen in einem anderen Raum, der die Genese des Vierströmebrunnens zeigt. Neben dem Elefanten mit dem Obelisken auf der Piazza S. Maria sopra Minerva ist dieser Brunnen geradezu ein Wahrzeichen von Berninis Schaffen im römischen Stadtbild. Das Modell für das Reiterstandbild Ludwigs XIV. aus Ton ist zusammen mit einer zeichnerischen Vorstudie zu sehen, in der das Reiterstandbild auf einem Berg Aufstellung finden sollte. Außer Bernini dürfte kein anderer Bildhauer auf eine solch kühne Idee gekommen sein.

Es werden auch kontroverse Werke gezeigt

Berninis plastische Skizzen dienten aber nicht allein zur Vorbereitung großformatiger Bildwerke. Nach dem Modell für das monumentale Standbild der Markgräfin Mathilde von Tuscien in St. Peter entstanden auch Bronzegüsse, die auch diesseits der Alpen Verbreitung fanden. Ein aus der Berliner Kunstkammer stammendes Exemplar im Berliner Kunstgewerbemuseum inspirierte den Bildhauer und Baumeister Andreas Schlüter zu seiner monumentalen Darstellung der Borussia im Hof des Berliner Schlosses – sie hält statt der päpstlichen Insignien die Königskrone und das Zepter Preußens. Demnächst wird die nach dem Zweiten Weltkrieg zerstörte Figur in einer Rekonstruktion im Humboldt-Forum zu sehen sein.

Ein Verdienst der Ausstellung ist nicht zuletzt, dass auch Werke gezeigt werden, die in der Zuschreibung kontrovers sind. Aufschlussreich ist die Gegenüberstellung einer lange Zeit als Werk Berninis angesehenen Christusbüste aus dem Chrysler Museum of Art in Norfolk mit dem erst 2001 in der römischen Kirche San Sebastiano fuori le mura wiedergefundenem Original. Nicht weniger interessant ist die Gegenüberstellung eines 1654-56 für den spanischen Hof geschaffenen Gekreuzigten aus Bronze, der im Escorial Aufstellung fand, mit einer seit 2006 in der Art Gallery of Ontario in Toronto aufbewahrten Version. Diese wird zwar im Katalog als Werk Berninis aufgeführt, gibt sich doch in der Gegenüberstellung sowohl in der Detailgestaltung als auch in der weniger spannungsvollen Komposition als eine Nachahmung von anderer Hand zu erkennen.

Villa Borghese, Rom, bis 4.2.; Katalog 55 €. Der Autor ist Oberkustos der Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst im Bode-Museum.

Volker Krahn

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