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Attraktive Kantine für Start-ups: Das Stonebrewing World Bistro & Gardens in Mariendorf

© Maurizio Gambarini/dpa

Gewerbeflächen für Gründer: Die Nachzügler

Immer mehr Start-ups wollen nach Berlin. Von der Nachfrage profitieren auch Mariendorf und Charlottenburg – die früher nicht auf dem Wunschzettel standen

Einen wie Greg Koch könnte wohl jeder gebrauchen, der jenseits des Zentrums neue Mieter anlocken will. Der optimistische Amerikaner ist Geschäftsführer der kalifornischen Stone Brewing Company. Um auch die Märkte in Barcelona, Helsinki oder London mit seinem Craft Beer zu versorgen, investierte er vor drei Jahren 25 Millionen Euro und errichtete auf dem Gelände der historischen Gasanstalt in Mariendorf seine Europazentrale. Außerdem hat er ein Restaurant mit Biergarten bauen lassen, das jetzt sogar Gäste anzieht, die dort gar nicht arbeiten.

Das Stone Brewing World Bistro & Gardens ist auch für Tim Kauermann ein wichtiger Pluspunkt. Als Geschäftsführer der 4 Projekte ZIM Asset Management GmbH soll er dafür sorgen, dass sich andere Unternehmen sozusagen mit dem Mariendorf-Fieber anstecken. Und ebenfalls auf das historische Gelände ziehen, das unter dem Namen Marienpark vermarktet wird. Positive Faktoren sieht er in der guten Nachbarschaft und der engen Kooperation mit dem »Standortteam«, das sich vor Ort um die Belange der Mieter kümmert.

Tim Kauermann: "Wir bieten den Charme der Bestandsgebäude und Flächen für Neubauten"
Tim Kauermann: "Wir bieten den Charme der Bestandsgebäude und Flächen für Neubauten"

© Marin Miseré/ Marienpark Berlin

Der "Charme der Bestandsgebäude" verbinde sich mit den Entwicklungsflächen für Neubauten. Im Marienpark ist also noch Platz. Derzeit nutzen rund 20 Mieter 13.000 Quadratmeter Gebäudefläche, weitere 3000 Quadratmeter wären zu haben. "Bei insgesamt 360.000 Quadratmetern Grundstücksfläche liegt der Kern jedoch im Potenzial", sagt Kauermann. Zu den Mietern, die schon vor Ort sind, gehören die Wallenstein Backmanufaktur, ­Sagers Kaffeerösterei sowie Légère Reeds, ein Hersteller für Mundstücke von Musikinstrumenten.

Tempelhof-Schöneberg ist auf Ansiedlung von Firmen gut eingestellt

Die Schwachstelle des Marienparks ist für Kauermann die schlechte Verkehrsanbindung, "der vom Land und der Bahn vorgesehene, aber noch nicht bestellte S-Bahnhof Kamenzer Damm ist hier der entscheidende Knackpunkt". Jonas Bieber vom Start-up Dörrwerk bestätigt diesen Nachteil, nennt ansonsten aber nur positive Aspekte – sonst wären er und seine Kollegen wohl auch nicht von Kreuzberg hierher gezogen. Die logistische Anbindung sei gut, genügend Platz vorhanden. Im Unterschied zur Innenstadt könne man hier problemlos einen 40-Tonner be- und entladen.

Dörrwerk produziert Fruchtpapier, Chips und andere Knabbereien aus aussortierten Lebensmitteln. Der "handwerklich geprägte Gewerbepark", in dem das Unternehmen nun 300 Quadratmeter nutzt, sei ein "ideales Umfeld", Tempelhof-Schöneberg (zu dessen Ortsteilen Mariendorf gehört) ein Bezirk, der auf die Ansiedlung von Firmen gut eingestellt sei und die Einbindung in Netzwerke "proaktiv fördere".

Im Unterschied zu den Mietern auf dem Gelände der historischen Gasanstalt ist der Aufzugbauer Schindler ein ganz alter Hase, er hat sich schon vor mehr als 50 Jahren im Kiez angesiedelt. "Wir hoffen, dass sich Mariendorf zu einem attraktiven Standort auch für digitale Unternehmen und Start-ups entwickelt. Dass wir an diesen Standort glauben, zeigt sich schon allein daran, dass wir hier viel investieren", sagt Media Manager Jan Steeger. Er bezieht sich dabei auf die 44 Millionen Euro, die das Unternehmen in die Modernisierung seines Firmengeländes steckt: Bis 2020 soll in Alt-Mariendorf ein sogenannter Innovation Hub entstehen.

Gemietet: Jonas Bieber (2. v.l) und seine Kollegen von »Dörrwerk« sind von Kreuzberg nach Mariendorf umgezogen
Gemietet: Jonas Bieber (2. v.l) und seine Kollegen von »Dörrwerk« sind von Kreuzberg nach Mariendorf umgezogen

© Promo

"Wir haben über ein halbes Jahr gesucht"

Auch am Ernst-Reuter-Platz tut sich etwas: Die Absolventen der Technischen Universität suchen nach dem Ende ihrer Studienzeit oder Promotion nicht mehr unbedingt das Weite. Im Kiez hält sie zum Beispiel das von außen üppig mit Marmor verzierte Charlottenburger Innovation Centre (CHIC). Bis zu 100 jungen Firmen stehen hier 5500 Quadratmeter Fläche zur Verfügung, ein 17 Quadratmeter großes Büro ist ab 250 Euro zu haben. Betrieben wird das CHIC von der WISTA MANAGEMENT GmbH, die auch den Wissenschaftsstandort Adlershof managt. Die Mieter genießen die zentrale Lage – schwierig wird es allerdings, wenn ihre Zeit im CHIC abgelaufen ist und sie nach Alternativen suchen müssen. Gewerberaum in der City West ist teuer. "Wir haben über ein halbes Jahr gesucht und freuen uns sehr, Ende des Jahres in den Gebauer Höfen genügend Platz und Gestaltungsspielraum für unser gewachsenes Team zu finden", sagt Julia Teich, die bei Complevo für die Unternehmenskommunikation zuständig ist.

Das Start-up hat sich auf die Konzeption, Umsetzung und Einführung neuer Planungs- und Steuerungssysteme spezialisiert – was die Entscheidungsprozesse seiner Kunden erleichtern soll. In Bezug auf den Standort Charlottenburg fiel den Angestellten die Entscheidung nicht schwer: "Viele unserer Mitarbeiter wohnen in der Nähe oder können das Büro aufgrund der zentralen Lage und guten Infrastruktur schnell erreichen." Etliche Kollegen schätzten vor allem die "tolle asiatische" Küche im Kiez. "Daher war es uns besonders wichtig, unserem Team diese Vorteile auch weiterhin bieten zu können", sagt Teich. Einen kleinen Spaziergang vom Ernst-Reuter-Platz entfernt steht die ehemalige Zentrale der Berliner Bank an der Hardenbergstraße – die Deutsche Bank hat die Marke im vergangenen Jahr aufgegeben.

Der Aufzugbauer Schindler investiert 44 Millionen Euro in seinen Innovation Hub
Der Aufzugbauer Schindler investiert 44 Millionen Euro in seinen Innovation Hub

© Schindler Deutschland AG & Co. KG/Promo

"Wir haben mehrere Monate nach einem passenden Büro gesucht"

Die neue Gründerzeit ist hier schon von außen zu erkennen: Statt teurer Autos haben die Mitarbeiter ihre Fahrräder auf dem Parkplatz abgestellt. Der markante gelbe Schriftzug auf dem Dach wurde abgebaut, dafür ein blaues Banner mit einem Delphin und dem Firmennamen FinLeap über das Eingangstor gehängt. "Wir haben mehrere Monate nach einem Büro gesucht, das dem wachsenden Bedarf unseres Unternehmens gerecht wird – schließlich sind wir aktuell über 500 Mitarbeiter, Tendenz steigend", sagt Ramin Niroumand, Geschäftsführer und Gründer des Unternehmens, das Start-ups im Finanzbereich, sogenannte FinTechs, aufbaut. Ein Gebäude in der City West gefunden zu haben, sei ein glücklicher Zufall, mit dem Bahnhof Zoo sei man für alle Mitarbeiter ideal angebunden.

"Dass wir ein Gebäude in der City West gefunden haben, war ein glücklicher Zufall ": Ramin Niroumand von FinLeap
"Dass wir ein Gebäude in der City West gefunden haben, war ein glücklicher Zufall ": Ramin Niroumand von FinLeap

© Thilo Rückeis

"Bedeutende Universitäten wie UdK und TU sind quasi nebenan, Reisen sind wegen der Nähe zu Hauptbahnhof und Flughafen Tegel schneller geworden, und das Lunch-Angebot reicht vom Edel-Italiener bis zur Currywurst", fasst Niroumand die weiteren Pluspunkte zusammen. Dass er mit seinem Unternehmen nun ein ehemaliges Bank-Gebäude bewohnt, nennt er "eine Fügung, die zeigt, dass die Digitalisierung eben nicht immer – wie befürchtet – Arbeitsplätze vernichtet, sondern etwas Neues aus Altem schafft". Im Moment hat die Fintech-Schmiede in dem klobigen Hochhaus die 3. bis 9. Etage angemietet.

Auf den insgesamt 11.000 Quadratmetern hat FinLeap einige seiner eigenen Start-ups untergebracht. Im nächsten Jahr will hier auch Ubisoft einziehen, einer der weltweit größten Produzenten von Computerspielen. "Trotzdem haben wir noch genug Platz, um Coworking-Spaces für andere FinTechs anzubieten und auch eine Etage für Corporates aus der Finanzbranche zu reservieren", sagt Niroumand. So soll einer der Knotenpunkte entstehen, die die Bundesregierung durch ihre Digital Hub Initiative fördert. In der ersten Etage warten zudem noch die ehemalige Bankfiliale und der Tresorraum auf einen neuen Verwendungszweck. "Was dort entstehen soll, liegt im Ermessen des Vermieters, der Sparkasse." Niroumand hätte wahrscheinlich schon eine Idee.

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