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Die Hochgarage in der Kantstraße 126/127, entstanden in der Frühzeit des Automobilismus, eröffnete im Oktober 1930. Bis heute ist sie nahezu unverändert erhalten – einschließlich der doppelgängigen Wendelrampe.

© Thilo Rückeis

Abriss der Kant-Garage: Ein Palast, der nach Abgasen duftet

Die Kant-Garage in Charlottenburg ist ein einzigartiges Baudenkmal der Weimarer Republik. Als Dependance des Berliner Museums für Verkehr und Technik könnte es überleben.

Sie fällt auf in der Häuserfront der Kantstraße in Berlin-Charlottenburg. Unscheinbar wirkte dieses architektonische Juwel nie, jetzt soll es verschwinden. Die letzte in der Stadt erhaltene Hochgarage aus den 20er Jahren soll nach dem Willen des Eigentümers aus wirtschaftlichen Gründen abgerissen werden. Der Antrag wurde bereits bei der Unteren Denkmalbehörde gestellt. Sollte diesem Antrag stattgegeben werden, wäre dies ein Skandal. Weltweit gibt es nur eine einzige Hochgarage mit doppelgängiger Wendelrampe, die älter ist: die 1928 fertiggestellte „Richmond Garage“ in Richmond im Bundesstaat Virginia von Lee, Smith & VanDervoort.

Das macht das Berliner Exemplar zu einer Inkunabel der internationalen Architekturgeschichte des 20. Jahrhunderts. Eröffnet wurde die Hochgarage in der Kantstraße 126/127 in der Frühzeit des Automobilismus, im Oktober 1930. Sogar den Zweiten Weltkrieg überstand sie ohne größere Beschädigungen. Sie trägt den wohlklingend berlinisch-pompösen Namen „Kant-Garagen-Palast“ und ist das einzige Gebäude des Architekten Hermann Zweigenthal (1904 – 1968), das sich in Deutschland erhalten hat.

Die Kant-Garage: die weltweit zweitälteste noch existierende Hochgarage mit Wendelrampe

Ausgeführt wurde das Gebäude in der Architektursprache der Neuen Sachlichkeit – also in einem Baustil, der meist als Bauhaus-Architektur bezeichnet wird. Die Bürogemeinschaft der Hans-Poelzig-Schüler Zweigenthal und Richard Paulick (1903 – 1979) – Erbauer des legendären Paulick-Saals in der Staatsoper Unter den Linden, die gegenwärtig saniert wird – entwarf den Verkehrsbau im Auftrag des Geschäftsmanns Louis Serlin.

Die Kant-Garage hätte dringend eine Sanierung nötig - und könnte dann als Museumsdependance wiedererstehen
Die Kant-Garage hätte dringend eine Sanierung nötig - und könnte dann als Museumsdependance wiedererstehen

© Thilo Rückeis

Die Gestalt der Garage entwickelte man zusammen mit dem auf Großgaragen spezialisierten Berliner Architekturbüro Lohmüller, Korschelt & Renker. Zweigenthal wird dabei die beeindruckende Vorhangfassade, die über die gesamte Rückseite des Gebäudes als gläserne Haut gespannt ist, und die spektakuläre doppelgängige Wendelrampe zugeschrieben. Zweigenthal, Paulick und Serlin mussten vor den Nationalsozialisten ins Exil fliehen. Der Garagenbetrieb wurde durch einen später berüchtigten SS-Mann arisiert und blieb. Bis heute.

Der damalige Berliner Landeskonservator Helmut Engel erkannte in der Kant-Garage 1985 bereits ein „wichtiges Beispiel für den Beginn der Kraftfahrzeug-Kultur“. Diese weitsichtige Einordnung bestätigte sich 1991 mit der Aufnahme in die Berliner Denkmalliste. Denn aus der Zeit zwischen 1907 und 1937 sind heute in Deutschland kaum noch ein Dutzend Hochgaragen erhalten geblieben. Laut Landesdenkmalrat (2010) ist die „Kantgarage nicht nur ein herausragendes Denkmal des Neuen Bauens, sondern auch ein einzigartiges – und hier ist der Ausdruck wirklich wörtlich zu nehmen – technisches Denkmal für den Automobilismus in Deutschland.“ Diese Ausnahmestellung hat mit der Ausführung und dem ungewöhnlichen Erhaltungszustand der Hochgarage zu tun. Denn die Vorhangfassade der Frankfurter Glasdachfabrik Claus Meyn KG an der Rückseite der Garage ist heute noch weitgehend erhalten. Im Inneren findet man die raffinierten Schiebetore der Tempelhofer Firma Paul Heinrichs, mit denen die separaten Garagenboxen seit 73 Jahren geschlossen werden.

Ein Denkmal, das nach Öl und Benzin riecht.

1930 erbaut überstand die Kant-Garage bislang alle Zeiten unversehrt. Nun soll sie abgerissen werden.
1930 erbaut überstand die Kant-Garage bislang alle Zeiten unversehrt. Nun soll sie abgerissen werden.

© Thilo Rückeis

Dieses Denkmal, das nach Öl und Benzin riecht, war 1930 eine von gerade einmal zwei Hochgaragen in ganz Europa, die eine doppelgängige Wendelrampe besaßen. Auf dieser speziellen Art der Rampenanlage können Autos über eine spiralförmig sich windende Fahrbahn hinauf- und über eine zweite wieder hinunterfahren, ohne jemals einander zu begegnen. Die Kant-Garage war die einzige deutsche Hochgarage, die so etwas zu bieten hatte – und sie blieb es bis 1957. In Europa existiert heute kein vergleichbarer Bau mehr, der älter wäre. Dies sind alles hinreichend gute Gründe, um das Gebäude zu erhalten. Die Kant-Garage ist authentisch und ein Schlüsselbau der neuen Bauaufgabe. Sie ist das Zeugnis einer heute vergessenen Kulturgeschichte des Automobils. Und vermutlich liegt genau hier ihr eigentliches Problem, denn nur was wir kennen und schätzen, sind wir bereit zu schützen, wie es der Bautechnik-Historiker Werner Lorenz von der Brandenburgischen Technischen Universität in Cottbus formuliert.

Weil wir historische Verkehrsbauten nicht schätzen, werden auch denkmalgeschützte Vertreter der Gattung bedenkenlos zerstört: 1983 die „Hochgarage Stephanstraße“ (Krefeld, 1928) von Carl Stauth, 1997 die „Kleeblatt-Tankstelle“ (Hannover, 1952) von Gerd Lichtenhahn, 2011 die „Parkgarage am Zoo“ (Berlin, 1956/57) von Hans Bielenberg und aktuell die „Holtzendorff-Garage“ (Berlin, 1928/29) von Johannes und Walter Krüger. Deutschland ist zwar fasziniert von seiner Automobil-Geschichte, aber die Architektur des Automobilismus lieben wir nicht. Deshalb haben sich weder Berlin noch die Bundesrepublik, auch keine deutsche Stiftung und kein Privatmäzen je für die Erhaltung der Kant-Garage finanziell engagiert. Das ist unverständlich.

Denn zerstört wird nicht nur ein bedeutendes Baudenkmal, sondern hier wird auch leichtsinnig eine einmalige Chance verschenkt. Die Kant-Garage wäre eine ideale Ausstellungsfläche für das Deutsche Technikmuseum Berlin. Wie wäre es, wenn an diesem Ort der Teil der Automobil-Sammlung des Museums ausgestellt wird, der zurzeit in Depots unsichtbar eingelagert ist? An der Kantstraße wäre Platz für über 300 Automobile, für Benzin-Zapfsäulen und Kfz-Werkzeuge. Und das nicht in einer künstlichen Museumswelt, sondern in deren sozusagen natürlicher Umgebung: in einer seit 73 Jahren durchgehend genutzten Hochgarage. Das Technikmuseum könnte hier den Teil der Sozialgeschichte des Automobils präsentieren, der bisher in ihrer Ausstellung fehlt: das „Garagenwesen“ in Deutschland. Ganz nebenbei würde man mit einem Museumsstandort auch die Kantstraße aufwerten. Was für ein Magnet wäre so ein Ort hier in Charlottenburg. Vom Städtemarketing ganz zu schweigen.

Es wäre heute schon ein Gewinn, die Kant-Garage für nachfolgende Generationen zu retten. Aber dafür muss sie erst einmal denkmalgerecht saniert werden. Der jetzige Eigentümer, die Kantgaragen Grundstücksgesellschaft mbH (Pepper Immobilien), wird dazu vermutlich nicht in der Lage sein, denn mit der Garage kann man keinen großen Profit erwirtschaften. Der Wunsch des Eigentümers, das Gebäude aus wirtschaftlichen Gründen abzureißen, ist nachvollziehbar. Aus kulturgeschichtlicher Perspektive wäre die Zerstörung unverzeihlich. Wenn das Landesdenkmalamt über den Antrag entschieden hat, wird es eine Pressemitteilung geben. Wird die Kant-Garage gerettet, ist Engagement gefordert. Dieses einzigartige Kulturgut sollte es uns wert sein. Und Berlin hätte Gelegenheit, für weit weniger Geld als beim maroden Flughafen Tempelhof doch noch zu beweisen, dass es Verantwortungsbewusstsein für seine Baudenkmale besitzt.

René Hartmann

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