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Zupackende Poetin. Die Pianistin Anna Vinnitskaya.

© Marco Borggreve

Anna Vinnitskaya und das RSB: Rettet das Spiel

Das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin und die Pianistin Anna Vinnitskaya führen Rachmaninow und Sibelius in der Philharmonie auf.

Gut ein Jahr ist es her, dass Marek Janowski sein letztes Konzert beim Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin dirigierte, das er 14 Jahre geprägt hatte. Doch sein Einfluss hält an, wie das Programm des RSB am Sonntag in der Philharmonie zeigt. Zum einen findet dort die Zusammenarbeit mit der Pianistin Anna Vinnitskaya ihre Fortsetzung, mit der der Ex-Chef alle Bartók-Konzerte und Rachmaninows 2. Klavierkonzert aufführte. Zum anderen schließt Jukka-Pekka Saraste, als Spezialist engagiert, seinen Zyklus der Sibelius-Sinfonien ab, ganz so, wie noch von Janowski erdacht.

Mit wenig Druck wird hohe Intensität erzeugt

Saraste versucht zunächst, sich dessen Sicht auf Rachmaninow, die gar nichts hält von ostentativer Düsternis, vorsichtig zu eigen zu machen. Licht und Luft sollen in das 3. Klavierkonzert einströmen, der poetische Fluss nicht gehemmt werden. Das passt zu Anna Vinnitskayas unangestrengter Phantasie, die sich nicht in einem Drama an der Grenze zur Manie festläuft, sondern die Sonne lieber mehrfach bei ihrem Auf- und Untergang beobachtet. Sentiment ja, Sentimentalität nein, danke. In dieser feinen Unterscheidung, mit der Rettung des Spiels, zeigt die 34-jährige Russin ihre besondere Klasse. Auch, wenn es in der Balance mit dem Orchester zu Beginn noch zu hörbaren Löchern kommt – ihre Erzählung lässt sich Anna Vinnitskaya nicht nehmen. Ihre bewundernswerte Stilsicherheit stabilisiert letztlich auch den Dirigenten. Saraste ist keine auftrumpfende Pultpersönlichkeit, seine Gestik fordert nicht mehr, sondern legt den Musikerinnen und Musikern des RSB eher das Gegenteil nahe. Doch mit weniger Druck mehr Intensität zu erreichen, gehört zu den seltenen musikalischen Glücksmomenten.

Auch bei den letzten beiden Sinfonien seines Landsmanns Jean Sibelius will Saraste nichts erzwingen, die skrupulös komprimierte Form nicht der großen Geste opfern. Mit dieser Haltung nimmt er in Kauf, dass sich jene geheimnisvollen Kräfte, die die Sechste und Siebte durchströmen, nicht angezapft werden – und engmaschige Streicherketten, auch wenn sie das RSB elegant flicht, nichts anderes sind als eben das. Der Grat zwischen Verrat und Erfüllung verläuft bei Sibelius schmal durch ein immer noch erstaunlich unbefestigtes Terrain. Dass gerade in seinem Ausderzeitgefallensein eine große Attraktivität liegen kann, davon vermitteln Saraste und des RSB eine Ahnung. Spannend wird es, wenn sich der neue Chef Vladimir Jurowski Sibelius vornehmen wird.

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