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Ein kleines Mädchen aus Syrien nach der Ankunft am Hauptbahnhof München

© picture alliance / dpa/ Sven Hoppe

Wie lernt man Demokratie?: Drei Parteien, eine Koalition? Komisch!

Was Neuankömmlinge über Politik lernen – und worüber sie staunen.

Von Muhamad Abdi

In den letzten drei Jahren sind mehr als eine Million Flüchtlinge nach Deutschland gekommen. Diese Menschen stammen aus verschiedenen Kulturen und Ländern und sie brauchen Kenntnisse über den Alltag in Deutschland. Deshalb finanziert das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Integrationskurse für sie. Diese bestehen aus zwei Teilen: Sprachkurs plus Orientierungskurs.

In einer Schule in Berlin Mitte, Raum 3.21 in der dritten Etage, hat Hassan Aji zusammen mit acht Mitstreitern Unterricht über deutsche Politik. Der 23-Jährige kommt aus Syrien und wohnt seit anderthalb Jahren in Berlin, er hat Deutsch bis zum Niveau B1 gelernt und macht nun einen Orientierungskurs. Hier lernt er zum Beispiel, wie viele Parteien es in Deutschland gibt. Und staunt, als er von Berlins rot-rot-grüner Koalition hört. „In Syrien, wo ich geboren bin, gibt es nur eine Partei. Alles in Syrien steht unter der Kontrolle einer Partei!“, sagt er.

Die Kursteilnehmer erörtern mit der Lehrerin, wie der Bundestag funktioniert. „Der Kurs ist sehr nützlich, da ich viele Dinge über die deutsche Verfassung und die politischen Parteien lerne“, sagt Hassan Aji. „Nun weiß ich, welche Parteien es in Deutschland gibt und wie die Regierung funktioniert.“

Was macht Deutschland Deutschland?

Zum Abschluss des Kurses bekommt jeder Teilnehmer einen Fragebogen mit insgesamt 33 Fragen. Zum Beispiel so: „In Deutschland dürfen Menschen offen etwas gegen die Regierung sagen, weil ...“ Die Teilnehmer müssen die richtige von vier möglichen Antworten ankreuzen: Weil hier Religionsfreiheit gilt? Weil die Menschen Steuern zahlen? Weil die Menschen das Wahlrecht haben? Weil hier Meinungsfreiheit gilt? Hassan Aji muss da nicht lange nachdenken. Der Test ist bestanden, wenn mindestens 15 von 33 Fragen richtig beantwortet wurden.

Allein in Berlin gab es 2016 mehr als 30000 Kursteilnehmer. Mit einem Anteil von 46,9 Prozent aller neuen Teilnehmer liegt Syrien mit Abstand auf Platz eins. Auf Platz zwei (8,2 Prozent) folgt die Gruppe der Iraker. Eritrea nimmt mit einem Anteil von 5,2 Prozent den dritten Platz ein.

Der Autor kam 2015 aus Syrien nach Berlin. Er ist Volontär beim Tagesspiegel.

Dieser Text ist in der Beilage „Wir wählen die Freiheit“ mit Texten von Exiljournalisten am 8. September 2017 erschienen. Die Beilage entstand im Rahmen des Projekts #jetztschreibenwir des Tagesspiegels, in Kooperation mit der Friedrich-Naumann-Stiftung und der Robert Bosch Stiftung. 

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