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Hilde Zadek, die vor allem in Opern von Richard Strauss glänzte.

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100. Geburtstag der Sopranistin Hilde Zadek: Ein Leben für die Bühne

Nüchtern und besessen. Die Sopranistin Hilde Zadek feiert ihren 100. Geburtstag – und blickt zurück auf eine bewegte Karriere.

Ihr Weg zur Bühne war ein weiter, in jeder Hinsicht. Das Gymnasium in Stettin bricht Hilde Zadek 1934 vorzeitig ab, weil sie dort antisemitisch drangsaliert wird. In Berlin beginnt die 16-Jährige eine Ausbildung in einem jüdischen Säuglingsheim, reist im Jahr darauf nach Palästina, schließt dort ihre Ausbildung ab, muss aber, weil sie nur ein Touristenvisum hat, im Dezember 1937 das Land wieder verlassen. Sie versteckt sich ein paar Wochen bei den Eltern in Stettin, kann dann in die Schweiz ausreisen, wo sie als Au-Pair-Mädchen ein Kleinkind betreut, das später einmal Intendant des Deutschen Theaters in Berlin werden sollte: Thomas Langhoff.

1939 erhält Hilde Zadek dann endlich den Status „British subject of Palestine“, kann einen Job am Bicur Cholim Krankenhaus in Jerusalem antreten und sowohl ihre Eltern als auch ihre Geschwister nachholen. Am Konservatorium, wo ihre Krankenhaus-Chefin ehrenamtliche Direktorin ist, erfüllt sie sich dann ihren Traum: Mit 22 Jahren beginnt sie ein Gesangsstudium, arbeitet parallel aber als Vollzeitkraft im Schuhgeschäft ihrer Eltern. Mit einem Stipendium für die Züricher Musikakademie besteigt sie 1945 ein Truppentransportschiff gen Europa, lernt in der Schweiz dann den Wiener Staatsopernintendanten Franz Salmhofer kennen – und zögert keine Sekunde, als der ihr das Angebot macht, kurzfristig für die Titelrolle in Verdis „Aida“ einzuspringen.

Binnen sechs Tagen lernt sie die Partie und bestreitet am 3. Februar 1947 die Premiere, ohne eine einzige Probe mitgemacht zu haben. Es ist zudem ihr erster Auftritt in einer szenischen Produktion überhaupt. Einen Tag darauf wird Hilde Zadek fest als Solistin an der Staatsoper engagiert. Wien wird ihre künstlerische Heimat bleiben, bei 786 Vorstellungen singt sie 39 verschiedene Rollen, bis zu ihrem Rückzug von der Bühne 1971.

Bewusste Verausgabung, Verzicht aufs „bürgerliche Glück“

Schnell läuft auch die internationale Karriere an, mit ihrem ausdrucksstarken, dramatischen Sopran begeistert sie ab 1948 regelmäßig das Publikum bei den Salzburger Festspielen, präsentiert sich 1950 mit ihrer Paraderolle der Ariadne von Richard Strauss in Edinburgh und Glyndebourne. Es folgen Debüts in London, in Paris – wo ihr Cousin, der Kunstsammler Heinz Berggruen, lebt –, an der Mailänder Scala sowie an der New Yorker Metropolitan Opera.

Immer wieder kommt sie in den fünfziger Jahren auch nach Berlin. Tagesspiegel-Kritikerin Elisabeth Mahlke staunt in einem Artikel vom Januar 1953 darüber, dass Hilde Zadek die anspruchsvolle Rolle der Leonore in Beethovens „Fidelio“ nicht nur im deutschen Original, sondern auch in italienischer wie englischer Übersetzung beherrscht. Lange bevor es für Klassikstars selbstverständlich wird, „mit Hilfe der Flugtechnik“ global präsent zu sein, erkennt die Autorin in Hilde Zadek den Typus der modernen Diva, die „zugleich nüchtern und besessen“ lebt: unter Verzicht aufs „bürgerliche Glück“, in bewusster Verausgabung.

Ein Vierteljahrhundert auf den Bühnen der Welt ist Hilde Zadek dennoch vergönnt, nach dem Ende ihrer aktiven Zeit widmet sie sich dann hingebungsvoll als Lehrende dem Profinachwuchs, seit 1999 wird in Wien sogar ein nach ihr benannter Gesangswettbewerb ausgerichtet. Am heutigen Freitag feiert die immer noch rüstige Hilde Zadek dort ihren 100. Geburtstag.

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