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Art Forum: Neue Übersichtlichkeit

Im zwölften Jahr wollen so viele Galerien auf die Messe wie noch nie – und die Ansprüche steigen. Die Berliner Galerien geben dabei ein gutes Bild ab.

„Noch nie war alles so einfach und wertlos“, hat Wawrzyniec Tokarski auf sein Bild geschrieben. Ein Gemälde, das wie der Künstler fürs 12. Art Forum gemacht zu sein scheint: Tokarski ist jung und angesagt, arbeitet in Berlin und punktet mit einem Großformat (18 000 Euro), das aus diesem Jahr stammt und trotzdem schon im Museum ausgestellt war. Doch ganz so einfach verhält es sich mit den Werten auf Berlins Messe für internationale Gegenwartskunst dann doch nicht.

Auf die andere Seite der Kojenwand hat der Stuttgarter Galerist Karlheinz Meyer eine Bibliotheks-Fotografie von Candida Höfer gehängt, die locker das Dreifache kostet und damit schon ein spürbar teureres Exponat ist. Und war das eben, am Gemeinschaftsstand von Guido Baudach (Berlin), Bortolami (New York) und China Art Objects (Los Angeles) nicht eine Leinwand von Daniel Buren? Eine frühe von 1968 sogar, erklärt Baudach, der neben das Streifenbild seines New Yorker Kollegen (220 000 Euro) eine Sperrholzlampe von Björn Dahlem (3er Edition, je 5000 Euro) gestellt hat. Wem das wiederum zu viel ist, der kann Dahlems Entwurfszeichnung für 1500 Euro erwerben – sollte sich der Galerist zum Verkauf entschließen, denn noch dient das schöne Blatt als reine Ergänzung zur leuchtenden Arbeit.

Auch nach über einem Jahrzehnt gilt das Art Forum als Messe der Experimente und Entdeckungen. Als Ort, an dem man mitunter Exponate aufhängt, die überhaupt nicht verkäuflich sind, sondern stattdessen etwas erzählen sollen: über die Galerie, ihr Programm, eine Richtung. Solche Statements werten die Messe, die ja vor allem Handelsplatz ist, immer schon auf. Genau wie die „Freestyle“-Galeriestände mit ihren Soloschauen oder konzentrierten Präsentationen, die nun erstmals in einer Halle zusammengefasst sind und fast unmerklich in die Sonderausstellung „House Trip“ (siehe unten) weiterführen. Sie alle stecken den Preisrahmen fest, der bei knapp 100 Euro beginnt und mit Künstlern wie Gerhard Richter bei Springer und Winckler das obere Segment für ein kleines, abstraktes Bild von 1997 (560 000 Euro) erreicht. Und doch wird es in vieler Hinsicht enger auf dem Art Forum.

Nie zuvor haben sich so viele beworben wie für die aktuelle Messe, die aktuell mit dem Slogan „About Beauty“ wirbt. Knapp 480 Galerien wären gern dabei gewesen: 136 Teilnehmer aus 23 Ländern sind es geworden. Bei so viel Auswahl steigt naturgemäß der Anspruch der Jury, die ihre Auswahlkriterien sichtlich hochgeschraubt hat. Die Galerien bieten entsprechende Qualität, die wenigen Ausreißer kann man, im Gegensatz zu früher, getrost übersehen.

Ein Viertel der Galerien war zuvor nicht auf dem Art Forum vertreten, ein weiteres Viertel stammt aus Berlin und liefert hier einen starken Auftritt. So wie Andreas Osarek, der in seiner Galerie Crone drei gigantische Formate seines Neuzugangs Norbert Bisky (jeweils 64 000 Euro) zeigt. Und natürlich klebte neben allen schon vor der offiziellen Eröffnung ein roter Punkt.

Man kann sich allerdings mit einer kleinen Leinwand für 6500 Euro begnügen – wenn man von Bisky statt der charakteristischen Figuren nahezu Abstraktes möchte. Es tut sich etwas in seiner Malerei, und genau darauf zielt die leicht überdimensionierte Einzelschau ab, vor der man schnell übersieht, dass an der Seitenwand noch zwei Collagen von Amelie von Wulffen zu entdecken sind.

Dieser Drang zur Konzentration wirkt sich bei vielen Galerien aus. André Buchmann etwa verteilt auf grauem Holzfußboden insgesamt vier Skulpturen; darunter zwei neue „Trashstones“ von Wilhelm Mundt und eine Bronzeskulptur von Tony Cragg (180 000 Euro). Die Galerie Eigen und Art (Berlin/Leipzig) präsentiert drei neue Diptychen von Yehudit Sasportas (je 30 000 Euro), eine Edition von Olaf Nicolai und eine akustisches Bühnenmodell von Carsten Nicolai für 48 000 Euro.

Alles andere hat Gerd Harry Lybke weggräumt. Sollte der Stand am Wochenende ausverkauft sein, hängt er nach: Ansonsten zieht er dieses Jahr die klare Übersichtlichkeit vor und markiert damit einen Trend auf dem Art Forum. Thaddaeus Ropac (Salzburg) beschränkt seine Koje auf Lori Hersberger, der ein sehenswertes Arrangement geschaffen hat. Andere Galeristen kooperieren miteinander und machen aus ihren Boxen echte Räumlichkeiten, in denen sich die Arbeiten der Künstler stimmig inszenieren lassen. Beispielhaft dafür stehen die nordischen Galerien Anhava (Helsinki), Bo Bjerggaard (Kopenhagen) und i8 (Reykjavik).

Karin Guenther und Jürgen Becker (beide Hamburg) bringen auf ihrem gemeinsamen Stand nicht nur Altstars wie Richard Prince mit Jeanne Faust (9000 Euro für den Fotofries „Die Party“) und anderen jungen Talenten zusammen. Etwas separat zeigt Galerist Andrew Kreps aus New York als dritter im Team ein skurriles Foto (5er-Edition, je 6000 Euro) und eine Installation von Klaus Weber mit versehrten Kakteen. Man freut sich über die Energie der beiden Arbeiten und wundert sich: Weber, der spannende Import, lebt in Berlin.

Bei Amerika, bislang eine Berliner Produzentengalerie, fällt Peggy Buth auf. Ihr Leiter Sebastian Klemm wird ab November unter dem Namen Klemm’s weitermachen und gibt hier bereits ein lohnendes Entrée.

Sehenswert ist überhaupt vieles. Seien es Pavel Wolbergs ausdrucksstarke Fotos in der Galerie Dvir (Israel), die parallel auf der Biennale in Venedig gezeigt werden. Oder der mattgrau gestrichene Stand von Mehdi Chouakri, aus dem weit heraus blaue Buchstaben von Sylvie Fleury leuchten und in dem am Ende dennoch eine stille Arbeit wie „total object“ (9000 Euro) von Gerold Miller mehr überzeugt. Bei Frehrking Wiesehöfer (Köln) sind es die Fotografien von Hoachim Brohm und bei Erna Hecey (Brüssel) leuchtet eine rote Tapete, auf der Peter Friedl kindlich ungelenk Amerikas einstige Indianer-Areale verewigt hat (12er-Edition, 9000 Euro).

Dass auch die „Freestyle“-Galerien das Niveau der Messe halten, sieht, wer von den beiden großen Hallen in die dritte hinüber wechselt. Hier überrascht Alexander Gray (New York) mit einem „Shop“ von Cary Leibowitz, in dem es von der Jutetasche bis zum Pornofoto alles rund um den Künstler gibt. Und während sich Ursula Walbröl (Düsseldorf) auf eine fragile, ausgeschnittene Zeichnung des jungen Künstlers Philip Loersch konzentriert, hat das Duo Folke Köbberling und Martin Kaltwasser aus Anselm Drehers Koje einen begehbare Sperrholzkonstruktion aus jenen Resten gemacht, die es im Messelager gefunden hat.

Die neue Ordnung mag inhaltlich sinnvoll sein. Dafür schneidet sie die „Freestyle“-Kojen von der übrigen Messe ab und bringt ein optisches Ungleichgewicht: Während hier die Formen und Farben implodieren, fehlen die Stände mit ihrer feinen Anarchie am anderen Ende. Ansonsten lässt sich getrost sagen: Nie war das Art Forum so wertvoll wie heute.

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