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Baden gehen. Eine der besten Kojen der Art Berlin Contemporary 2016: Bilder von Andreas Schulze bei Sprüth Magers.

© Stefan Korte

Berliner Kunstmessen: Frische Schwinger

Aus ABC wird Art Berlin: Köln verhilft Berlin zum Neustart der Messe mit breiterem Angebot. Auch die Kunstmesse Positions wächst.

Sie haben gerade noch einmal die Kurve genommen. Zur Vorstellung der 5. Berlin Art Week fanden sich in der Kunstsammlung von Julia Stoschek alle ein, die maßgeblich am Programm der kommenden Woche beteiligt sind. Darunter die Verantwortlichen der beiden offiziellen Berliner Kunstmessen: Maike Cruse für die ehemalige Art Berlin Contemporary (ABC) und neue Art Berlin – und Kristian Jarmuschek für die Positions Berlin. Wie knapp es für die ABC bis vor kurzem war, weiß man jetzt: Ohne ihren jetzigen Partner, die Kölner Messegesellschaft, gäbe es die Plattform im neunten Jahr ihres Bestehens nicht mehr.

Dass sie auch zuvor schon heftig an ihrem Konzept geschraubt hat, ließ sich vergangenen Herbst im Station am Gleisdreieck beobachten: Es gab weniger Teilnehmer, weniger Ausstellungsfläche – und enttäuschte Besucher. Wo Maike Cruse für eine inhaltliche und qualitative Konzentration warb, vermuteten andere die fehlende Bereitschaft vieler Galerien, sich weiter finanziell zu engagieren. Städte wie Brüssel, Marseille oder Paris feiern mit kleinen, sorgsam kuratierten Messen Erfolge. Berlin tat das nicht, obwohl die ABC eine feine, meist schöne Schau gewesen ist. „Es war schon bald nach dem letzten Mal klar, dass wie uns etwas radikal Neues überlegen oder pausieren müssen“, bilanziert Maike Cruse. „In Gesprächen mit Galeristen und Sammlern wurde deutlich, dass sich viele eine klassischere Messe wünschen, bei der die Galerien ihr ganzes Programm zeigen.“ Dem Wunsch nach einem großen Überblick hat sie sich gebeugt. Die Art Berlin, die am 14. September weiterhin unter Cruses Leitung und wie gewohnt im Station öffnet, ist größer, dichter, leichter konsumierbar – aber nicht länger ein originäres Produkt der Stadt.

Keine Zeit für einen Bewerbungsparcours

Die Kölner Messegesellschaft, die nun die Linie der Veranstaltung vorgibt, hat mit der Art Cologne die älteste Kunstmesse überhaupt im Portfolio. Auch ihr ging es mal besser und mal schlechter. Als sie fast am Boden lag, stieg Ex-Galerist Daniel Hug in den Ring, um die Art Cologne erneut nach vorn zu boxen. Erfolgreich. Seitdem gilt Art-Cologne-Direktor Hug als Wunderwaffe gegen schwächelnde Kunstmärkte.

Seine beratende Funktion für Berlin wird schon jetzt sichtbar, obgleich der Deal zwischen Köln und Berlin so spät zustande kam, dass keine Zeit mehr für einen Bewerbungsparcours blieb. Alle Teilnehmer der Art Berlin wurden diesmal direkt eingeladen. Ab 2018 soll es einen „open call“ geben, doch allein die Liste der aktuellen Teilnehmer offenbart die zunehmende Nähe zwischen beiden Städten.

Jeder darf alles zeigen, was wichtig ist

Über hundert Galerien aus 16 Ländern – und damit fast doppelt so viele wie 2016 – versammeln sich auf der erneut vergrößerten Ausstellungsfläche. Ihr Angebot beschränkt sich nicht länger auf aktuellste Kunst, weshalb die Messe künftig auf das Wort „Contemporary“ in ihrem Namen verzichtet. Teilnehmer wie Samuelis Baumgarte aus Bielefeld, die Zürcher Galerie Dierking, Georg Nothelfer aus Berlin oder die Münchner Jahn und Jahn bringen Werke des Informel, aus Zero-Zeiten oder Konzeptmalerei à la Imi Knoebel mit. Dank auf weltweiten Messen erprobter Galeristen wie Michael Schultz oder Walter Storms erweitert sich das Programm um künstlerische Positionen, die auf der ABC bislang nicht sichtbar waren. Und mit der Möglichkeit, für etwas über tausend Euro auch einzelne Wände zu mieten, öffnet sich die Art Berlin ganz jungen Galerien.

Die Moderne hält Einzug in die Kojen, gleichzeitig fällt die bisherige Beschränkung auf eine einzige künstlerische Position je Koje weg. Jeder darf nun alles zeigen, was ihm wichtig ist. Einige Galeristen halten dennoch an den Soloschauen fest, weil ihnen das Konzept in der Vergangenheit gefallen hat. In den Jahren zuvor lag der Schwerpunkt auf Konzeptkunst und Installationen, nun sieht man Malerei aus diversen Jahrzehnten.

„Es geht darum, die beiden wichtigsten Galerienstandorte Deutschlands auch als Standorte für Kunstmessen langfristig zu entwickeln“, erklärt Daniel Hug. Die Chance ist nun da, nun muss sich die Art Berlin bewähren.

Kunst von der Hochschule auf der „Academy Positions“

Die Positions hat diese Zeit schon hinter sich. Nach mehreren Umzügen ist sie zurück in der Treptower Arena - jenem Ausstellungsort, den die beiden Direktoren Kristian Jarmuschek und Heinrich Carstens favorisieren. Die Halle ist luftig, hat breite Gänge und jede Menge Platz für zusätzliche Kojen. So wächst auch die Zahl der Teilnehmer in diesem Jahr: Über 80 Galerien sind aktuell dabei, darunter Bräuning Contemporary aus Hamburg, Max Weber Six Friedrich aus München, Maus Contemporary aus Birmingham oder der Berliner Kunsthandel Ralph R. Haugwitz. Für das spezifische Profil der Messe sorgt die Auswahl der Bewerber. Zu den europäischen Positionen gesellen sich wichtige Protagonisten der osteuropäischen Kunstszene: Apteka Sztuki aus Warschau, die Contour Art Gallery aus Vilnius oder Maksla Xo aus Riga. Sie setzen ihren eigenen Akzent in einem Programm, das sich ganz an der Gegenwart orientiert. Mit einer Ausnahme: Carstens und Jarmuschek legen Wert auf Künstler, die es wiederzuentdecken gilt. Den allerjüngsten Sektor versammelt die Positions an ihrem zweiten Standort Bikini Berlin mit der Sonderschau „Academy Positions“. Hier stellen 30 Studenten der Kunsthochschulen Berlin, Weimar, Leipzig, Halle und Dresden aus.

Das Angebot ist breit wie nie, über den Erfolg entscheiden die nächsten Tage.

Art Berlin, Station, Luckenwalder Str. 4-6 / Positions Berlin Art Fair, Arena Berlin, Eichenstr. 4, beide: 14.–17. 9.

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