zum Hauptinhalt
Dating in Tinder-Zeiten. Die Schauspielerin Catherine Duquette interagiert für ihre Performance mit dem Publikum.

© Jerun Vahle

„#Instalove“ am English Theatre: Speed-Dating und Selbstentblößung

Spannendes Sozialexperiment: Die interaktive Performance „#Instalove“ der Schauspielerin Catherine Duquette am English Theatre Berlin.

Schon mal den Partner betrogen? Und wenn ja, warum? Was sind überhaupt die Erwartungen an eine Beziehung? An Sex? Ans Leben? Darauf Antworten zu finden, vor allem unter den Augen und Ohren von ein paar Dutzend anderen Theaterzuschauern, ist keine so leichte Aufgabe. Aber die Performance „#Instalove“ am English Theatre Berlin funktioniert nicht ohne eine gewisse Bereitschaft zum Bekenntnis, im Zweifelsfall auch: zur Selbstentblößung. Ausgedacht hat sich dieses interaktive Spiel über das Kennenlernen in Zeiten von Dating-Portalen und Kontakt- Apps die Schauspielerin Catherine Duquette. Und die besitzt ein beeindruckendes Talent dafür, wildfremde Menschen im gnädig-intimen Bühnenlicht zum emotionalen Strip zu bewegen. Allerdings, das zur Beruhigung von Menschen mit Aversion gegen jede Form von Mitmachtheater, gibt es auch die Verweigerungsoption. Scheue Zeitgenossen dürfen der Performerin eine gelbe Pappkarte entgegenhalten und werden in Ruhe gelassen.

Duquette hat für „#Instalove“ vier Charaktere erfunden, die im Video sowie in einer eigens für den Abend entwickelten App vorgestellt werden: die Träumerin Clare, die im Blümchenvokabular von Wärme und Nähe fabuliert. Die wilde Cat, die grenzbefreite Abenteuerlust verspricht und emotionales Gepäck in die nächste Tonne wirft. Die Game-Designerin Kris, die ihrer Profession entsprechend auf Spiele steht und sich gern alle Möglichkeiten offenhält. Sowie die ehrgeizige Regisseurin Kate, die auf der Suche nach bleibenden Erfahrungen ist.

In diesen Rollen stürzt sich Duquette in den Improvisations-Nahkampf mit den Zuschauern. Bietet Projektionsflächen für alle möglichen Vorlieben. Hält Speed-Datings ab, spielt „Wahrheit oder Pflicht“. Und lässt nach jeder Runde darüber abstimmen – in der App oder mittels Karten für nicht so Smartphone-Affine –, welche ihrer Traumfrauen weiter im Rennen bleiben soll. Das Voting fällt vermutlich von Vorstellung zu Vorstellung unterschiedlich aus. An diesem Abend wird die Romantikerin Clare als Erste rausgeworfen. Das Versprechen von tabuloser Erotik kommt eindeutig besser an.

Performance lebt von Bühnenqualität der Zuschauer

„#Instalove“ übt aber eben keine Kritik an der ach so großen Liebes-Entfremdung in Tinder-Zeiten. Auch nicht am vermeintlichen Identitätsverlust durch die Möglichkeit, sich online als grundoptimierte Ausgabe seiner selbst zu präsentieren. Nein, Duquette startet vielmehr ein spannendes Sozialexperiment. Ihr wirkungsvoller Kunstgriff besteht darin, den virtuellen Raum in die Bühnenrealität zurückzuübersetzen und zu schauen, welche Erwartungen und Begehrlichkeiten sich in der tatsächlichen Begegnung zeigen.

Klar lebt die Performance dabei zu großen Teilen von den Bühnenqualitäten der Zuschauer. Und natürlich wird in deren Selbstauskünften oder Geständnissen auch Mogelei stecken. Aber das gehört zum Spiel wie der Voyeurismus der übrigen. Wobei sich das Ganze bisweilen auch nach Wurzelbehandlung anfühlen kann. Beispielsweise, wenn eine Zuschauerin minutenlang erklärt, wie es zum Seitensprung in ihrer Beziehung kommen konnte. Allerdings fängt Duquette solche Momente souverän wieder ein. Im Unterschied zum Internet bietet sie nicht nur eine Plattform. Sondern auch einen Schutzraum.

wieder 13. bis 15. Juli, 20 Uhr

Zur Startseite