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Kinan Azmeh (mit Klarinette) am Donnerstag im Pierre Boulez Saal.

© Maik Reichert

Arab Music Days: Klang des Krieges

Tanz, Jazz & Schlagzeugdonner: Kinan Azmeh eröffnet die Arab Music Days im Pierre Boulez Saal.

Das Setting sieht so gar nicht nach Kammermusik aus: Percussion, Monitore, Verstärker, E-Gitarre und, fast schon konventionell, Kontrabass und Klavier. Zur Eröffnung der Arab Music Days im Pierre Boulez Saal hat der syrische Klarinettist und Komponist Kinan Azmeh seine New Yorker City Band mitgebracht. Sein betörend getragenes Spiel auf der Klarinette wird unterstützt vom rhythmischen Bass und dem Schlagzeug, die sich ein spannendes Duett liefern, bis wieder die Klarinette eingreift und sich immer schneller die Tonleiter hinaufschraubt, überschlägt – sodass man für Kinan Azmeh atmen möchte.

„Home“ ist eine Referenz an Harlem, wo Azmeh seit 16 Jahren lebt. Er habe, sagt er, das Stück nach einer Rückkehr aus Damaskus geschrieben, als er wieder mit der ganzen Vitalität des New Yorker Stadtteils konfrontiert war, wo den ganzen Tag das Radio quakt und sich die Leute von Balkon zu Balkon unterhalten. Als Wohnzimmer bezeichnet er inzwischen auch den Pierre Boulez Saal, den er mit seinem Trio Hewar im Frühjahr eröffnet hat.

Jetzt ist der Abend gemischter, jazziger, trotzdem mit arabischen Grundtönen versehen – wie beim „New Dabke“, einer Interpretation des populären arabischen Rundtanzes. Ein weiteres Stück ist dem Dorf Shizrin gewidmet, südlich von Damaskus, in dem Azmeh oft als Kind war. Es beginnt friedlich mit lang gezogenen Tönen der Klarinette und etwas Klavierbegleitung des Gastmusikers Tarek Yamani, fast ein Idyll. Percussionist Bodek Janke produziert Vogelgezwitscher, bis das Klavier verstörend unmelodisch wird und Janke brutal mit donnerndem Schlagzeug einsetzt. Die Klarinette tiriliert, steigt wieder auf, atemlos – tosender Beifall, Rufe, Pfiffe. Shizrin war sechs Jahre lang belagert worden, Azmeh hat den Bewohnern dieses Stück gewidmet.

In Kairo gab's das schon einmal

Nach der Pause begeistert der irakische Oud-Virtuose Naseer Shamma mit einem Solo. Er kennt Azmeh seit 14 Jahren, ist auch schon öfter im Boulez Saal aufgetreten. Er und Azmeh haben dieses lange Wochenende der Arab Music Days konzipiert und sich dabei am legendären Kongress von Kairo 1932 orientiert, wo erstmals arabische zeitgenössische Musiker zusammenkamen, auch Paul Hindemith und Béla Bártók waren dabei. Ein Wissens- und Gedankenaustausch, der keine Nachahmung fand. Die Arab Music Days knüpfen an diese Tradition an, hoffen auf Begegnung und Neugier.

Wie immer bei Azmeh erinnert das Finalstück an eine syrische Hochzeit, deren Gelingen entscheidend an den Musikern hängt. Er widmet es allen Syrern, die sich trotz Bomben, Kugeln, Giftgas in den letzten sechs Jahren verliebt haben, denn „Verlieben ist ein Menschenrecht, das uns kein Diktator nehmen kann“, sagt Azmeh unter Beifall. Die Musiker geben alles, das Stück endet mit einem furiosen Schlagzeugsolo, wie es dieser Saal wohl noch nicht erlebt hat.

Das Konzert an diesem Samstag mit Naseer Shamma & Ensemble sowie Kinan Azmeh und City Band ist ausverkauft, möglicherweise gibt es Restkarten. Einführungsgespräch um 17 Uhr, nach dem Konzert Lesung mit Ahmed Almulla und Lina Tibi, www.boulezsaal.de

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