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Szene aus dem Wettbewerbsfilm "Félicité".

© Celine Bozon

Berlinale-Wettbewerbsfilm: "Félicité": Ein Gesicht, das alles überstrahlt

Im Wettbewerbsfilm „Félicité“ muss eine kongolesische Nachtclubsängerin Geld für eine Operation ihres Sohnes auftreiben.

Von Andreas Busche

Ums Leben singen. Félicité ist der Star einer kleinen Bar in Kinshasa, die Königin der Nacht. Ihre Stimme klingt roh und voller Timbre, sie besitzt die Gabe, Menschen in Glückszustände zu versetzen. Gleich die ersten Szenen von Alain Gomis‘ „Félicité“ tauchen mit unbändiger Energie in den wilden, ausgelassenen Moment ein, die Kamera bewegt sich losgelöst zwischen den tanzenden, flirtenden, liebenden Körpern.

Aus Félicités Gesichtausdruck, den die Kamera immer wieder porträthaft in Nahaufnahme einfängt, spricht Stolz und Unabhängigkeit. Und so viel steht fest: Man wird dieses Gesicht auf dem Festival so schnell nicht vergessen. Die kongolesische Theaterschauspielerin Véro Tshanda Beya hat eine Präsenz, die alles überstrahlt. Sie singt in „Félicité“ für ihre Würde, für das Leben und für ihren Sohn.

Der liegt nach einem Motorradunfall im Krankenhaus. Und weil das Geld für seine OP fehlt, muss Félicité Wunder vollbringen, Extraschichten schieben, Schulden eintreiben. Einmal dringt sie sogar auf das Grundstück eines örtlichen Funktionsträgers ein – ob Politiker oder Gangsterboss, bleibt offen –, um ihn um Geld zu bitten. Immer im Schlepptau: Tabu, ein Stammgast und notorischer Schwerenöter, der es aber nicht mal schafft, Félicités Kühlschrank zu reparieren – ein Running Gag.

Plötzlich scheint ein neuer Film zu beginnen

Dieser Erzählmodus sozialer Mobilität, die Kamera immer im Nacken der Protagonistin, ist inzwischen eine Konvention des engagierten Kinos. Er zielt auf die Komplizenschaft des Publikums ab, doch gerade, als in „Félicité“ die unmittelbare Euphorie dieser formalästhetischen Ranschmeiße zu kippen droht, bricht eine zweite Tragödie über Félicité herein, die auch Gomis’ Werk aus seiner dramatischen Selbstbezüglichkeitsschleife reißt.

Plötzlich scheint ein neuer Film zu beginnen. Der Schmerz öffnet die Synapsen für Sinneseindrücke jenseits der materiellen Welt. Während sich Félicités Leben aufzulösen droht, fasert auch die Erzählung zunehmend aus. Die Logik von Zeit und Raum, Realität und Traum, Tragödie und Komik wird souverän ausgehebelt. Den Kontrast zu den treibenden Congotronics der Kasai Allstars setzt Arvo Pärts erhabenes Orchesterwerk „Fratres“. Die zweite, sich zu rauer Metaphysik aufschwingende Hälfte lässt sich kaum in Worte fassen. Die wahre Magie aber liegt im Gesicht Félicités, auf dem sich ein Lächeln abzeichnet. Andreas Busche

12.2., 9.30 Uhr (Friedrichstadt-Palast), 21.30 (HdBF), 22.30 Uhr (International); 19.2., 18.45 Uhr (Friedrichstadt- Palast)

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