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Antonello Manacorda, Chefdirigent der Kammerakademie Potsdam, leitet für einen Abend das DSO.

© promo

Antonella Manacorda dirigiert das DSO: Violinseufzer

Hommage an den verstorbenen Dirigenten Jirí Belohlávek: Das DSO spielt Schumann unter der Leitung von Antonello Manacorda.

Zum Schluss gibt es hingerissenen Applaus. Denn der Emotionalität eines reinen Schumann-Abends, diesem Wechselbad von himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt, zwischen Leidenschaft und Innigkeit, kann sich wohl niemand entziehen. Erfreulich auch, dass es hier um den „ganzen“ Schumann geht, kein Gegensatz von „früher Genialität“ und „erlahmender Schöpferkraft“ im Spätwerk behauptet wird. Gerade „Manfred“, das „dramatische Gedicht“ nach Lord Byron, ist ein schönes Beispiel für Schumanns späte Innovationskraft. Immer noch trauen sich nur wenige an dieses Werk, das eine faustische, keine Grenzen des „Normalen“ akzeptierende Künstlernatur in sein Zentrum stellt; geblieben ist die feurige Ouvertüre. Und ordentlich Dampf macht auch Antonello Manacorda dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin, schlägt nach der klagenden Holzbläser-Einleitung ein hitziges Tempo an, versucht mit weit ausladenden Bewegungen Funken aus dieser vergrübelten Dramatik zu schlagen.

Doch vielleicht ist dies die Crux des Abends. Manacorda muss bei diesem DSO-Debüt in die Fußstapfen eines Größeren treten – Jirí Belohlávek, der das Konzert ursprünglich leiten sollte, war im Mai verstorben. Ihm ist dieses Programm nun gewidmet. Der Wille zu größtmöglicher Intensität scheint den jungen Leiter der Kammerakademie Potsdam auch zu gefährden. Der Druck, den er an das Orchester weitergibt, lässt zu wenig Raum für entspanntes Aufeinander-Hören, die Voraussetzung für Transparenz, schafft monumentalen Klang, in dem manches Detail untergeht: die nervöse Bratschenfigur unter Violinseufzern, zarte Oboentöne, die das pastose Tutti auflockern sollen. Heftige Akzente strukturieren auch die Sinfonie C-Dur op. 61, drücken dem Geschehen buchstäblich die Luft ab. Es fehlt der gemeinsame Rhythmus etwa im heiklen Scherzo oder im Finale, in dessen Siegesglanz kaum Leichtigkeit aufkommt, jener himmelstürmende Tonfall, den auch Schumann im hoffnungsfrohen Vormärz immer wieder aufgriff. Bleibt das Bachs Passionsgesängen nachempfundene Adagio mit intensiven Holzbläserlinien und Streichertrillern – Beruhigung tut Manacorda gut.

Ein Taumel, manisches Getriebensein

Für lyrische Beruhigung sorgt auch immer wieder Piotr Anderszewski, Solist im viel gespielten Klavierkonzert a-Moll. Nach dem stürmischen Beginn geradezu in den Abgrund stürzender Akkorde geht der polnische Pianist feinsinnige Dialoge mit Klarinette und Oboe ein, nimmt sich auch in aufschäumenden Sechzehntelfiguren ganz „unvirtuos“ zurück, während der Dirigent immer wieder feurige Tempi anschlägt, denen sich schließlich auch Anderszewski beugt.

Dem Finale gereicht das nicht zum Schaden – kein entspannter Tanz oder fröhlicher Kehraus, eher ein Taumel, manisches Getriebensein. Dennoch: Die Klangsensibilität des Pianisten, seine Nuancenreichtum, seine meditativ-flexible Tempogestaltung kommt am schönsten in der Zugabe zur Geltung, wenn er Leoš Janácek „Auf verwachsenem Pfade“ nachspürt.

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