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Besuch in einer Lichtenberger KfZ-Werkstatt

© Karl Grünberg

Die Folgen des Abgasskandals: Bei Berlins Schraubern zählt noch das Vertrauen

Ein Auto ist mehr als Metall auf vier Rädern. Es ist Begleiter und Gefährte – jemand, der einen nicht betrügen sollte, sondern dem man vertraut. Auch jetzt. Der Blendle-Tipp.

Besonders traurig sei es, sagt Stephen Sponholz, wenn er nur noch raten kann, das Auto verschrotten zu lassen. Oder wenn ein Rentner aufgrund seines Alters den Wagen abgeben muss. „Dann besuchen sie mich ein letztes Mal“, sagt er, „verabschieden sich und sagen, dass ich mich nicht wundern soll, dass sie jetzt nicht mehr kommen.“ Besuchen. Verabschieden. Sponholz hat eine kleine Autowerkstatt in einem Gewerbegebiet in Berlin-Lichtenberg, er ist Kfz-Meister, und wer ihm und seinen Kunden zuhört an diesem Tag, ihrer Wortwahl, der kann zu dem Schluss kommen, dass er ein besonders aufrechter ist. Einer vom alten Schlag vielleicht, eine Art Vorbild. Es ist auch viel von Vertrauen die Rede in dieser Werkstatt.

Vertrauen ist ein schönes, ein wichtiges Wort

Vertrauen ist ein schönes, ein wichtiges Wort. Es ist die Grundlage einer Verbindung und wird deswegen auch gerne bei Hochzeiten benutzt. Viel wird investiert in einen Gefährten, der einen jahrelang begleiten und tragen soll. Man muss gut zu ihm sein, ihn pflegen, darf ihn nicht vernachlässigen, in guten wie in schlechten Zeiten. Manche sprechen sogar von Liebe und Leidenschaft.

Doch dieses Vertrauen in die deutschen Autos – einst Inbegriff für Verlässlichkeit und Solidität – ist nun kaputt. Erst kam der Dieselbetrug, dann die wahrscheinlichen Kartellabsprachen zwischen den großen deutschen Autokonzernen, und über alldem thront die Ungewissheit, wie und ob es überhaupt weitergeht mit dem Diesel, mit dem Benziner, mit dem Auto, so wie wir es kennen.

KfZ-Meister Stephen Sponholz
Handarbeiter. Kaputtes wieder ganz machen – „das ist mein Ding“, sagt Kfz-Meister Stephen Sponholz.

© Karl Grünberg

Vielleicht würde den VW,- Audi-, und Porsche-Managern ein Blick auf die Basis helfen. Dorthin, wo die Leute davon leben, dass man ihnen vertraut. Dass sie nur das reparieren, was kaputt ist. Dass sie auch nur das berechnen, was sie wirklich gearbeitet haben. Dass sie sagen, was Sache ist. Da, wo die Lichtenberger Plattenbauten den Himmel tragen, wo auf dem Gewerbegelände, eingeklemmt zwischen Bahndamm und Häuserschluchten, geschraubt und repariert wird, in einer der knapp 1200 KfZ-Werkstätten Berlins.

Würden sie hier sein, dann könnten die Manager zuschauen, wie der KfZ-Meister Stephen Sponholz das so macht. Wie er mit seinen Kunden umgeht. Wie der 57-Jährige seine Werkstatt als Familienbetrieb organisiert. Wie er sich als Chef mit ordentlichem Hemd und sauberer Hose unter die Autos stellt, weil viel zu tun ist, und er der VW-Besitzerin versprochen hat, dass ihr Auto morgen fertig ist.

Sponholz’ Werkstatt, das sind zwei Räume. Der eine ist das Büro, groß, kahl. Es passt zu einem, der von sich sagt, dass er geradlinig ist, der in jeder Geste und jedem Wort ruhig und überlegt wirkt. Nur in der Ecke steht eine alte, abgenutzte Werkbank, die Erinnerung an die Anfänge als Lehrling, die Mahnung zur harten Handarbeit. Der zweite Raum ist die Werkstatt, eine große Halle mit hoher Decke, hell, aufgeräumt, alles verstaut, sortiert, weggepackt.

Werkstatt und Büro werden von einer gläsernen Front getrennt. So können Chef und Kunden sehen, was in der Halle passiert. Das Signal: Eure Autos verschwinden nicht in einer Garage. Ihr könnt beobachten, was wir hier machen.

Ein Auto ist ja nicht einfach nur ein Auto

Ein Auto ist ja nicht einfach nur ein Auto und eine Reparatur nicht einfach nur eine Reparatur. Es ist wie ein Arztbesuch von jemandem, den man gerne hat, der krank ist, der aber bald wieder fit sein muss. „Das Auto ist vielleicht das Wertvollste, was meine Kunden besitzen“, sagt er. „Mit ihm fahren sie zur Arbeit, in den Urlaub, holen ihre Kinder ab. Sie brauchen es jeden Tag, sind drauf angewiesen. Ist es kaputt, ist es eine kleine Katastrophe. Das muss ich ernst nehmen und mich in ihre Sorgen und Ängste reinversetzen.“

Spricht man dann mit einem seiner zwei Mitarbeiter, dem 25-jährigen Jan, einem großen, bulligen Kerl, der ebenfalls mit einer achtsamen Ruhe von Auto zu Auto geht, vom VW Touran zum T 4 Multivan, sagt dieser: „Mir wurde eingebläut, dass ich das Auto des Kunden mit Respekt zu behandeln habe. Aus Versehen eine Beule rein oder ein Kratzer, weil das Werkzeug ausrutscht, das geht gar nicht.“

1977, der junge Stephen Sponholz betritt seine erste Werkstatt. Er ist Lehrling des DDR-Wäschereibetriebs Rewatex. 4500 Mitarbeiter und ein riesiger Fuhrpark, für den er und seine Handwerker-Kollegen zuständig sind. Doch bevor er auch nur seinen ersten Radwechsel machen durfte, stellte ihn der Meister an die Werkbank. Er gab ihm ein Metallstück, eine Feile und den Auftrag, daraus einen Passkeil für ein Türschloss eines Lkw W 50 zu machen. Stundenlang feilte er, die Späne flogen...

Den vollständigen Text lesen Sie für 45 Cent im Online-Kiosk Blendle.

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