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Steinzeit. Blick in die Koje der Schweizer Galerie Presenhuber, die komplett für den Künstler Ugo Rondinone reserviert ist.

© Art Basel

Art Basel Miami: Unter dem Silberhimmel

Meer und Kunstgenuss: Die Messe Art Basel in Miami Beach beendet das Rekordjahr der Kunst mit millionenschweren Verkäufen.

The Beach. Er wisse, wie verletzlich der Strand sei, die Zone zwischen Wasser und Festland, die sich ständig verwandle, meinte Lars Jan bei der Eröffnung seiner monumentalen Installation „Slow-Moving Luminaries“ (sich langsam bewegende Gestirne) in einem Pavillon an der Oceanfront von Miami Beach. Im Auftrag der Schweizer Luxusuhrenmanufaktur Audemars Piguet, seit vier Jahren einer der Hauptsponsoren der Art Basel, hat der in Los Angeles lebende Künstler, Regisseur, Autor und Aktivist ein kinetisches Gesamtkunstwerk aus fünf großen, gebäudeähnlichen Gitterskulpturen entwickelt, die sich auf Aufzügen langsam nach oben bewegen. Wer die Treppe zum Dach des Pavillons hinaufsteigt, sieht sie dort oben in bestimmten Zeitintervallen in einem flachen Wasserbassin auftauchen und wieder nach unten verschwinden – flankiert von zwei roten Flaggen, bedruckt mit schwarzem Kreis und Quadrat, den maritimen Notrufsymbolen.

SOS – Rette unser Schiff, bevor wir alle untergehen, ist die Kernbotschaft von Jans mechanisch-allegorischer Konstruktion, die er auch als Meditation über Vergänglichkeit verstanden wissen will und als Appell, unsere Umwelt und uns selbst zu retten, bevor es zu spät ist. Noch ist Hurrikan Irma als traumatische Erfahrung allgegenwärtig, hat er doch in Miami Beach ebenfalls Spuren der Verwüstung hinterlassen. Auch auf der Art Basel Miami Beach (ABMB), der letzten globalen Kunstmesse des Jahres, ist der tropische Wirbelsturm im teilrenovierten Convention Center in Form von Kunstwerken präsent. Das anrührend stärkste ist die neue Bronzeskulptur einer gekrümmten, verdorrt-graubraunen Palme des kubanischen Künstlerkollektivs Los Carpinteros beim Züricher Galeristen Peter Kilchmann. „Huracán (Hurricane)“ ist das Inbild eines malträtierten biologischen Organismus, der seine filigrane Schönheit auch im Verfall bewahrt. Handwerklich war es eine Meisterleistung, die dünnen Palmblätter in Bronze zu gießen; hohe Produktionskosten erklären den Preis von 200 000 Dollar.

Das neue Design der Halle stimmt euphorisch. Breite Gänge weiten sich zu begrünten Lounges, in denen man sitzen, essen, plaudern und schauen kann, die Stände sind nicht mehr als geschlossene Kojen konstruiert, sondern durchlässig für ihre Umgebung. Nicht unwahrscheinlich, dass das offene, fließende Layout auch einige hervorragende Verkäufe der ersten Stunden der Vernissage beflügelte. „Miami hat uns noch nie enttäuscht“, meint Arne Ehmann, Direktor der Galerie von Thaddaeus Ropac, und nennt Verkäufe unter anderem von der Wandarbeit „Coenties Slip Studio“ (1961) aus dem Nachlass von James Rosenquist für 2,7 Millionen und John Chamberlains kleinem Relief „Sashimi Mendoza“ (1979) für 1,35 Millionen Dollar.

Keine Messe für Entdecker

Auch andere Großgaleristen melden Topverkäufe, darunter Pace, Lévy Gorvy, Sprüth Magers, Presenhuber, Michael Werner, Zwirner und Hauser & Wirth. So vermittelten Letztere Bruce Naumans verstörende Hybrid-Skulptur „Untitled (Two Wolves, Two Deer)“ aus dem Jahr 1989 für 9,5 Millionen Dollar kurz vor Beginn von dessen Retrospektive im Schaulager Basel an ein asiatisches Museum. Zwirner verkaufte ein „Infinity Net“-Gemälde der Japanerin Yayoi Kusama für eine Million Dollar, Werner eine Arbeit von Sigmar Polke für 1,75 Millionen, Pace Werke von Yoshitomo Nara, darunter „Young Mother“ (2012) für 2,9 Millionen, und Eva Presenhuber alle ihre Arbeiten von Ugo Rondinone, der zeitgleich eine Ausstellung im nahen Bass Museum hat.

Millionensummen heften sich an berühmte Künstlernamen, mit denen sich potente Käufer gerne schmücken. Eine Messe für Entdecker ist die ABMB nicht mehr, mehr eine für die wachsende Zahl superreicher Sammler, Investoren und vielleicht auch Spekulanten. Wer im Dezember nach Miami kommt, der bleibt die ganze Woche. Der weiß, dass er auf höchstem Niveau Kunst shoppen und dazu, wenn er mag, die Nächte am Strand durchtanzen kann. Wie in Venedig während der Biennale sind die Preise unverschämt und die Hotels trotzdem ausgebucht. Wenn die Sonne dazu noch so strahlt wie in diesem Jahr, lassen sich Muße am Meer, Spaß bei Cocktails, Dinners und anderen Events und Kunstgenuss entspannt verbinden.

Zu den gesellschaftlichen Höhepunkten zählten das Dinner von Hauser & Wirth zu Ehren von Mark Bradford auf der Dachterrasse des One Hotel, bei dem auch Popsänger Ricky Martin Gast war, und der dreitägige „Prada Double Club“ von Carsten Höller in den Ice Palace Filmstudios Downtown. Der deutsche Künstler konstruierte ein „schizophrenes Wunderland“ aus zwei höchst unterschiedlichen Sphären – einem monochromen Clubraum und einem angrenzenden, tropisch bunten Garten. Auf dem halluzinogenen Terrain vergnügten sich neben Gastgeberin Miuccia Prada illustre Besucher wie Sammlerin Dasha Zhukova und Sängerin Rita Ora.

Miamis Großsammler öffnen ihre Häuser

Wer feiert, steht trotzdem früh auf, denn Miamis Großsammler öffnen traditionell ihre Häuser und ehemaligen Industriehallen: Carloz und Rosa de la Cruz, Martin Z. Margulies, die Familie Rubbell, Immobilienentwickler Craig Robbins oder Monica und Javier Mora. Außerdem wollen rund zwanzig Satellitenmessen inklusive der Design Miami bewältigt werden, darunter Aqua, Nada, Pulse, Scope, Untitled und Art Miami.

Die meisten kann man schnell abhaken und sich noch einmal den 250 Galeristen der ABMB zuwenden. Anders als die Big Players müssen sich viele in Geduld üben, längst nicht alle verkaufen sofort. In Erinnerung bleibt eine Fotoserie von Katharina Sieverding aus dem Jahr 1969 bei Matthias Kunz von der Galerie Sabine Knust (150 000 Dollar) und das Portfolio „Each and Every One of You“, das US-Künstler Allan McCollum 2004 aus den jeweils 600 häufigsten amerikanischen Männer- und Frauennamen akkumulierte und das bei Thomas Schulte für 120 000 Dollar den gesamten Stand füllt. Es sei ihm „um das emotionale Investment“ gegangen, sagt der Künstler, „das wir alle miteinander teilen, wenn wir uns gegenseitig Namen geben“. James und Mary waren damals die Lieblingsnamen.

Eva Karcher

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