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Fracking im Tal von Troy, Pennsylvania. In Boumans Roman wird in der Nähe einer Ölplattform eine Leiche gefunden.

© dpa/Jim Lo Scalzo

„Auf der Jagd“ von Tom Bouman: Willkommen in der Provinzhölle

Wenn Rednecks morden: Tom Boumans fulminanter und preisgekrönter Krimi „Auf der Jagd“ erzählt vom Verfall der amerikanischen Provinz.

Frühling im Holebroke County, der ziemlich einsamen, sehr waldigen südwestlichsten Ecke von Pennsylvania. Die Sonne küsst den Waldboden, verwandelt den Schnee in einen feinen weißen, hüfthohen Nebel. Am Horizont fackelt ein Frackingteam Erdgas aus einem Bohrloch ab. Das Tauwetter gibt die Leiche eines jungen Mannes frei, der schon den ganzen Winter unter einem Felsbrocken gelegen haben muss. Er ist halb nackt, und ihm fehlt ein Arm. Als Sheriff Nicholas Dally und Officer Henry Farrell den Fundort erreichen, hat ein Truthahngeier ein Auge des Toten herausgepickt und gefressen. Aus dem Loch hängt ein roter Faden.

Willkommen in der Provinz, willkommen in der Hölle. Manchmal ist beides dasselbe, jedenfalls in Tom Boumans fulminantem Thriller „Auf der Jagd“, der in den USA 2015 mit dem Edgar Allan Poe Award für das beste Debüt ausgezeichnet wurde. Dabei verlaufen die Ermittlungen überaus schleppend, bis die Identität des Mordopfers geklärt werden kann, ist das Buch fast schon wieder vorbei. Farrell, traumatisiert von seinem Einsatz im Somalia-Krieg und vom Tod seiner Frau, hat es mit einer besonders resistenten Form des White Trash zu tun, Rednecks, die sich keine Fragen stellen lassen wollen.

„Unsere Bevölkerung mag grundsätzlich keine Steuern zahlen und neigt zur Annahme, sie könne sich selbst schützen.“ Klingt nach dem Credo vieler Trump-Wähler. Es ist eine Welt im Verfall, von der Bouman detailverliebt erzählt. Im Zentrum von Fitzmorris, Sitz der County-Verwaltung, gibt es einen Sonderpostenverkauf, einen Secondhandladen, zwei Kneipen, ein Kino. Die Jugendlichen nehmen Drogen oder kochen Crystal Meth für den Lebensunterhalt. Officer Farrell ist ähnlich wortkarg wie die Zeugen. Stoisch folgt er den Spuren. Er weiß: „Auf der Jagd heißt die Generaltugend Geduld.“

Tom Bouman: Auf der Jagd. Kriminalroman. Aus dem amerikanischen Englisch von Gottfried Röckelen. ars vivendi, Cadolzburg 2017. 288 S., 20 €.

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