zum Hauptinhalt
Zainab Alsawah stammt aus Homs und studiert Schauspiel an der UdK Berlin. Ihre erste Fernsehrolle wird sie im Herbst spielen.

© Daniel Nartschick

Eine Syrerin im Rampenlicht: Emotion, Träume und kaum ein Akzent

Auch auf der Bühne trägt die syrische Studentin Zainab Alsawah ihre Geschichte mit sich.

„Da stand ich dann, und sah ihm nach, wie er die Straße runterging zum Wasser. Er drehte sich nicht um.“ So beginnt der Monolog, an dem Zainab Alsawah, Schauspielstudentin im zweiten Jahr, derzeit arbeitet. Ihr Blick ist in eine unbestimmte Ferne gerichtet, ihre Bewegungen sind langsam, die Stimme unerwartet kraftvoll und fest. Der Schmerz der Figur – einer alten Frau, die an den Tag denkt, an dem sie ihren Mann an einen der tiefsten Fjorde Norwegens verlor – wird unmittelbar greifbar. Ausgerechnet ein Drama des norwegischen Autors Jon Fosse hat die syrische Studentin für ihr Szenenstudium ausgewählt.

Vielleicht ist es die Melancholie, die Alsawah mit Fosse verbindet. Sie weiß, was es bedeutet, Angst zu haben, dass ein geliebter Mensch nicht mehr zurückkommt. 2012 wurde das Al-Khalidiya-Viertel ihrer Heimatstadt Homs – das Viertel ihres heutigen Ehemanns – bombardiert. Es war die erste Bombardierung im Syrienkrieg überhaupt und für Alsawah eine der furchtbarsten Nächte ihres Lebens: „Man hat die Bomben gehört, man wusste auch, wo sie fielen, die Nachrichten erreichten uns schnell. Doch es gab keinen Empfang mehr, ich konnte meinen Mann nicht erreichen.“ Ihr Mann, ein syrischer Theatermacher und Aktivist, hat den Angriff überlebt, verlor aber in der Nacht ein Auge und seinen besten Freund.

Schon als kleines Mädchen in Syrien wollte sie Schauspielerin werden

Auch die 27-jährige Syrerin kennt Abschiede nur zu gut. Ihre Familie ist seit Ausbruch des Bürgerkriegs auf viele Länder verteilt. 2013 gab es eine Woche, in der die junge Frau ihren Mann nach Ägypten, ihren Vater nach China und ihren Bruder in den Libanon verabschiedete. Schließlich verließ sie selbst das Land und kam im November 2013 mit ihrem Mann nach Deutschland, zunächst nach Osnabrück.

„Ich hatte wieder eine Perspektive. Ich dachte, wenn ich die Sprache lerne, habe ich hier eine Zukunft“, erinnert sich Alsawah. Ihr Tatendrang ist ansteckend. Trotz ihres abgeschlossenen Studiums in Englischer Literatur fasste sie den Entschluss, noch einmal zu studieren – denn schon als kleines Mädchen in Syrien wollte sie Schauspielerin werden. Tatsächlich bekam sie einen der zehn begehrten Studienplätze an der UdK Berlin. Zur Aufnahmeprüfung bereitete sie – neben Tschechow – den Monolog einer Frau vor, die über das Mittelmeer floh.

Alsawah interessieren Figuren mit tiefen inneren Konflikten, Dorian Gray zum Beispiel oder Phädra. An ihre Rollen geht sie mit viel Emotion. Ihre Dozenten sagen ihr, wenn sie auf der Bühne stehe, sehe man den Schmerz, den sie in sich trage. Tatsächlich weiß sie Emotionen sehr gut zu vermitteln. Doch auch Körpertechniken müssen erlernt werden. Die Studentin ist überaus dankbar für die Möglichkeit, jeden Tag an sich zu arbeiten und zu lernen, Figuren auch „von außen nach innen“ zu spielen, sprich, sich mehr von der Technik als von der Emotion leiten zu lassen. Daher war sie auch schon als exaltierte High-Society-Kannibalin auf der Bühne zu sehen, „völlig absurd“, lacht sie. „Das Lernen ist sehr körperlich“, erklärt Alsawah, „Du musst die Schauspieltechniken hart trainieren, auch an den Wochenenden, erst dann nimmt es Dein Körpergedächtnis auf.“

Im November spielt sie im TV eine Syrerin, die nach Deutschland flieht

Noch vor zehn Jahren wäre es fast undenkbar gewesen, dass eine Person, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, in Deutschland Schauspiel studiert. Manche Hochschulen lassen bis heute keine sprachlichen Akzente zu. Bei Alsawah ist der Akzent übrigens kaum merklich. Klar und mit fester, tiefer Stimme strukturiert die Studentin ihre Sätze und Erzählungen.

Im November wird Alsawah in einer der Hauptrollen in einer öffentlich-rechtlichen Fernsehproduktion zu sehen sein. Sie spielt eine Syrerin, die nach Deutschland flieht. Es ist nicht selbstverständlich, dass die UdK Berlin so lange Fehlzeiten für außerstudentische Produktionen genehmigt. Genauso ungewöhnlich ist es jedoch, bereits zu Beginn der Schauspielausbildung eine so große Rolle zu bekommen. Auch hier werden Alsawahs Emotionalität und ihre Geschichte überzeugt haben. „Wenn ich eine Szene spiele, in der ich mit meinen Eltern in Syrien skype, muss ich die Emotionen nicht spielen. Die Tränen kommen wie von selbst“, erzählt sie von den Dreharbeiten.

Ihr Traum ist es, in der Zukunft als freie Schauspielerin auf großen und kleinen Bühnen zu spielen und mit ihrem Mann, dem in Deutschland preisgekrönten Theatermacher Anis Hamdoun, wieder eine Theatergruppe zu gründen, die den Bezug zu politischen Themen herstellt. In Syrien mussten sie 2011 damit aufhören, weil revolutionäre Themen verboten waren und es der Gruppe banal erschien, inmitten der Revolution Stücke wie „Romeo und Julia“ zu inszenieren. „Jetzt sind wir in Deutschland und haben die Chance, weiterzumachen mit unseren Träumen und Vorhaben. Doch es ist mir auch wichtig, mein Land nicht zu vergessen. Durch Kunst kann man versuchen, etwas zu verändern.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false