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Nicht ohne mein Smartphone: Die Digitalisierung hat unsere Kommunikation stark verändert. Am Deutschen Internet-Institut wollen Forscherinnen und Forscher von Berliner und Brandenburger Wissenschaftseinrichtungen gemeinsam die Risiken und Chancen unserer vernetzten Welt untersuchen.

© flickr/Skinny Casual Lover (Public Domain)

Deutsches Internet-Institut: Was macht das Netz mit uns?

Ein neues Internet-Institut beschäftigt sich mit den Wechselwirkungen von Digitalisierung und Gesellschaft. Professor Martin Emmer, Kommunikationswissenschaftler der Freien Universität, ist einer von drei Gründungsdirektoren.

Wie verändert die Digitalisierung unsere Gesellschaft? Welche Auswirkungen hat sie auf die Arbeitswelt? Führt sie dazu, dass Bürgerinnen und Bürger die Gesellschaft stärker mitgestalten können? Oder wirkt sie eher ausgrenzend? Mit diesen und ähnlichen Fragen werden sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des „Deutschen Internet-Instituts für die vernetzte Gesellschaft“ beschäftigen, das in Berlin gegründet wird. Nach einer zweijährigen Bewerbungsphase hat sich das Konsortium durchgesetzt, an dem neben den vier Berliner Universitäten und der Universität Potsdam das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung und das Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme (Fraunhofer FOKUS) beteiligt sind. Fünf Jahre lang wird das Bundesministerium für Bildung und Forschung das Institut mit insgesamt 50 Millionen Euro fördern, und der Berliner Senat wird ein Gebäude zur Verfügung stellen.

Herr Professor Emmer, womit genau werden sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Internet-Instituts befassen?
Mit den Wechselwirkungen von Digitalisierung und Gesellschaft, also den gesellschaftlichen Aspekten der Digitalisierung. Es geht bei den vielen Detaildiskussionen, die über das Thema bereits geführt werden, oft unter, dass sich die Welt mit der fortschreitenden Technisierung fundamental verändert. Dieser Wandel wird nicht nur durch die Digitalisierung selbst ausgelöst, sondern auch durch ihre Nutzerinnen und Nutzer: Wir treiben den Wandel voran, indem wir digitale Technik nutzen.

Können Sie Beispiele für Forschungsfragen nennen?
Wie kann man Arbeitsumgebungen so gestalten, dass Menschen von der Digitalisierung profitieren? Welche neuen Wertschöpfungssysteme in der Wirtschaft sind durch die Digitalisierung entstanden, welche positiven und negativen Folgen haben sie für uns? Wie verändert sich die Rolle von Bürgerinnen und Bürgern durch die Digitalisierung? Ziel der interdisziplinären Zusammenarbeit der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler soll es sein, die Entwicklungsprozesse gesellschaftlich zu reflektieren, die Forschung auf eine fundamentale Gesellschaftsebene zu beziehen. Fortschritt und Entwicklung sollen den Menschen ja dienen und ihre Teilhabe an der Gesellschaft sichern. Durch unsere Arbeit wollen wir auch zu einer Bewertung beitragen: Was ist gut an der Digitalisierung? Wo liegen die Probleme? Was müsste geschehen, um die gesellschaftliche Teilhabe zu stärken?

Lässt sich Fortschritt denn steuern?
Wir können Entwicklungen beeinflussen, lenken, das ist möglich. Hinter Entwicklungen stehen ja immer Menschen. Wir sind keine rein passiven Opfer von Technologien, die plötzlich da sind. Technik lässt sich gestalten. Es wird im Rahmen des Internet-Instituts auch darum gehen, die Politik zu beraten und zu zeigen, wo Gestaltungsspielräume sind, wo man regulierend eingreifen kann oder sollte.

Martin Emmer ist Professor für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft an der Freien Universität und einer der drei Gründungsdirektoren des Internet-Instituts.
Martin Emmer ist Professor für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft an der Freien Universität und einer der drei Gründungsdirektoren des Internet-Instituts.

© Bernd Wannenmacher

An dem Institut beteiligt sind die vier Berliner Universitäten – die Freie Universität, die Humboldt-Universität, die Technische Universität und die Universität der Künste –, die Universität Potsdam sowie das Wissenschaftszentrum für Sozialforschung zu Berlin und Fraunhofer FOKUS. Wie wird die praktische Zusammenarbeit aussehen?
Es wird keine abgeschotteten Arbeitsbereiche geben, das war uns von Anfang an wichtig. Wir gehen von den gesellschaftlichen Problemen aus, etwa der Veränderung der Arbeitswelt durch die Digitalisierung. Dann schauen wir, welche Beteiligten ihre Expertise einbringen können. So werden interdisziplinäre und institutionenübergreifende Arbeitsgruppen entstehen.

Warum hat sich das Berliner Konsortium gegen die zuletzt vier Mitbewerber durchgesetzt?
Wir kennen die Anträge der Mitbewerber nicht, deshalb kann ich dazu wenig sagen. Aber in Berlin vereinen wir sicher sehr glaubwürdig ausgeprägte Interdisziplinarität und einen Fokus auf sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Das ist unsere große Stärke.

Warum braucht Deutschland überhaupt ein Internet-Institut?
Die Erforschung der Digitalisierung war bisher sehr fragmentiert. Es gibt einerseits eine stark von ökonomischen Interessen getriebene Technikentwicklung, da passiert sehr viel, beispielsweise bei Social Media oder Industrie 4.0. Aber wenn es um die Frage nach Veränderungen der Gesellschaft durch die Digitalisierung geht, um Demokratie, Sicherheit und die Arbeitswelt – da gibt es bisher wenig übergreifende Forschung. Es gibt zwar viele Einzelprojekte, die aber selten interdisziplinär angelegt sind und nicht untereinander verknüpft werden. Außerdem sind sie meistens begrenzt auf kurze Forschungsperioden. Am Internet-Institut können wir systematisch alle Felder einbeziehen, die am Wandel durch die Digitalisierung beteiligt sind. Wir können international renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zusammenbringen und dank der sehr guten Finanzierung mit langem Atem forschen. Das ist weltweit einzigartig.

Wie erfährt die Gesellschaft, was am Institut erforscht wird?
Wir planen viele Kommunikationsformate: Open Labs, wie sie die Universität der Künste schon praktiziert, Bürgerdialoge, Konferenzen; wir streben eine enge Kooperation mit der Zivilgesellschaft, der Wirtschaft und der Politik an. Die Ergebnisse unserer Forschung sollen in die Gesellschaft diffundieren.

Werden Sie auch die Studierenden der beteiligten Universitäten einbeziehen?
Es gibt schon seit einiger Zeit erfolgreich interdisziplinäre Studiengänge, die sich sehr stark mit den Themen beschäftigen, die am Internet-Institut untersucht werden sollen. Am Studiengang Medieninformatik zum Beispiel sind die Freie Universität und die Technische Universität beteiligt, bald auch die Humboldt-Universität. Insgesamt werden fünf neue Professuren an den Universitäten eingerichtet. Was wir im Rahmen des Internet-Instituts erforschen, soll auch über diese neuen Professuren in die Lehre einfließen.

AUF EINEN BLICK
Im Internet-Institut sind sieben Einrichtungen beteiligt: die Freie Universität Berlin, die Humboldt-Universität zu Berlin, die Universität der Künste Berlin, die Technische Universität Berlin, die Universität Potsdam sowie das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung und das Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme (FOKUS).

Dem Gründungsdirektorium des Instituts gehören an: Martin Emmer, Professor am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (Freie Universität Berlin), Ina Schieferdecker, Professorin für Quality Engineering of Open Distributed Systems (Technische Universität Berlin / Fraunhofer FOKUS) und Axel Metzger, Professor für Bürgerliches Recht und Immaterialgüterrecht (Humboldt-Universität Berlin).

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Institut in den ersten fünf Jahren mit insgesamt 50 Millionen Euro. Seine Träger wollen künftig mit den bundesweit am Wettbewerb beteiligten Instituten und Hochschulen und mit Kooperationspartnern aus Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und Medien zusammenarbeiten.

Neben dem Berliner Verbund waren München, Bochum, Karlsruhe und Hannover in der letzten Wettbewerbsrunde.

Christine Boldt

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