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Lost in Johannesburg. Sihle Xaba in „Vaya“ von Akin Omotoso.

© Berlinale

Berlinale 2017: Panorama: Stadtmoloch und Bergidylle

Gewalt in Johannesburg, Beschneidungsrituale und verbotene Liebe in den Bergen: Das Panorama blickt zum Start mit den Filmen „Vaya“ und „The Wound“ nach Südafrika.

Die lange Zugfahrt ist die vorläufig letzte Ruhephase für die vier jungen Leute, die sich aus der südafrikanischen Provinz nach Johannesburg aufgemacht haben. Aber das wissen sie noch nicht. Die Tänzerin Zanele möchte ein kleines Mädchen bei dessen Mutter abgeben, die eine berühmte Sängerin sein soll. Der brave Sohn Nkulu soll den Leichnam seines Vaters nach Hause holen; und der naive Nhlanhla will bei seinem wohlhabenden Cousin ins Geschäft einsteigen und gibt schon im Zug mit dessen Reichtum an.

Aber natürlich kommt alles anders: Weder Mutter noch Cousin stehen am Bahnhof bereit, um den Besuch vom Lande abzuholen, und der Sarg mit Nkulus Vater ist weg: abgeholt von „seiner Frau“, wie der verdutzte Nkulu erfährt. Die vier Neuankömmlinge müssen sich in der Stadt durchschlagen, und die ist groß, chaotisch, anstrengend und abweisend.

Spannend, aber unangenehm anzuschauen

„Vaya“ verfolgt die Wege der vier, die sich an bestimmten Punkten kreuzen, ohne dass sie voneinander wissen. Luftaufnahmen von Johannesburg zeigen ein Straßenraster, dem immerhin eine Ordnung zugrunde liegt und das Versprechen, dass man sich eines Tages zurechtfinden könnte. Die vier Protagonisten sind davon jedoch weit entfernt. Sie erleben die Stadt als Sündenpfuhl, als Hort des Verbrechens, der Gier und des Betrugs.

Und es ist eine strikt hierarchisch organisierte Männer- und Clangesellschaft, die den Alltag in den schwarzen Vierteln bestimmt. Weiße kommen in diesem Film nicht vor. Im Post-Apartheid-Staat scheinen die schwarzen Männer nach Jahrzehnten der Deklassierung die Macht zurückerobert zu haben – mit physischer und psychischer Gewalt. Verlierer dieser Entwicklung sind die Frauen, die unterdrückt und ausgebeutet werden. „Vaya“ ist ein aufregender Film, der es einem nicht leicht macht, mit den Hauptfiguren warm zu werden. Das ist spannend, aber unangenehm anzuschauen.

Geheime Geliebte. Bongile Mantsai und Nakhane Touré im Panorama-Eröffnungsfilm "The Wound".
Geheime Geliebte. Bongile Mantsai und Nakhane Touré im Panorama-Eröffnungsfilm "The Wound".

© Urucu Mediao

Männlichkeitsstereotypen hinterfragen

Letzteres trifft auch auf den zweiten südafrikanischen Film im Panorama zu, der das Hauptprogramm eröffnet: „The Wound“ beschäftigt sich ganz explizit mit der patriarchalen Ordnung anhand des Beschneidungsrituals, das die Volksgruppe der Xhosa immer noch praktiziert. Die Jungen, um die es geht, sind 16, 17 Jahre alt und werden in die Berge geschickt, wo sie, abgeschieden von der Außenwelt, kampieren und von etwas älteren Betreuern ans Erwachsensein herangeführt werden. Der weiße Regisseur John Trengove benutzt dieses Setting, um Männlichkeitsstereotypen – Saufen, Angeben, Schlachten, Rangeln, Potenzgeprotze – zu hinterfragen: Mit Blick auf den „Stadtjungen“ Kwanda, der, so erklärt sein Vater dem Betreuer Xolani, ein bisschen verweichlicht sei und hart rangenommen werden soll, werden die Ereignisse im Camp erzählt.

Außenseiter Kwanda bemerkt, dass sein Betreuer ein Verhältnis zu einem anderen Mentor hat. Das wiederum setzt Xolani derart unter Druck, dass er schließlich keinen anderen Rat mehr weiß, als sich so zu verhalten, wie ihm vielleicht am wenigsten zumute ist. Während die alten Männer die frisch initiierten singend in die Gesellschaft aufnehmen, fährt Xolani nicht mehr nach Queenstown zurück, sondern nach Johannesburg, wo ihn kaum Besseres erwarten dürfte als die Protagonisten aus „Vaya“.

„The Wound“: 9.2., 21 Uhr (Cinemaxx 7), 10.2., 22.45 Uhr (Cinestar 3), 11.2., 20 Uhr (HAU1), 19.2., 20.15 Uhr (Cubix 7+8), „Vaya“: 11.2., 22 Uhr (Zoo-Palast 2), 13.2., 20.15 Uhr (Cinestar 3), 14.2., 22.30 Uhr (Cubix 7+8), 18.2., 17 Uhr (Zoo-Palast 2)

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