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Die Jubiläumsausgabe des Musikmagazins "Rolling Stone" liegt in einem New Yorker Kiosk aus.

© Christina Horsten/dpa

50 Jahre „Rolling Stone“: Rock'n'Roll als Literatur

Glamour und Provokation: Vor 50 Jahren erschien die erste Ausgabe des amerikanischen Musikmagazins „Rolling Stone“.

Die Gegenkultur befand sich von Anfang an im Kriegszustand: mit der Langeweile der Erwachsenenwelt, mit den Lügen des Establishments. Als vor fünfzig Jahren, am 9. November 1967, die erste Ausgabe des amerikanischen Musikmagazins „Rolling Stone“ herauskam, trug John Lennon auf dem Cover einen Stahlhelm. Das Foto stammte aus dem Spielfilm „Wie ich den Krieg gewann“, darunter fragte ein Artikel mit der lyrischen Überschrift „The High Cost of Love and Music“, warum die Einnahmen aus dem Monterey-Festival nicht bei den Musikern angekommen seien. Weiter hinten im Heft, das noch eher einer Zeitung glich, wurden neue Platten von Eric Clapton und Jimi Hendrix gepriesen.

Seinen Titel hatte das Blatt Bob Dylans Hymne „Like a Rolling Stone“ entnommen, der damit wiederum einem Klassiker des Bluessängers Muddy Waters huldigte. Es richte sich an alle, die an die „Magie“ glauben, „die dich befreien kann“, schrieb Chefredakteur Jann Wenner in seinem ersten Editorial. Der „Rolling Stone“, der 1977 von San Francisco nach New York zog, war ein Produkt der Hippiebewegung von Berkeley, deren gerne auch drogengeschwängerter Protest sich gleichermaßen gegen den Vietnamkrieg und die Konsumkultur richtete. Es sollte um Pop gehen, aber auch um Haltungen, Hoffnungen, Horizonte.

Die Titelbilder waren für manchen Skandal gut

Um die Druckkosten aufbringen zu können, hatte sich Wenner, damals 21 Jahre alt, 7500 Dollar von seiner Familie geliehen. Ein lohnendes Investment. Der Kritiker stieg zum Medienmogul auf, erfand mit einigen Mitstreitern die „Rock’n’Roll Hall of Fame“ und hält mit seiner Firma Wenner Media bis heute die Mehrheit an dem Magazin, von dem in den USA immer noch vierzehntäglich fast 1,5 Millionen Exemplare verkauft werden.

Das Erfolgsrezept? Eine Mischung aus Provokation und Glorifizierung. Sie zeigt sich bereits in den Titelbildern, von denen manches für einen Skandal gut war. Der nackte John Lennon, der sich in Embryonalstellung an Yoko Ono klammert. Britney Spears, im knappen Top vor Stars und Stripes posierend. David Bowie als phantomhafter Schlangenmensch. Eine tief dekolletierte Kim Kardashian. Die subversive Kraft solcher oft von Starfotografinnen und -fotografen wie Annie Leibovitz oder Mark Selinger aufgenommenen Porträts hält sich inzwischen in Grenzen. Für Boykottaufrufe sorgte zuletzt ein Frontfoto, das den „Boston-Marathon-Bomber“ Dzhokhar Tsarnaev wie einen lockenköpfigen Singer-Songwriter präsentierte.

Ein weißes, rockistisches, männliches Blatt

In seinen besten Zeiten hat der „Rolling Stone“ Rock’n’Roll zu Literatur gemacht. Autoren wie Hunter S. Thompson, Lester Bangs oder der spätere Filmregisseur Cameron Crowe konnten dort maximal subjektive, mitunter auch maximal lange Texte veröffentlichen. Patti Smith schrieb über ihr Idol, die Brecht-Sängerin Lotte Lenya. Und ohne den „Rolling Stone“ würde es den Gonzo-Journalismus wohl nicht geben, ein Grenzgenre, das sein Urheber, der langjährige Redakteur Hunter S. Thompson, als „professionellen Amoklauf“ definierte. Sein psychedelischer Reiseroman „Angst und Schrecken in Las Vegas“, der später verfilmt wurde, begann als albtraumhafte Fortsetzungsgeschichte aus dem „Herzen des amerikanischen Traums“. Legendär auch das Porträt, in dem Lester Bangs den von ihm hassgeliebten Rockstar Lou Reed als „erbärmlichen Todeszwerg“ beschrieb.

Der „Rolling Stone“ ist ein eher weißes, rockistisches, männliches Blatt. Den Punk hat er genauso verschlafen wie den Hip-Hop. Trotzdem blieb er dem Zeitgeist immer auf der Spur, seit 23 Jahren auch mit einer deutschen Ausgabe. Herzlichen Glückwunsch.

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