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Etwa 700 Studierende der Freien Universität nutzen gleichzeitig das Erasmus-Programm für ihre Auslandserfahrung.

© Porapak Apichodilok, pexels.com, CC0

Austausch: In Europa studieren

Die Freie Universität steht deutschlandweit bei Sudierenden aus Europa an der Spitze der beliebtesten Austauschziele.

„Diese große Chance wollten wir ergreifen“, erinnert sich Wolfgang Mackiewicz, Honorarprofessor für Englische Philologie. Der Linguist war seit vielen Jahren stellvertretender Leiter und Leiter des Sprachlabors der Freien Universität, als 1987 der Rat der Europäischen Union ein Förderprogramm mit dem sperrigen Namen European region action scheme for the Mobility of university students aus der Taufe hob. Wolfgang Mackiewicz sah in dem Programm, das als „Erasmus“ heute allgemein bekannt ist, einen Glücksfall. Er selbst hatte schon 1961 einen Englischferienkurs an der University of London absolviert und für zwei Trimester Anglistik und Germanistik an der britischen University of Leeds studiert und erfahren, wie sehr ein solcher Auslandsaufenthalt den Horizont erweitert.

An einem europäischen Programm aber konnte die Freie Universität Mitte der achtziger Jahre noch nicht ohne Weiteres teilnehmen. West-Berlin hatte 1987 wegen der deutschen Teilung noch einen Sonderstatus und war nicht Teil der damaligen Europäischen Union. Aus der Not einer Insellage hatte die Freie Universität allerdings schon früh eine Tugend gemacht und schon bald nach der Gründung 1948 Kontakte zu Universitäten in den USA aufgebaut, später dann auch zu Hochschulen in Europa. Wolfgang Mackiewicz konnte also bei der Etablierung des Erasmus-Programms an der Freien Universität auf einen erfolgreichen Austausch von Studierenden aufbauen, noch bevor es Erasmus überhaupt gab. Angesiedelt wurde das Programm zunächst im von Mackiewicz damals geleiteten Sprachlabor, dem heutigen Sprachenzentrum. Die 1973 gegründete Einrichtung hatte in den Jahren vor Erasmus mit Unterstützung des damaligen Außenamtes der Freien Universität und des British Council – einer britischen Organisation zur Förderung internationaler Beziehungen – mit einer Reihe von britischen Universitäten Austauschvereinbarungen geschlossen. Mit Partnerhochschulen dieser britischen Universitäten konnten, quasi über Bande, vor allem in Spanien und Frankreich in den folgenden Jahren weitere Austauschvereinbarungen getroffen werden – nun im Rahmen von Erasmus.

Jede Uni finanziert den Aufenthalt ihrer eigenen Studierenden

1988 zählten die University of Essex in Colchester und die Universiteit van Amsterdam zu den ersten Hochschulen im europäischen Ausland, an die Studierende der Freien Universität im Rahmen des Erasmus-Programms gehen konnten. Im Laufe der Jahre kamen immer mehr ausländische Partneruniversitäten hinzu, und die zentrale Abteilung für Internationales, damals Außenangelegenheiten, wurde verantwortlich.

Seit drei Jahren heißt das Programm „Erasmus+“ und entsendet neben Studierenden, Doktorandinnen und Doktoranden sowie Lehrenden auch Beschäftigte der Universitätsverwaltung an ausländische Hochschulen. Ein Team aus fünf Personen unter der Leitung von Gesa Heym-Halayqa ist mit der Beratung von Interessierten sowie dem Abschluss von Austauschverträgen befasst: „Die EU-Fördergelder werden auf verschiedene Mobilitätsschienen verteilt. Das meiste Geld geht immer noch in die klassische Studierendenmobilität, über die Studierende ein bis zwei Semester an einer Partneruniversität verbringen.“ Dabei gelte das „Outgoing-Prinzip“: „Jede Universität finanziert den Aufenthalt ihrer eigenen Studierenden, die sie ins Ausland entsendet.“ Gesonderte Zuschüsse gibt es für alleinerziehende Studierende, die mit Kind ins Ausland gehen und für Studierende mit Behinderung. „Erasmus+“ fördert auch Praktika im Ausland mit einer Dauer von bis zu einem Jahr.

Frankreich gehört zu den beliebtesten Ländern

Knapp 900 Studierende kommen jährlich für einen Erasmus-Aufenthalt an die Freie Universität – sie liegt mit dieser Zahl deutschlandweit an erster Stelle. Gleichzeitig nutzen etwa 700 Studierende der Freien Universität das Programm für eine Auslandserfahrung. Die meisten „Outgoings“ kommen aus den Fachbereichen Philosophie und Geisteswissenschaften sowie Politik- und Sozialwissenschaften. Die beliebtesten Länder waren im Studienjahr 2016/2017 Frankreich, Großbritannien, Spanien und Italien.

Die politische Situation in einem Land schlage sich auf die Bewerbungen nieder, sagt Gesa Heym-Halayqa. „Istanbul gehörte lange zu unseren beliebtesten Austauschstädten. Das ist nun nicht mehr so.“ Der Brexit hingegen habe viele dazu angeregt, noch einmal nach Großbritannien zu gehen. „Der Austausch ist bis einschließlich Sommer 2019 gesichert“, sagt Heym-Halayqa. Doch nicht nur die Beliebtheit der Länder hat sich geändert, sondern auch der mit einem Erasmus-Austausch verbundene Aufwand – durch das Erstellen und Verwalten der seitenlangen Verträge und Kursvereinbarungen habe er sich vervielfacht. Dies betreffe die Studierenden und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Programms an den Universitäten gleichermaßen.

Dürfte sich Gesa Heym-Halayqa zum 30. Erasmus-Jubiläum etwas wünschen, dann wären es der Abbau von Bürokratie und die Einrichtung eines festen Zeitfensters im Studienverlaufsplan für einen Auslandsaufenthalt. Beide Maßnahmen würden Frustration verhindern – und den Austausch beflügeln, ist sie überzeugt: „Ich weiß, dass das mutige Schritte wären, aber dann ließen sich noch mehr Studierende von einem Auslandsaufenthalt überzeugen.“

Aniko Schusterius

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