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Dirigent Daniel Barenboim steht in der vom ihm initiierten Barenboim-Said-Akademie in Berlin.

© dpa

Barenboim-Said-Akademie: Einweihung des Pierre Boulez Saales - warum in Berlin?

An diesem Samstag wird der Saal in der Hauptstadt eingeweiht. Dass das kulturelle Kommunikationszentrum in Berlin entstanden ist, hat einen guten Grund. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Frederik Hanssen

Wenn an diesem Samstag der Pierre Boulez Saal der Barenboim-Said-Akademie eingeweiht wird, herrscht in der hauptstädtischen Klassikszene natürlich erst einmal eitel Freude. Weil so ein Veranstaltungsort von mittlerer Größe – der Saal fasst bis zu 680 Besucher – das Platzangebot von Philharmonie und Konzerthaus ideal ergänzt. Gleichzeitig aber ist auch klar, dass Berlin eigentlich eine Notlösung darstellt für eine Institution, die junge Musikerinnen und Musiker aus Israel und den arabischen Ländern miteinander ins Gespräch bringen will, auf und vor allem auch jenseits des Konzertpodiums.

Ursprünglich war dieses kulturelle Kommunikationszentrum in Istanbul geplant. Doch dort erwies sich die Umsetzung letztlich als ebenso aussichtslos wie in Kairo, Amman oder Tel Aviv. In Berlin ging dann alles plötzlich ganz schnell und ganz leicht. Barenboim bekam den Entwurf für einen höchst eleganten Konzertsaal vom Stararchitekten Frank Gehry geschenkt, er besorgte 14 Millionen Euro für die Baukosten bei privaten Geldgebern und die restlichen 18 Millionen beim Bund. Pünktlich und ohne Mehrkosten konnte das Gebäude den Nutzern übergeben werden. Ja, auch das ist in dieser Stadt möglich.

Die Politik will das Projekt vereinnahmen, aber es ist Barenboims Werk

Bei aller Freude über den Erfolg aber gilt es nicht zu vergessen: „Dies ist ein Projekt im Exil.“ Das sagt Daniel Barenboim über seine Akademie, in der sich die Studenten nicht allein mit Musik beschäftigen sollen, sondern eben auch auch mit Philosophie und Geistesgeschichte. Auf neutralem Boden, in einer der tolerantesten Städte der Welt. Dass eine Sinfonie nur dann funktioniert, wenn sich alle Mitspieler untereinander zuhören, wissen die Musikerinnen und Musiker aus der Erfahrung mit dem „West Eastern Diwan Orchestra“ des Maestro. In Berlin sollen sie nun lernen, dass auch Diskussion nur dann fruchtbringend sind, wenn sich die Kontrahenten gegenseitig ausreden lassen.

Die Versuchung für deutsche Politiker ist jetzt natürlich groß, etwas vom Glanz der Barenboim-Said-Akademie auf sich selber umzulenken. Sowohl das Außenministerium wie auch die Kulturstaatsministerin haben sich geradezu überschlagen in ihrer Bereitschaft, das humanistische Projekt finanziell zu unterstützen. Das Außenministerium, indem es die Akademisten mit Stipendien ausstattet, die Kulturstaatsministerin, indem sie die Betriebskosten von Konzertsaal und Hochschule übernimmt, jährlich sieben Millionen Euro. „Die Unterstützung der Akademie durch mein Haus“, ließ Monika Grütters am Freitag verlautbaren, „darf auch als ein Beitrag der Bundesregierung zum Friedensprozess im Nahen Osten verstanden werden.“ Letztlich aber ist es allein Barenboims Werk – und es wird das Vermächtnis dieses Mannes werden, der bei seinem Engagement für die Region stets ebenso viel Mut wie Realismus bewiesen hat.

Für die kommenden 99 Jahre hat das Land Berlin der Akademie das Gebäude an der Französischen Straße verpachtet. Das Projekt ist also auf Dauer angelegt. Wenn jedes Jahr nur 30 junge Menschen hier einen Abschluss erhalten und dann in ihren Heimatländern von der Art zwischenmenschlicher Kommunikation berichten, die sie hier kennengelernt haben, kann sich mittelfristig der Umgangston in der Region ändern. Weniger schrill werden, vielleicht sogar harmonischer. Dann wäre wahrlich schon viel erreicht.

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