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Die Bühne ist ein Ozean. Jefta van Dinthers „Plateau Effect“.

© Festival/Urban Jörén

Abschluss des Festivals "Tanz im August": Trance und Trash

Mit einem Abend des schwedischen Cullberg Ballets, der stark von urbaner Club-Ästhetik beeinflusst ist, endet "Tanz im August". Ein Resümee des Berliner Sommerfestivals.

Von Sandra Luzina

Die Club-Ästhetik schwappt auf die Bühne. Zum Abschluss von „Tanz im August“ zeigte der Choreograf Jefta van Dinther in der Volksbühne „Plateau Effect“, ein Stück, das er mit dem schwedischen Cullberg Ballet erarbeitet hat. Van Dinther, der mittlerweile in Berlin lebt und ein begeisterter Clubgänger ist, verschmilzt in seinen Arbeiten Bewegung, Sound und Licht. Den elektronischen Sound hat David Kiers komponiert. Während die Klangintensität langsam zunimmt, steigert sich auch die Spannung auf der Bühne. Anfangs stehen die neun Tänzer aufgereiht vor dem Vorhang, der sich aufplustert und sie bald verschluckt wie ein aufgewühlter Ozean. Wenn der Vorhang sich senkt, werden die neun Tänzer zu Bühnenarbeitern. Sie entfalten, spannen und wringen das riesige Stück Stoff, sie befestigen Seile und versuchen, das Tuch hochzuziehen, das wie ein Segel oder ein Zelt anmutet.

Der „Plateau Effect“ bezeichnet einen Punkt der Stagnation, wo es nicht weiter aufwärtsgeht. Wo trotz aller aufgewendeten Energien ein Stillstand eintritt. Van Dinther gibt ihm eine etwas andere Deutung. Er zeigt, wie sich aus Individuen ein Kollektiv formiert und zusammen anpackt. Die Cullberg-Tänzer sind toll: Sie rackern sich ab und achten dabei immer auf ihre Mitstreiter. Man würde das Stück aber überfrachten, läse man es als Metapher für Untergangsängste und Klimawandel. Die kollektive Trance am Ende, das Verschmelzen der wogenden und zuckenden Leiber erinnert dann doch sehr an eine durchtanzte Clubnacht.

Einen „Plateau Effekt“ konnte man auch beim gesamten Festival feststellen. Neue Entwicklungen ließen sich nicht ausmachen. Herausragende Produktionen gab es nur wenige. Dass Anne Teresa de Keersmaeker eine Klasse für sich ist, hat sich wieder einmal bestätigt, und das gilt natürlich auch für Michael Clark. Doch Virve Sutinen, die neue Festivalchefin, hat ihr Versprechen wahr gemacht: Sie stellte neue Namen vor, präsentierte die immense Vielfalt des zeitgenössischen Tanzes. Und sie ließ die Extreme aufeinanderprallen. Wobei der Kontakt der Tänzer mit dem Publikum eher strapaziös war: Bei Marcelo Evelin pflügen die schwarz angemalten Performer durch die Menge. „Suddenly Everywhere is Black with People“ erkundet das Phänomen der Masse, aber untergründig verhandelt es auch das Thema Rassismus. Die entfesselten Japaner in „Miss Revolutionary Idol Berserker“ trieben die Pop-Ästhetik auf die Spitze und kippten eimerweise Wasser ins Publikum.

Entdeckungen gab es dann doch. „Siena“ von der spanischen Kompanie La Veronal fasziniert nicht nur auf der visuellen Ebene, sondern bietet eine kluge Reflexion über Körper und Wahrnehmung. Der brasilianische Choreograf Eduardo Fukushima begeisterte durch seine eigenwilligen Körperbilder. Wie ihn in „How to Overcome the Great Tiredness“ eine große Erschöpfung zu Boden sinken lässt und er sich doch immer weiter abstrampeln muss, hat absurden Witz.

Herrlich schräg war „The Old Testament According To The Loose Collective“. Das Wiener Kollektiv kompiliert Bibelzitate zu einem bisweilen dadaistischen Text und gibt dabei penibel die Stellen an. Die Verkündigungen werden in unterschiedlichen Musikstilen vorgetragen. Der Höhepunkt ist das Woodstock-Feeling in „There is a Generation“. Famos! Und noch etwas fiel ins Auge: Bei diesem „Tanz im August“ ging es kreuz und queer zu. Dass Virve Sutinen als gestandene Feministin die neue Männerbewegung im Tanz unterstützt, ist doch sehr sympathisch.

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