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Nicolas Leschke und Christian Echternacht.

© Thilo Rückeis

"Eco Friendly Farming": Ökologischer Landbau mitten in Berlin

Eine Fisch-Farm auf einer Stadtbrache, ein Gewächshaus für Gemüse auf dem Dach: Christian Echternacht und Nicolas Leschke haben ECF gegründet, eine Firma, die ökologische Farmen mitten in die Stadt baut. Damit könnten die beiden die Lebensmittelproduktion revolutionieren.

Auf der Dachterrasse des "Oberstübchens" auf dem Gelände der Malzfabrik dampft es. Der weiße Rauch schlängelt sich erst horizontal an den Besuchern vorbei, um sich dann im noch hellen Abendhimmel zu verlieren. Der Rauch ist ein Zeichen, das Buffet ist eröffnet: Die Gäste schaufeln Brotsalat und Gemüse auf ihre Bananenblatt-Teller, legen einen Fisch dazu, nehmen auf den Bierbänken Platz und genießen, was der ökologische Landbau mitten in Berlin so hergibt. Man isst, bis der letzte Barsch vertilgt ist, auch wenn es inzwischen dunkel geworden ist und Teelichter zur Grätensuche herhalten müssen. Aber man kann einfach nicht aufhören. Sind doch so prachtvolle Kerle, gefüllt mit Kräutern und Gemüse ein Gedicht.

Großes Lob für die Fische aus Berlin – Christian Echternacht und Nicolas Leschke kennen das mittlerweile. Schon das dritte Jahr in Folge haben die Gründer der ECF Farmsystems GmbH zum Saisonabschlussfest geladen. Das Barschbarbecue wird exklusiv für die "Barsch-Paten veranstaltet. Das sind Fischliebhaber und ECF-Förderer, die sich für 20 Euro Gebühr im Jahr einen frischen Fisch aus Tempelhof sichern.

Beide waren verrückt genug

Zweieinhalb Jahre ist es her, dass Echternacht und Leschke zusammenfanden. Beide waren "an nachhaltigen Themen interessiert", beide hatten Erfahrung als Unternehmer und beide waren verrückt genug, das Unmögliche zu wagen: Sie haben ECF, kurz für Eco Friendly Farming, gegründet. Das Unternehmen plant und baut Farmen, mit denen man mitten in der Stadt nachhaltig und ohne den Einsatz von Pestiziden und chemischem Dünger Fisch aufziehen und Gemüse anbauen kann. Eine ECF-Farm kann auf einer Brachfläche errichtet oder als Dachfarm in ein Bestandgebäude integriert werden. Mehr als 400 Pflanzensorten gedeihen in den Farmen, als Fische eignen sich Süßwasserfische, vor allem Zander und Barsche.

"Unser Anspruch ist, Menschen mit nachhaltig erzeugten Lebensmitteln zu versorgen, die direkt vor ihrer Haustür produziert werden", sagt Leschke. Dieser Ansatz sei sowohl ökologisch als auch ökonomisch. Und er löst eine ganze Menge Probleme, die die Lebensmittelproduktion, wie sie derzeit stattfindet, mit sich bringt. So gehen zwischen 17 und 35 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen auf das Konto der Landwirtschaft und der Lebensmittelverarbeitung, der CO2-Ausstoß, der auf die weiten Transportwege und Kühlketten zurückzuführen ist, noch nicht mitgerechnet. Zusätzlich werden dabei 70 Prozent des weltweit genutzten Süßwassers verbraucht. Außerdem sind bereits 85 Prozent der Weltmeere überfischt oder nahezu überfischt.

Aquakultur + Hydroponik = Aquaponik

Die Produktion von Fisch und Gemüse in unmittelbarer Nähe des Verbrauchers könnte die Lebensmittelproduktion revolutionieren. Ebenso revolutionär ist das System, dass Echternacht und Leschke dafür einsetzen: Aquaponik, eine Melange aus Aquakultur und Hydroponik, oder anders ausgedrückt: ein Ineinandergreifen von Aquarium und Gewächshaus. Die Ausscheidungen der Fische im Aquarium liefern den Dünger, den das Gemüse zum Wachsen braucht. Gleichzeitig entsteht ein geschlossener Wasserkreislauf, weil die im nährstoffreichen Wasser stehenden Pflanzen als Kläranlage fungieren.

Leider kann Nicolas Leschke derzeit keine schwimmenden Fische und kein sprießendes Gemüse vorzeigen. Die kleine Containerfarm auf dem Gelände der Malzfabrik ist bereits geschlossen, sie befindet sich bis März im Winterschlaf. Die große Farm auf der Wiese neben der Malzfabrik ist noch im Bau. Ende des Jahres soll sie fertig sein, im Februar 2015 könnten die ersten Pflanzen geerntet, die ersten Fische gefangen werden. Leschke zeigt trotzdem stolz in Richtung Baustelle. Schließlich entsteht hier die erste Farm in dieser Größe: 1800 Quadratmeter, mit einem Potenzial für 30 Tonnen Fisch und 35 Tonnen Gemüse pro Jahr. Die Unternehmer wollen ihre Ernte im Direktvertrieb vermarkten. "Einen frischeren Fisch bekommt man in ganz Berlin nicht", sagt Leschke. "Eine Stunde vorher hat der noch gelebt."

Mittelfristig ein Franchise-System etablieren

Der Lebensmittelverkauf ist aber nicht das eigentliche Geschäftsmodell. Die Unternehmer wollen weitere Farmen in anderen Städten bauen. Mittelfristig planen sie, ein Franchise-System zu etablieren. Konkrete Anfragen von Interessenten gibt es bereits, sagt der 36-Jährige. Sie kommen aus der ganzen Welt, aus Südafrika und Mindanao, der zweitgrößten philippinischen Inselgruppe. Zu den potenziellen Auftraggebern zählen Lebensmittelproduzenten, Gastronomen, Hoteliers oder Projektentwickler. Auch Betreiber von Solarkraft- oder Biogasanlagen sind interessiert, sagt Leschke. "Das sind strategisch gute Partner, weil sie auf diese Weise ihre Abwärme gut nutzen können."

Leschke ist guter Dinge, dass die erste Farm außerhalb Berlins schon bald errichtet werden kann. Details will er noch nicht verraten. Erst einmal abwarten, bis die Anlage in Berlin in Betrieb genommen wird – und hoffentlich reibungslos funktioniert. Aber bis dahin sind es ja nur noch ein paar Wochen. Und jede einzelne Minute davon wird dokumentiert; eine Kamera filmt den Bau. Wer will, kann auf der Webseite zusehen, wie die weltweit größte Aquaponik-Farm entsteht. Wer will, kann außerdem Barschpate werden – und sich schon heute auf einen Grillabend im nächsten Jahr freuen. Bei gutem Wetter auf der Dachterrasse des Oberstübchens.

ecf-farmsystems.com

Dieses Stück erschien zuerst im Wirtschaftsmagazin "Köpfe" aus dem Tagesspiegel-Verlag, das Sie hier bekommen können: Tagesspiegel Köpfe bestellen

Sabine Hölper

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