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Weihnachten ist im US-Kino die Zeit der besinnlichen Exzesse. Kiki (Kristen Bell), Amy (Mila Kunis) und Carla (Kathryn Hahn, v. l.) sind gewappnet.

© Tobis

"Bad Moms 2": Stangentanz am Weihnachtsbaum

In der Fortsetzung der Erfolgskomödie „Bad Moms“ treffen Mila Kunis, Kristen Bell und Kathryn Hahn auf ihre Erzeugerinnen.

Schon gehört? Ein Skandal! Aber handfest: „Promimutter gibt eigenem Kind Alkohol!“ Sogar im Berliner U-Bahn-Fernsehen wurde einem die Nachricht jüngst kolportiert. Sie muss also wichtig sein.
Vielleicht sind die Schlagzeilen über die Schauspielerin Mila Kunis, die letzte Woche im Interview mit einem US-Sender freimütig erklärte, dass ihre dreijährige Tochter seit ihrer Geburt (!) jeden Freitag (!) einen Schluck Wein bekäme (!), weil man gemeinsam den Sabbatsegen „Kiddusch“ praktiziere, vielleicht sind diese empörenden Neuigkeiten aber auch eine grandiose Marketingmasche.
Mila Kunis, eine 34-jährige US-Amerikanerin mit ukrainischen Wurzeln, bekannt geworden an der Seite von Natalie Portman in „Black Swan“ und Justin Timberlake in „Freunde mit gewissen Vorzügen“, hat momentan den offiziellen Auftrag, eine „schlechte Mutter“ zu sein – rechtzeitig zum zweiten Teil der mit über 183 Millionen Dollar Gewinn extrem erfolgreichen Krawall-Komödie „Bad Moms“ von Jon Lucas und Scott Moore, der heute auch in den deutschen Kinos startet. Er befindet sich in bester Gesellschaft anderer „Raunchy Girl“-Flicks wie dem von Kristen Wiig geschriebenen „Brautalarm“ oder Lucia Aniellos bis hin zum Mord konsequenten Junggesellinnenabschiedshorror „Girl’s Night Out“ .

Grüße aus der Weihnachsthölle

Weil es jedoch zeitlich prächtig passt und in dem Setting zudem viel zum Thema zu holen ist, geht es in „Bad Moms 2“ um die Hölle auf Erden: Weihnachten. „Das Geheimnis hinter Weihnachten“, sinniert eine der drei Protagonistinnen am Anfang angesichts von Deko- und Konsumwahnsinn, „das sind Mütter, die sich den Arsch aufreißen.“ Die Welt, in der sich Amy (Mila Kunis), Kiki (Kristen Bell) und Carla (Kathryn Hahn) bewegen, ist nämlich voller gesellschaftlicher Klischees, voller Konventionen, denen ein bestimmter Frauentypus zugrunde liegt: der ausschließlich in der Übertreibung von Elternkomödien existierende Typus Mutter, der zum Schulbasar nicht nur selbst gebackene, fett-, zucker- und laktosefreie Kekse mitbringt. Sondern auch noch über die Mütter, die an der Nachttanke Prinzenrolle gekauft haben, die Nase rümpft. Es sind so altmodische wie systemimmanente Klischees, die den Autoren zu Frauen einfallen. Dass es dennoch Spaß machen kann, die Protagonistinnen all diese fiktionalen Vorschriften mixen, reinwürgen und ausspucken zu sehen, steht außer Frage.

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Im Sequel treffen Amy, Kiki und Carla auf drei weitere Frauen, die jene Regeln im Zweifelsfall sogar noch vehementer verteidigen sollten: Mit dem Jahresende stehen nicht nur beleuchte Rentiere samt Weihnachtssocken vor der Tür. Sondern auch – die Mütter. Im Falle der ausnahmslos auf höchstem Kaliber swingenden Rockerbraut Carla ist das gar die Mutter des Rock’n’Roll, die cool im Truck angetrampt kommt und Schnapsflaschen im Cowboyhut versteckt: „Ich heiße Isis, wie die Terrororganisation“, stellt sich Susan Sarandon nonchalant den anderen beiden Horrormüttern Ruth (Christine Baranski) und Sandy (Cheryl Hines) vor.

Alles für die Kinder

Und die sind geschockt: Amys Mutter Ruth ist eine Ausgeburt an Perfektion, Arroganz und systematischer Gefühllosigkeit, die ihrer durch permanente Kater-Instabilität aufgeweichten Tochter in Windeseile ihre eigene Version von einem amtlichen Weihnachtsfest aufzwingt, inklusive einer Kanone mit lebendigen Tauben. Kikis Mutter Sandy hat dagegen ein riesenhaftes Abgrenzungsproblem, zieht sich nicht nur an wie ihre Tochter, sondern rückt ihr körperlich auf die Pelle. Angereichert werden diese schön ausgedachten Sidekicks mit Gags, viele davon auf Pimmelwitzniveau – was nicht unbedingt schlecht sein muss. Wer schaut der kundigen Carla nicht gern beim Intim-Waxen eines muskulösen Feuerwehrmanns mit eindrucksvollem Schlauch zu? Unvermeidlich ist jedoch – neben einigen Ver- und Entwicklungen der Protagonistinnen – der Pfad in Richtung harmonisches und glückliches Familienfest. Geht ja schließlich um die Kinder.

Widersprüche der Mutterrolle

Doch genau diese Entwicklungen sind schade. Das Problem dieser Fortsetzung konnte man auch schon dem ersten Teil – wenn auch weniger sichtbar –attestieren. Im krassen Gegensatz zu der Idee, einen anarchistischen, (selbst)ermächtigenden Film über die Widersprüche moderner Mutter-Rollenbilder zu machen, steht die unter Witzen, Sprüchen und Details versteckte sexistische und spießige Grundhaltung der Regisseure. Eine Haltung, die Frauen, die „ausflippen“, allenfalls Alkoholexzesse und klassische Stripperinnenposen zugesteht. Im Einkaufszentrum, wo die bad moms den Entschluss zum Aussteigen fassen, recken sie dem Weihnachtsmann in der Parodie eines Stangentanzes demzufolge angeschickert ihre Brüste und Hintern entgegen. Der laue Kompromiss besteht später darin, dass sich Amy auf den etwas kleineren Weihnachtsbaum als den von ihrer übergriffigen Übermutter favorisierten einlässt. Das Fest, den Konsum, will ja niemand ernsthaft infrage stellen. Nur etwas weniger überkandidelt soll es halt zugehen.

So eine Haltung kann die Grundfesten des Familienfilms nicht erschüttern, er erstarrt bloß in Situationskomik. Ob es nun an der Weltanschauung oder schlichtweg an den fehlenden Autorinnen und Regisseurinnen für solche Stoffe liegt: Im Gegensatz zu seinen wilden Genreschwestern bleibt der in Teilen hochkomische Mütterspaß handzahm. Oder, um es saisonal zu sagen: Anstatt den Weihnachtsbaum zu fällen, wird er nur angetanzt.
In 19 Berliner Kinos, OV: CineStar Sony-Center

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