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Flughafen Tempelhof

© Kitty Kleist-Heinrich

Bebauung des Tempelhofer Felds: Natur und Wohnungen sind keine Gegensätze

Am Rande des Tempelhofer Felds sollen tausende Wohnungen entstehen. Das könnte eine verträgliche Lösung für alle sein - denn das übrig gebliebene Biotop wäre immer noch größer als der Tiergarten. Der Senat hat jedoch mit platzfressenden Plänen und unabgestimmten Ideen viel Vertrauen der Bürger verspielt.

Noch ein Volksbegehren. Der Initiative „100 % Tempelhofer Feld“ wird es leicht fallen, 174 000 Unterschriften zu sammeln gegen jegliche Bebauung. Denn jeder Besucher des Wiesenmeers ist fasziniert von der Magie des Orts, des entspannten Nebeneinanders vieler unterschiedlicher Nutzer. Ein Heimspiel. Nur werden dann im Volksentscheid dieselben Berliner unverbaute Natur fordern, die fehlende Wohnungen und steigende Mieten als größtes Problem der Stadt angeben.

Egoismus und St. Florian? So einfach ist es nicht. Schließlich ist das Tempelhofer Feld ein einmaliges Geschenk an die Stadt, um das uns alle Metropolen beneiden. 340 Hektar unverbaute Natur. Unverzichtbar als Frischluftschneise für den Stadtkern in Zeiten des Klimawandels. Mit diesem Schatz muss mit aller ökologischen Behutsamkeit und Sorge umgegangen werden. Aber Politik muss gleichzeitig auf den Zuzug – allein 2012 kamen 50 000 Menschen – und die enorme Zunahme von Singlehaushalten reagieren.

Der Senat hat zum Misstrauen beigetragen

Am Rand des Flugfelds sollen 4700 Wohnungen entstehen. Das ist eine verträgliche Lösung, weil auch dann noch ein Biotop, größer als der Tiergarten, erhalten bliebe. Man muss den Anfängen wehren, weil damit die stückweise Filetierung programmiert ist, sagen die Gegner. Doch dagegen kann die Demokratie als Bauherr hohe planerische Hürden errichten. Der Senat hat jedoch viel zum Misstrauen beigetragen, weil immer neue platzfressende Pläne und unabgestimmte Ideen wie eine Ökomodellstadt in Umlauf kommen. Dazu gehört auch, 20 Millionen Euro für ein eventverdächtiges Wasserbecken ausgeben zu wollen.

Vor allem rächt sich, dass der Senat immer noch kein Konzept hat, was mit dem zweitgrößten Gebäude der Welt geschehen soll, das weitgehend leer steht und verrottet. Für Wohnungen ist der Bau ungeeignet. Es leuchtet aber nicht ein, warum auf dem Flugfeld für 270 Millionen Euro eine Landesbibliothek gebaut werden soll, anstatt das als Denkmal zu erhaltende Gebäude dafür zu nutzen.

Wohnung und Natur lassen sich vereinen

Wer zu wenig kommuniziert oder sich wegduckt, den bestraft das Volksbegehren. Wenn eine Idee ein Zeitgefühl trifft, dann erst recht. Der Erfolg des Wasserbegehrens 2011 hat dem Senat, der die Initiative einfach ignorierte, den Rückkauf der Wasserbetriebe aufgezwungen und die Rekommunalisierung von Betrieben der städtischen Daseinsvorsorge zum politischen Kernthema gemacht. Auch beim Volksentscheid über den Kauf des Stromnetzes und Aufbau eines Stadtwerks am 3. November tauchte die Koalition lange ab, weil die CDU dagegen, die SPD dafür ist. Stattdessen wurde erst am Termin gemogelt und nun geprüft, ob der Antrag verfassungsgerecht ist.

Es ist ein Warnzeichen, dass die beteiligten Bezirke klagen, sie würden spät und lückenhaft über die Tempelhof-Planung informiert. Auch so macht man ein Begehren stark, statt mit guten Argumenten zu überzeugen, dass dort Wohnungen und Natur kein Gegensatz sind. Vor fünf Jahren erzwang der erfolgreiche Bürgerentscheid „Mediaspree“ schon einmal Mitbeteiligung. Dort entsteht ein für Berlin wichtiges Quartier, aber anders als geplant, weil die Kritiker dazu beigetragen haben, den Zugang zur Spree zu erhalten.

Meinungen können sich übrigens ändern. Manche genießen heute die Tempelhofer Freiheit, die 2008 beim verlorenen Volksentscheid noch vehement einen weiteren Flugbetrieb forderten.

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