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Gesellschaft: Das Yin und Yang der Naturheilkunde

Naturheilmittel kennen die Menschen schon seit Jahrtausenden - dennoch sind sie vielen heute fremd, mit verschiedenen Vorurteilen beladen und werden von Männern und Frauen unterschiedlich stark genutzt.

Naturheilkunde ist weiblich. Denn statistisch betrachtet sind etwa 70 Prozent der Patienten, die von naturheilkundlichen Verfahren Heilung oder Linderung erwarten, Frauen. »Das liegt daran, dass Männer im Durchschnitt weniger bereit sind, sich mit den vielfältigen Ursachen einer Krankheit und mit den daraus resultierenden sinnvollen Änderungen des Lebensstils auseinanderzusetzen«, sagt Andreas Michalsen, Chefarzt der Abteilung Naturheilkunde im Immanuel Krankenhaus Berlin. Männern sei die Naturheilkunde oft nicht technisch genug oder erscheine ihnen oft zu langwierig oder gar esoterisch.

Tatsächlich aber ist mittlerweile die Wirksamkeit von Naturheilmitteln zunehmend sogar wissenschaftlich belegt. »Einen nachgewiesenen Nutzen gibt es beispielsweise für eine Blutegeltherapie bei Kniearthrosen, für Yoga bei chronischen Rückenschmerzen oder auch für Ernährungs- und Bewegungstherapie sowie den Aderlass bei Bluthochdruck«, sagt Michalsen, der auch als Internist viele sinnvolle Ergänzungen zur Schulmedizin kennt. In Deutschland ist die Naturheilkunde heute übrigens als akademisches Fachgebiet an den Universitäten etabliert - die Ärztekammern verleihen erst nach einer entsprechenden Ausbildung und Prüfung für Ärzte die Fachqualifikation und Zusatzbezeichnung »Naturheilverfahren«.

Die Naturheilkunde und Komplementärmedizin kann also gegen ganz verschiedene Erkrankungen helfen - und dabei muss nicht zwischen männer- und frauenspezifischen Leiden differenziert werden. Warum oft trotzdem Stoffe nur für Männer oder Frauen angeboten werden? »In bestimmten Kulturkreisen existieren geschlechtstypische Empfehlungen aus der Kräuterheilkunde, die allerdings nicht durchweg wissenschaftlich belegt sind «, sagt Michalsen. Fragen Sie Ihren Arzt bei Interesse doch das nächste Mal danach - egal, ob Sie Mann oder Frau sind.

Pflanzen mit dem gewissen Extra
In diesen Naturalien steckt mehr, als man ihnen ansieht: Wir haben eine Auswahl für Sie zusammengestellt - gezielt für Männer und Frauen:

Ashwagandha.
Ashwagandha.

© marilyn barbone - Fotolia

Ashwagandha

Im indischen Ayurveda ist Ashwagandha ein vielfach eingesetztes Heilkraut, oft werden die Winterkirsche und ihre Wurzeln als »Anti-Aging«-Mittel für Männer eingesetzt: Sie wird ähnlich wie der Ginseng bei Erschöpfungszuständen, aber auch traditionell als Aphrodisiakum oder sogar als Amulett genutzt. Laut Überlieferungen kann ein aus der Ashwagandha-Wurzel bereiteter Liebestrank sexuell stimulierend wirken und bei tantrischen Ritualen zur verlängerten Erektionsdauer beitragen.

Ginseng.
Ginseng.

© koosen - Fotolia

Ginseng
In der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) geht man davon aus, dass die Ginseng-Wurzel üblicherweise Männern gegen Schwäche, Müdigkeit und Infekneigung helfen, aber auch als natürliches Stärkungsmittel oder gegen Diabetes wirken kann. Dazu verwendet man in der Regel die Wurzeln von vier bis sieben Jahre alten Pflanzen, die man je nach Verarbeitung zwischen rotem und weißem Ginseng unterscheiden kann. Er wird zu Suppen, Tees, Schnaps, Kapseln und Seife verarbeitet. Im Chinesischen bedeutet der Name so viel wie »Menschenwurzel«.

Granatapfel.
Granatapfel.

© andriigorulko - Fotolia

Granatapfel
Die Heimat des Granatapfels ist West- und Mittelasien, er wird heute unter anderem auch im Mittelmeerraum angebaut. Seine Wurzel, Rinde und gekochte Schale wurden bereits im Mittelalter gegen Bandwürmer eingesetzt. Heute vermutet man, dass fermentierter Granatapfelsaft geschlechtsspezifische Krebserkrankungen wie Brust- und Prostatakrebs positiv beeinflussen könne. Studien dazu laufen bereits.

Misteln.
Misteln.

© Scisetti Alfio - Fotolia

Misteln
Es existieren auch Ratschläge aus für uns weniger exotischen Gefilden: Schon der Vater der Anthroposophie Rudolf Steiner empfahl eine Misteltherapie bei Krebsleiden. Heute gehen Experten auf Basis von Studiendaten davon aus, dass dadurch Nebenwirkungen einer Chemotherapie minimiert und die Lebensqualität gesteigert werden können. In der ergänzenden Tumortherapie werden dann oft Eichenmisteln bei Männern und Apfelmisteln bei Frauen eingesetzt.

Chinesische Engelswurz.
Chinesische Engelswurz.

© Only Fabrizio - Fotolia

Dong Quai
Die Chinesische Engelswurz ist auch als »weiblicher Ginseng« bekannt und wurde schon im ältesten Heilpflanzenbuch der TCM vor allem Frauen empfohlen: Demnach vermag sie Menstruationsbeschwerden zu lindern und ausgebliebene Regelblutung zu regulieren. Generell beeinflusse sie die weibliche Fruchtbarkeit, aber auch das Wohlbefinden während der Wechseljahre positiv.

Wilder Spargel.
Wilder Spargel.

© Bernd Jrgens - Fotolia

Shatavari
Der indische wilde Spargel gilt als wichtigstes Verjüngungsmittel für Frauen in der traditionellen indischen Medizin: In der Ayurveda wird er seit Jahrhunderten als sanftes Schmerzmittel beispielsweise bei Regel- oder Wechseljahresbeschwerden eingesetzt. Außerdem fördere es die Milchproduktion und heile trockene und entzündete Schleimhäute. Shatavari bedeutet übrigens übersetzt »die, die hundert Männer besitzt«. Und der Name scheint Programm zu sein, da es auch als Aphrodisiakum speziell für Frauen angewandt wird.

Kürbiskerne.
Kürbiskerne.

© mhp - Fotolia

Kürbiskerne
Zubereitungen aus Kürbiskernen beinhalten unter anderem Phytosterole. Diese hormonähnlichen Stoffe mindern in Laboruntersuchungen die Bildung von einem Hormon, das wahrscheinlich zur Entstehung einer gutartigen Prostatavergrößerung beiträgt. Kürbisextrakte werden dann empfohlen, wenn sich eine leichte Prostatavergrößerung zum Beispiel durch Probleme beim Wasserlassen bemerkbar macht.

Brennnessel.
Brennnessel.

© voltan - Fotolia

Brennessel
Der Brennnessel kommt in der Naturheilkunde eine große medizinische Bedeutung zu: Frisches Brennnesselkraut als frisch gepresster Saft, getrocknet als Tee aus den Blättern, Wurzeln und Früchten kann beispielsweise bei Gicht, Rheuma, Gelenkentzündungen oder einer Prostatavergrößerung eingenommen werden. Frauen haben durch eine kürzere Harnröhre im Vergleich zu Männern viel häufiger Blasenentzündungen, wogegen sich Brennnesselsaft mit seiner harntreibenden Wirkung zum Durchspülen der Harnwege eignet.

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Leonard Hillmann

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