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Das 50. Berliner Theatertreffen wird am Freitag, den 3. Mai, mit Michael Thalheimers "Medea"-Inszenierung aus Frankfurt/Main eröffnet. Die große Geburtstagsparty im Haus der Berliner Festspiele, das ebenfalls 50 wird, steigt am 11. Mai. Die Freie Volksbühne in der Schaperstraße, entworfen von Fritz Bornemann, war 1963 eröffnet worden.

© epd

50 Jahre Freie Volksbühne: Anblicke und Ausblicke

Nicht nur das Theatertreffen feiert Geburtstag, auch die ehemalige Freie Volksbühne wurde vor 50 Jahren eröffnet. Hommage an Fritz Bornemanns Bauwerk, das heute als Haus der Berliner Festspiele firmiert

Man stelle sich vor, der Bund hätte vor über zehn Jahren nicht die lichte Freie Volksbühne, sondern das monumentale Schillertheater zum Festspielhaus erkoren! Man wäre selbstverständlich auch immer gern zu einem Theatertreffen ins Schillertheater gegangen , aber viel lieber spaziert man natürlich in das helle Baumhaus an der Schaperstaße, von dem Berliner Architekten Fritz Bornemann für die Freie Volksbühne entworfen und 1963 unter dem Intendanten Erwin Piscator eröffnet. Für ein Theatertreffen ist das Gesellschaftliche bekanntlich mindestens genauso wichtig wie die Kunst, und Bornemanns einfach raffinierter Bau sorgt dafür, dass „das Pausenerlebnis meist stärker als das Theatererlebnis“ ist, wie Siegfried Melchinger schon nach der Eröffnung beeindruckt, aber auch besorgt in „Theater heute“ konstatierte.

Als die Festspiele noch kein eigenes Haus hatten, gab es oben auf der Parkpalette das berühmte Spiegelzelt, niedrig und verraucht, ein Ort wunderbarer Begegnungen und Diskussionen, nachher ein Ort der Nostalgie. Seit die Berliner Festspiele in der ehemaligen Volksbühne residieren, hat das Theatertreffen ein Spiegelzelt nicht mehr nötig. Das Haus ist Einladung und Spiegel genug. Die Einbettung des kubischen Gebäudes in den Park, die zahlreichen Glaswände und gläsernen Fassaden und eine geschickte Beleuchtung sorgen für eine Verschmelzung von Innen und Außen. Die Äste der Bäume spiegeln sich in den Scheiben und bestimmen das Raumgefühl im Foyer, und das Licht, das abends von drinnen nach draußen fällt, verleiht dem Vorplatz selbst die unwirklich-intensive Aura eines theatralen Raumes.

„Der Frühling dieses Jahres bot die Möglichkeit, den Zusammenhang zwischen Park und Bauwerk an den Abenden zu erleben, in denen eine grüngoldene Insel aus der Nacht zu schimmern schien“, schreibt Melchinger vor fünfzig Jahren und hebt warnend den Zeigerfinger: die moderne Scheinwerferromantik habe aber eben auch zerstreuende Wirkung. Das klingt nur heute rührend übertrieben, war damals aber ein geradezu perfider Vorwurf: Denn Bornemann, der auch die Amerikanische Gedenkbibliothek, die Deutsche Oper und die Dahlemer Museen entwarf, setzte in seinen Werken auf Funktionalität und Nüchternheit, er verzichtete – als Antwort auf die Architekturdramatik der NS-Zeit – auf Pomp, sprach von Askese, sah das Bauwerk als „dienende Hülle“. Es ging um Aufklärung, um „demokratische“ Räume und „die Aktivierung des Publikums“, also um: Bewusstwerdung und Konzentration. Um die Begegnung zwischen Zuschauer und Kunst, die er selbst „Communio“ nannte, zu intensivieren, hatte er die Fassade der Deutschen Oper mit einer abweisenden Waschbetonwand versehen. Selbst in den Pausen sollte das Publikum auf die Kunst bezogen bleiben und sich nicht durch einen Blick aufs nächtliche Berlin ablenken lassen. Auf Aufklärung und Bewusstwerdung zielte auch das Theater der Freien Volksbühne. Piscator inszenierte „Der Stellvertreter“ von Hochhuth, Kipphardts „In der Sache J. Robert Oppenheimer“ oder Weiss’ „Die Ermittlung“.

Doch es schlug auch ein zweites Herz in Bornemanns Brust. Geboren 1912 als Sohn eines Ausstattungsleiters, wollte er diesen Beruf ursprünglich selbst ergreifen und arbeitete auch als Ausstellungsmacher. Dieser Sinn fürs Theatralische und stille, aber wirkungsvolle Auftritte schlägt beim Entwurf der Volksbühne durch, der bei aller Klarheit mit den vielen Aus- und Durchblicken auch etwas Verspieltes hat und die vordere Seite wie ein Bühnenbild in Szene setzt. Von den Straßen aus liegt der zweigeschossige Bau fast versteckt zwischen Kastanien. „Nur an der Schaperstraße schiebt sich die kleine eingeschossige Eingangshalle wie eine ausgestreckte Hand den Besuchern entgegen“, wie es der Architekt Markus Kilian in dem Band „Inszenierte Moderne. Zur Architektur Fritz Bornemanns“ beschreibt. Durch einen Glasgang geht es über Schieferstufen in das untere und obere Foyer, die beide mit deckenhohen Fenstern als Riegel oder Pausenlaufstege vor dem Zuschauerraum liegen – Bühnen vor der Bühne. Von draußen sieht der Besucher hinter der Scheibe automatisch aus wie eine Figur aus einem Schimmelpfennig-Stück, er selbst wiederum hat die allerbeste Aussicht – nicht nur auf den Tresen der zu Ehren des Architekten 2007 benannten „Bornemann-Bar“ und das äußerst spartanisch im Raum verteilte Sitzmobiliar, sondern auch auf die in dramatischer Beleuchtung archaisch vor sich hinthronenden Bäume draußen. Und er hat vor allem – sehr interessant – das Treiben im verglasten Pavillon der Eingangshalle im Blick. Ein herrlicher Multifunktionsort!

Für Zuschauerraum und Bühne orientierte sich Bornemann übrigens an der Idee von der „aperspektivischen Bühne“ aus den zwanziger Jahren. „Flexible, beweglich, voll räumliche Strukturen statt einseitig axialer ’Akteur-Zuschauer-Bezüge’“ schreibt ein anderer Architekturfachmann, von denen einige möglicherweise zu recht monieren, dass die „Schokoladenseite“ nicht zum Rest des Gebäudes passe. Mag sein. Dafür aber zum Theatertreffen, dem Fest der beobachteten Beobachter, umso mehr.

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