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Helfen beim Abkassieren: Die drei Gründer von "Orderbird", Patrick Brienen, Jakob Schreyer und Bastian Schmidtke.

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Start-up "Orderbird": Online Kasse machen

Reservieren, bestellen, bezahlen - die meisten Gastronomen nutzen dafür verschiedene Systeme. Warum eigentlich?, fragten sich drei Gründer. Bei "Orderbird" hängen die Daten in einer Cloud, Kundenservice gibt es online. Doch das ist nicht das einzige, an das sich die neuen Kunden gewöhnen müssen.

Jakob Schreyer weiß, was ein echter Gastgeber ist. Er sorgt für die Verpflegung, eine gute Atmosphäre, kümmert sich um die Wünsche, Sorgen und Klagen der Gäste. Heute ist Schreyer seinen Pflichten als Gastgeber nachgekommen. Bei einem Kunden, gemeinsam mit Mitarbeitern aus verschiedenen Abteilungen. "Wir möchten eine Industrie beflügeln. Wir beflügeln Gastfreundschaft", sagt er. Diese Gastfreundschaft hat Schreyer zum Prinzip seiner Firma gemacht. Er ist Geschäftsführer von Orderbird, einem Anbieter von Kassensystemen für die Gastronomie.

Schreyer – beige Strickjacke, T-Shirt, Dreitagebart – teilt seine Kunden in zwei Gruppen ein. Einerseits gibt es die Pragmatiker, die erfahrenen, alteingesessenen Gastwirte. Dem gegenüber stehen die "innovators" - die Innovationsführer und Umgestalter. Zu ihnen zählen kleine Bars oder Kneipen, die neue Konzepte wagen. Zur wachsenden Zielgruppe seines Kassensystems gehören erstaunlicherweise auch Betreiber von Landgasthöfen, hat Schreyer beobachtet. Warum es diese Entwicklung gibt, kann sich auch der Geschäftsführer nicht erklären. "Eigentlich sollte man vermuten, dass das junge, hippe Café in Berlin-Mitte zu unserer Hauptzielgruppe zählt", sagt Schreyer.

Die Du-Kultur schafft Nähe

Für Irritationen dürfte bei den alteingesessenen Kunden wohl der Erstkontakt mit Orderbird sorgen. Alle Kunden werden von vornherein geduzt. "Neben der neuen Produktentwicklung ist uns das 'Wie' wichtig und damit auch der Service, den wir unseren Kunden bieten", sagt Schreyer. Die Du-Kultur schafft Nähe, davon ist er überzeugt.

2011 hat Schreyer mit Bastian Schmidtke und einem weiteren Mitstreiter Orderbird gegründet. Schmidtke kannte sich aus mit gängigen Kassensystemen in Restaurants, Bars und Cafés. Schreyer kam aus dem Marketing. Mit ihrer Geschäftsidee wollten sie nicht nur frischen Wind in die Branche bringen, sondern sich auch von klassischen Firmenstrukturen verabschieden. "Der Kassenmarkt wird sich fundamental ändern", sagt Schreyer. Reservieren, bestellen, bezahlen – das alles muss ein System in der Gastronomie können. Meist nutzen die Gastwirte dazu einen Laptop, eine Kasse, einen Scanner. Für Schreyer haben die einzelnen Geräte vorher nicht miteinander "gesprochen" und es gab keine "positive Beziehung zum Kassensystem".

Das sollte sich ändern. Eine gemeinsame Anwendung sollte alle Ansprüche der Gastronomen schnell, unkompliziert und flexibel erfüllen. Das Unternehmen setzt auf einen Komplettservice. Was die Kunden wünschen, wird passgenau geliefert. Und das alles online. Informationen zum Menü, Preise, die Anzahl der Kellner – alle Einzelheiten werden in einer eigenen Daten-Cloud programmiert und gespeichert. Verbindet sich der Kunde per iPad mit der Informationswolke, kann er den Service sofort nutzen.

Den klassischen Wartungsdienst gibt es bei Orderbird nicht, dafür einen 24-Stunden-Service. "Alles, was der lokale Händler vorher geboten hat, müssen wir auch bieten können", sagt Schreyer. Wenn morgens um 2 Uhr bei vollem Haus die Kasse in der Bar ausfällt, ist das für den Wirt der gastronomische Super-GAU. Über die Daten-Cloud analysieren und beheben die Orderbird-Techniker online und in Minutenschnelle das Problem. "Wir haben die Online-DNA", sagt Schreyer. "Die erste Reaktion ist meist 'ich will, dass einer kommt'", sagt Schreyer. Was die Kunden überzeugt, ist, dass der virtuelle Besuch deutlich weniger kostet und schneller da ist als der Service-Techniker vor Ort.

Obligatorischer Kickertisch im Pausenraum

Gegen halb vier unterbricht an diesem Nachmittag ein scheppernder Glockenschlag für Sekunden das Stimmengewirr im Orderbird-Großraumbüro. "Wieder einer mehr", sagt Schreyer, klopft anerkennend auf den Tisch und fügt hinzu: "Zehn sollten es heute schon noch werden." Gemeint sind neue Kunden, die seine Mitarbeiter an diesem Tag unter Vertrag genommen haben. Erklingt die Glocke, dann gab es einen neuen Abschluss.

Mittlerweile arbeiten mehr als 50 Leute für Orderbird. Die Nähe zu ihren Mitarbeitern wollen die Chefs trotzdem aufrechterhalten. Wie in der Start-up-Szene beinahe schon üblich, findet man auch bei Orderbird einen Tischkicker und die selbstgebaute Hochebene auf der Terrasse. Dazu gibt es so genannte Innovationstage. Die Mitarbeiter bieten ihren Kollegen Workshops zu Aktivitäten an, die sie besonders gut können. Das kann das Barista-Seminar sein, um zu lernen, wie man Kaffee professionell zubereitet, ein Videodreh oder eine neue Brainstorming-Methode. Einmal in der Woche frühstücken die Mitarbeiter zusammen. Vier bis fünf Kollegen aus verschiedenen Abteilungen organisieren das Treffen und sorgen für die Verpflegung. Dabei macht Geschäftsführer Schreyer genauso mit wie der Praktikant oder die Assistentin. Im Gegenzug für den Küchendienst besuchen die Mitarbeiter einen Kunden.

Schreyer will damit auch die "Lagerbildung" in seiner Firma verhindern: Entwickler und Techniker gegen Vertriebler und Marketing-Experten. Die Mitarbeiter sollen an einem Strang ziehen, an einer gemeinsamen Vision arbeiten, wie Schreyer seine Personalpolitik nennt. Ein Grund, warum er bei jeder Person, die eingestellt wird, dabei ist. "Wir sind eine wertebasierte Firma", sagt er. "Fairness und Offenheit stehen schon im Vorstellungsgespräch an erster Stelle."

Weg von den Emotionen, hin zu mehr Strategie

Seit dreieinhalb Jahren ist Orderbird nun auf dem Markt. Anfangs hat Schreyer noch an der Webseite mitgebastelt, Flyer entworfen, war bei jeder Entscheidung mit dabei. "Wir haben uns wahnsinnig viel gedacht, wie wir als Marke wirken und in der Branche ankommen wollen", erinnert sich Schreyer. Zum Beispiel beim Logo: Der blaue Vogel soll innovative Technologien, Zuverlässigkeit und Sicherheit verkörpern. Reste der Alles-für-die-Firma-Mentalität sind noch immer zu spüren. Doch heute kümmert er sich weniger ums Tagesgeschäft, sondern um Geldgeber und die künftige Ausrichtung der Firma. "Jede Entscheidung wird nicht mehr nur nach Gefühl oder nach Wünschen getroffen", sagt Schreyer. "Heute sind wir ein zahlengetriebenes Unternehmen." Weg von den Emotionen, hin zu mehr Strategie.

Die Konkurrenz wächst – vor allem in Deutschland und in den USA. Längst haben auch andere Firmen ähnliche iPad-Kassensysteme im Angebot. Grund genug für Schreyer, an neue Märkte im Ausland zu denken. Erst seit kurzem ist Orderbird auch in Irland und Großbritannien zu bekommen. In den nächsten Monaten sollen neue Länder in Europa hinzukommen. Auch beim Personal will er aufstocken. Die neue Kundschaft will schließlich bedient werden. Den Wettbewerb fürchtet Schreyer nicht. "Der Markt ist noch so jung und klein, da muss noch nicht mit harten Bandagen gespielt werden."

Dieses Stück erschien zuerst im Wirtschaftsmagazin "Köpfe" aus dem Tagesspiegel-Verlag, das Sie hier bekommen können: Tagesspiegel Köpfe bestellen

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