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Meeresforschung ganz praktisch: Weltraumwissenschaftler der Freien Universität erklären Studierenden die satellitengestützte Fernerkundung auf hoher See.

© Privat

Meeresforschung: Studienfahrt in Richtung ewiges Eis

Weltraumwissenschaftler der Freien Universität nehmen als Dozenten beim "Shipboard-Training" auf dem Forschungsschiff "Polarstern" teil.

Dass Studium und spätere Berufspraxis zwei verschiedene Dinge sind, lernt wohl jede Studentin und jeder Student im Lauf der Zeit an der Hochschule. Doch während in manchen Fächern Praktika der späteren Berufspraxis sehr nahekommen, wodurch eine Brücke zwischen Universität und Berufsalltag geschlagen wird, ist die Simulation realer Bedingungen in anderen Bereichen schwieriger – etwa in der Meeresforschung oder den Weltraumwissenschaften.

Um Studierenden hier Einblicke in den Alltag einer Forschungsexpedition zu verschaffen, veranstaltet das Alfred-Wegener-Institut regelmäßig Sommerschulen, sogenannte Shipboard-Trainings, auf seinem Forschungsschiff „Polarstern“. Bei der Reise im vergangenen Herbst waren auch Weltraumwissenschaftler der Freien Universität an Bord: Therese Keck, Thomas Ruhtz, René Preusker und Ulrich Küster vom Fachbereich Geowissenschaften.

Normalerweise finden Sommerschulen immer in der vorlesungsfreien Zeit von Mitte Juli bis Mitte Oktober statt. Weil die „Polarstern“ aber immer in den Wintermonaten in die Antarktis fährt – dann ist dort Sommer, und sie kommt besser durch das Eis – fand dieses Shipboard-Training im November statt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer beschäftigten sich in kleinen Gruppen mit den Themeneinheiten Klima, Ozeanografie, Fernerkundung, Atmosphärenforschung, maritimes Recht und Kunst als Mittel der Meeres- und Wetterbeobachtung.

"Das ist prägend für das ganze Leben"

Die Dozentinnen und Dozenten der Freien Universität waren für den Bereich Fernerkundung zuständig. Die satellitengestützte Fernerkundung des Ozeans ist aus der Meeresforschung nicht mehr wegzudenken, da nur sie globale Beobachtungen erlaubt. In einem Teilbereich, der sogenannten Ozeanfarbenfernerkundung, werden etwa aus spektralen Messungen des vom Meer reflektierten Sonnenlichts Schlüsse über den Gehalt von Schwebstoffen, Chlorophyll und weiteren Inhaltsstoffen gezogen. Diese Ergebnisse müssen dann in Experimenten überprüft werden. „So etwas vor Ort mitzuerleben, ist prägend für das ganze Leben, weil die Erfahrung in einem engen Raum auf hoher See in keiner Vorlesung vermittelt werden kann“, sagt Thomas Ruhtz. Dank der Erfahrung werde es den Studierenden bei den nächsten Expeditionen erheblich leichter fallen, noch mehr Verantwortung zu übernehmen.

Die „Polarstern“ macht sich jedes Jahr im November von Bremerhaven aus auf den Weg in die Antarktis, um das Südpolarmeer zu erforschen. Eine Antarktissaison umfasst mehrere Expeditionen mit verschiedenen Schwerpunkten; im Winter 2016/17 waren dies zunächst ozeanografische Langzeituntersuchungen im Weddellmeer und anschließend geowissenschaftliche Arbeiten im Amundsenmeer. Außerdem versorgt die „Polarstern“ einmal jährlich die in der Antarktis gelegene deutsche „Neumayer-Station III“ mit Lebensmitteln, Treibstoff und neuen Geräten.

25 Teilnehmer lernen reale Forschungsbedingungen kennen

Während der Überführungsfahrt von Bremerhaven nach Kapstadt, dem Ausgangshafen für die Antarktissaison, findet das Shipboard-Training statt. Deren 25 Teilnehmerinnen und Teilnehmer fahren allerdings nicht ganz bis ins ewige Eis, sondern gehen im südafrikanischen Kapstadt von Bord. „In der Theorie sind die Studierenden sehr gut ausgebildet“, sagt René Preusker, „aber hier geht es darum, sie mit realen Forschungsbedingungen zu konfrontieren.“ Das heißt, dass sie sich auch mit Dingen auseinandersetzen, die nicht Teil des Studiums sind: Bei der Fahrt durch internationale Gewässer etwa sind komplizierte rechtliche Regelungen zu beachten.

Auch die wissenschaftlichen Messungen auf hoher See sind nicht mit Laborbedingungen vergleichbar, denn es müssen Wind, Fahrtgeschwindigkeit und Bewegungen des Schiffes beachtet werden. Dazu kommen ein Zeitplan mit wenig Spielraum, die Enge des Schiffes und die Isolation. Außerdem sind die Ressourcen an Bord begrenzt. „Wenn ein Kabel fehlt, kann man nicht in den Baumarkt gehen und ein neues holen – und wenn ein Messgerät kaputt ist und Ersatzteile fehlen, kann die Messung nicht gemacht werden“, sagt Preusker.

Auch die Arbeit unter Zeitdruck sei eine besondere Herausforderung. „Wenn ein Schiff fährt, dann fährt es“, sagt der Weltraumwissenschaftler, „da ist jede Minute exakt geplant.“ Für die angehenden Meeresforscher seien diese realen Bedingungen eine unschätzbare Erfahrung.

Manuel Krane

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