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Der Glanz des Hauses Habsburg. Maria Theresia und ihr Ehemann Franz Stephan von Lothringen mit den gemeinsamen Kindern. Barockgemälde aus dem Schloss von Versailles, dem Schauplatz der Tragödie von Tochter Marie Antoinette.

© dpa Picture-Alliance / Fine Art

Barbara Stollberg-Rilingers Biografie über Maria Theresia: Das Leben ist ein langer Krieg

Kontrollfreak, Staatserneuerin, Kämpferin: Barbara Stollberg-Rilingers mit dem Leipziger Buchpreis ausgezeichnete, epochale Maria-Theresia-Biografie.

Schönheit war eine Sache der Staatsräson. Weil der Herrscher sein Land verkörperte, musste er attraktiv sein. Vor allem, wenn es sich um eine Frau handelt. Die Habsburger, lange für ihren von Generation zu Generation vererbten Unterbiss berüchtigt, bekamen mit Maria Theresia eine Königin und Kaiserin, deren Äußerlichkeit auf den ersten Blick als Zeichen von Tugend und Reinheit zu erkennen war. Der Jurist Christian Gottlieb Richter schwärmte: „Sie ist lieblich von Gestalt, und hat rothe Wangen, und Sie ist die schönste der Frauen.“ Ein Lob, das der englische Gesandte Charles Hanbury Williams bestätigte: „Ihr Körper ist gemacht, um eine Krone zu tragen und ihr Geist, um sie zum Funkeln zu bringen.“ Der preußische Gesandte Otto Christoph von Podewils ging weiter ins Detail: „Sie hat ein rundes, volles Gesicht und eine freie Stirn. Die Augen sind groß, lebhaft und zugleich voll Sanftheit.“

Die rhetorischen Girlanden folgen dem Schönheitsideal ihrer Zeit. Anmut und Lieblichkeit wurden als Indiz göttlichen Segens gedeutet. Wichtig waren der „freie“ Gang und eine „majestätische“ Körperhaltung. Denn frei und majestätisch konnten nur allerhöchste Herrschaften auftreten. Maria Theresia selber war von ihrer Ausstrahlung weniger begeistert und bezeichnete sich gegenüber Vertrauten selbstironisch als „la grosse Therese“, die dicke Therese.

Ihre Herrschaft musste Maria Theresia sich erkämpfen

Füllig geworden war sie, weil sie 1756, mit 39 Jahren, bereits sechzehn Geburten hinter sich hatte. Der Körper von König und Königin, schreibt Barbara Stollberg-Rilinger in ihrer großen, großartigen Maria-Theresia-Biografie, war im 18. Jahrhundert „noch im ganz wörtlichen Sinne Gegenstand des politischen Diskurses“. Für die dynastische Herrschaftsweitergabe spielte die Beschaffenheit des Körpers der Fürstin eine zentrale Rolle, vor allem die Fruchtbarkeit. Ihre Fruchtbarkeit stellte Maria Theresia, die vor 300 Jahren, am 13. Mai 1717 in Wien zur Welt kam, ausreichend unter Beweis. In den ersten zwanzig Jahren ihrer Ehe war sie meistens schwanger. Zehn ihrer sechzehn Kinder überlebten sie. Allerdings bekam Maria Theresia zunächst drei Töchter, was im Familienverständnis ungünstig war. Üblicherweise konnten nur Söhne Rang, Stamm und Herrschaft übernehmen. Umso größer fiel der Jubel aus, als 1741 endlich der Thronfolger Joseph geboren wurde.

Ihre Herrschaft musste Maria Theresia sich im Wortsinn erkämpfen. Als man sie zur Kaiserin krönt, wird sie beim Zeremoniell in der männlichen Form angesprochen. Das Barock, in dem sich ihr Leben bewegte, war eine Ära von Prunk, Baulust und Aufrüstung. Geld war stets knapp, auf allen Seiten. „Europas Einheit bestand – paradoxerweise – in seiner Zwietracht“, schreibt Stollberg-Rilinger. Bündnisse waren genauso unstabil wie Grenzverläufe. Die meisten Kriege entzündeten sich an Erbfolgestreitigkeiten. Karl VI., Vater von Maria Theresia, hatte 1713 die „Pragmatische Sanktion“ eingeführt, die es auch Habsburger Töchtern erlauben sollte, den Thron zu besteigen.

Eine Welt voller Gegner

Durchsetzen ließ sich die Regelung allerdings nur schwer. So war die – dem Haus Habsburg zustehende – Wahl eines „Frauenzimmers“ zum deutschen Kaiser im Reichsrecht nicht vorgesehen. Die Umkehrung der Ordnung zwischen Mann und Frau als „häusliche Weiberherrschaft“ kannte das abschreckende Beispiel der Xanthippe, der streitlüstigen und übellaunigen Frau des Sokrates. Über die „politische Weiberherrschaft“ befanden Juristen etwas gnädiger, sie könne durchaus rechtens sei. Allerdings handele es sich dabei um ein „Staats-Gebrechen“, eine Monstrosität.

Als Karl VI. 1740 stirbt, erhebt der Kurfürst von Bayern Anspruch auf das Erbe. Auch der König von Sachsen beansprucht die Krone des Erzhauses Habsburg. Maria Theresia sieht sich einer Welt von Gegnern gegenüber. Sie ist zwar jetzt Erzherzogin von Österreich und als Königin von Böhmen und Ungarn ein gekröntes Haupt, macht aber, um das Erbe zu behaupten, ihren Ehemann Franz Stephan zum Mitregenten. Die Bedrängnis, in der sich die junge Herrscherin befindet, nutzt Friedrich II., der nur wenig ältere neue König von Preußen, für sein „Rendezvous mit dem Ruhm“. Er marschiert mit seinen Truppen in Schlesien ein.

Barbara Stollberg-Rilinger auf der Leipziger Buchmesse, wo sie für ihre Biografie "Maria Theresia. Die Kaiserin in ihrer Zeit" in der Kategorie Sachbuch/Essayistik mit dem Preis der Leipziger Buchmesse 2017 ausgezeichnet wurde.
Barbara Stollberg-Rilinger auf der Leipziger Buchmesse, wo sie für ihre Biografie "Maria Theresia. Die Kaiserin in ihrer Zeit" in der Kategorie Sachbuch/Essayistik mit dem Preis der Leipziger Buchmesse 2017 ausgezeichnet wurde.

© dpa

Friedrich besetzt im Erbfolgekrieg von Anfang an die Rolle des Helden, Maria Theresia ist übertölpelt worden. Im Krieg dreht sich alles um Macht, potentia, Potenz, deshalb handelt es sich im zeitgenössischen Verständnis um eine Männersache. Entsprechend schlüpfrig sind die Ansichten über die Kriegsherrin Maria Theresia. Auf einem anonymen holländischen Kupferstich hockt die Königin barbusig auf einem Sofa, während sich Friedrich sowie ein französischer Minister an sie heranmachen, und der Kurfürst von Bayern schon dabei ist, mit Krone und Zepter zu verschwinden. Ein anderes Blatt zeigt sie als Vergewaltigungsopfer vor ihrem Prunkbett, die Täter streiten sich um die wild im ganzen Zimmer verstreute Beute.

Der Erbfolgekrieg endet damit, dass Maria Theresia zwar ihren Thronanspruch behauptet, aber Schlesien verliert. Den Siebenjährigen Krieg führt sie, um Revanche zu nehmen. Aber er geht auch nicht besser aus. Schlesien ist verloren. Die Erzherzogin interessiert sich für alles Militärische, besichtigt bei jeder Gelegenheit Manöver, verschafft Offizieren Zutritt bei Hofe, gründet Kadettenanstalten, reformiert ihre Armee nach preußischem Vorbild. Eine eiserne Lady?

Nicht ganz, denn um Einfluss zu nehmen auf den Schlachtverlauf, bleibt ihr bloß das Beten. Eine Frau auf dem Kriegsschauplatz wäre unvorstellbar. So sitzt Maria Theresia in der Wiener Hofburg, liest Depeschen und schickt Briefe ins Feld, in denen sie „Hunger, Misère und Fatiguen“ der Truppe beklagt oder zwei Dukaten jedem Soldaten verspricht, der „mit dem Säbel in der Faust“ ein feindliches Bataillon in Angst und Schrecken versetzt. Immer wieder treibt sie ihre Generäle an und wirft ihnen vor, dass „ein wochen ein monath umb das andere vergehet und nichts geschieht“.

Das exemplarische Gegensatzpaar der Geschichte

Dass Maria Theresia als Frau und Mutter nicht politisch gedacht habe, dass sie aus typisch weiblicher Loyalität an ihrem Schwager Karl von Lothringen als Oberbefehlshaber festgehalten und deshalb die Kriege verloren habe, gehört zu den Zuschreibungen späterer Historikergenerationen. Stollberg-Rilinger ordnet hingegen der „unbewegten Bewegerin“ andere, vermeintlich männliche Eigenschaften zu: Unerbittlichkeit, Härte, Dickköpfigkeit. „In diesem Leben und im Krieg muss man viel wagen – beaucoup hazader –, ich bin voll Mut“, schreibt Maria Theresia an ihren Gatten, der im Erbfolgekrieg erfolglos das Oberkommando in Böhmen übernommen hatte.

Maria Theresia und Friedrich II. sind zum exemplarischen Gegensatzpaar der deutschen Geschichte stilisiert worden: weibliche Intuition gegen männlichen Willen. Natürlich hat die Verwegenheit des Mannes gesiegt. Doch Stollberg-Rilinger behauptet, dass die Habsburgerin und der Preuße, die einander nie persönlich begegnet sind, sich stärker ähnelten als bislang gedacht. „Beide charakterisiert es, dass sie im Krieg rücksichtslos und unbeirrt an ihrem einmal gesetzten Ziel festhielten.“ Maria Theresia hat Friedrich zutiefst verachtet, er sie hingegen durchaus geschätzt. Sie sei „eine Frau, die man für einen großen Mann halten kann“, sagte er.

Maria Theresia sah sich als Staatserneuerin

Barbara Stollberg-Rilinger, Professorin an der Universität Münster und eine der besten deutschen Historikerinnen, erzählt das Leben ihrer Heldin in einer Mischung aus Nahaufnahmen und Totalen. Der Lauf von Biografie und Ereignisgeschichte wird immer wieder von Essays unterbrochen, in denen es um Körperpolitik am Hofe, um Finanz- und Militärreformen oder die zunehmend „vernünftig“ werdende Religion geht. Maria Theresia war eine widersprüchliche Frau. Ihren „Unterthanen“ wollte sie eine „allgemeine und erste Mutter“ sein. Doch den Begriff Volk gebrauchte sie pejorativ, immer dann, wenn sie Proteste, Murren, Aufstände meinte. Maria Theresia sah sich als Staatserneuerin. Aber gegen „liederliche Weibsbilder“, angeblich unkeusche Frauen, ging sie mit rigiden Moralerlassen vor. Bei der Leipziger Buchmesse erhielt Stollberg-Rilingers Werk den Preis für das beste Sachbuch. Eine bessere historische Biografie ist in Deutschland lange nicht geschrieben worden.

War das ein glückliches Leben? Die junge, energische Maria Theresia würde wohl sagen: ja. Die alte: nein. Nach dem Tod ihres Mannes macht sie Sohn Joseph zum Mitregenten und streitet mit ihm über seine Volksnähe und Sparpläne. Ihre Briefe klingen depressiv: „Oft bin ich froh, dass die Tage, die vergangen sind, nicht wiederkommen, und dass ich mich mit jedem Augenblick dem Ende nähere.“ Bis zum Schluss bleibt Maria Theresia ein Kontrollfreak. Als ihre Tochter Marie Antoinette den französischen Kronprinzen heiratet, schickt sie ihr Spione nach Versailles hinterher. Für die Interessen des Hauses Habsburg verrät sie sogar ihre eigene Familie.

Barbara Stollberg-Rilinger: Maria Theresia. Die Kaiserin in ihrer Zeit. C.H. Beck, München 2017. 1083 Seiten, 34 €.

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