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Jack Trevor und Lissy Arna in "Der Katzensteg" von 1927.

© Deutsche Kinemathek/ W. Limot/Lichtenstein, Rudolf Krabe / Berlinale

Berlinale 2018: Weimarer Kino in der Retrospektive

Screwball-Komödien, Streikdramen und ethnologische Märchen: Die Berlinale Retrospektive wirft einen neuen Blick auf das Weimarer Kino.

Eine Bildhauerin sucht ein Modell für eine Heldenskulptur, findet einen Berufsboxer, verliebt sich in ihn, trennt sich, weil sie glaubt, dass er sie betrügt, und hat, als sie sich wiedersehen, schon ein Kind von ihm. "Das Abenteuer einer schönen Frau", 1932 von Hermann Kosterlitz inszeniert, ist ein früher Screwball-Tonfilm. Lil Dagover spielt die Künstlerin, die unabhängig bleiben will, es gibt Ping-Pong-Dialoge etwa über die Bedeutung des Wortes „Flaps“ und den näselnden Theo Lingen in einer Nebenrolle.

Die Retrospektive der Berlinale steht unter dem Motto „Weimarer Kino – neu gesehen“. Die deutsche Filmproduktion zwischen 1918 und 1933 ähnelt einem versunkenen Kontinent. Fast 90 Prozent der Stummfilme sind verschollen, und während „Metropolis“ oder „Der Kongress tanzt“ zu Klassikern aufstiegen, fielen die Filme, die nicht kanonisiert wurden, weitgehend aus der Erinnerung. Wer kann schon von sich behaupten, Werke wie das Streikdrama "Brüder" (1929), die Reise-Doku "Im Auto durch zwei Welten" (1931) oder das Biopic "Der Favorit der Königin" (1922) über Elisabeth I. von England zu kennen?

Avantgarde und Sehnsucht

Manchmal wirken die Biografien der Macher noch abenteuerlicher als ihre Stoffe. So zog der Münchner Regisseur Franz Osten 1925 nach Indien, um die erste deutsch-indische Koproduktion zu verwirklichen, einen exotischen Großfilm voller Tiger, Schlangen und Tänzer. "Die Leuchte Asiens" beginnt mit Dokumentarszenen aus Bombay und wird zum ethnologischen Märchen über Buddha, den Prinzen und Religionsstifter Siddhartha Gautama. Das Weimarer Kino – das zeigen die zwei Dutzend Beiträge des Programms – ist vielfältiger, widersprüchlicher und kruder als sein Ruf.

Der „Industrie- und Maschinenfilm“ "Sprengbagger 1010", 1929 mit Heinrich George als Zechendirektor gedreht, erzählt von den Verwerfungen des Braunkohletagebaus. Gerhard Lamprechts Kriegsepisode "Der Katzensteg" von 1927 nimmt den Preußen-Patriotismus der Ufa nach 1933 vorweg. Avantgarde und Sehnsucht nach der Vergangenheit standen in der Weimarer Republik nebeneinander.

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