zum Hauptinhalt

Betreuungsgeld bis Pflegedienst: Parteien fordern mehr Geld, doch wie soll das bezahlt werden?

Im Wahlkampf fordern alle Parteien mehr Geld für Familien und Pflege. Doch es bleibt die Frage, wie soll das bezahlt werden?

Pflegebedürftige und Familien brauchen mehr Unterstützung. Das bestreitet in Deutschland keine Partei mehr – doch über die Frage, wie die Sozialsysteme in Zukunft finanziert werden sollen, sind sich die Lager nicht einig.

Was wollen die Parteien tun, um Altersarmut zu verhindern?

Ein steigender Niedriglohnsektor, unstete Berufsbiographien und lange Zeiten von Hartz IV-Bezug führen dazu, dass künftig mehr Menschen von Altersarmut bedroht sind. Schwarz-Gelb wollte das Thema schon in dieser Wahlperiode angehen, konnte sich aber nicht einigen. Union, SPD und Grüne versprechen in ihren Wahlprogrammen, dass sie die Rente auf 850 Euro im Monat aufstocken wollen, wenn Menschen trotz Arbeit im Alter in der Grundsicherung landen würden. Allerdings sind sie dabei unterschiedlich großzügig: Die Union will nur dann einen Zuschuss zahlen, wenn jemand 40 Jahre versichert war und privat vorgesorgt hat. Die SPD verlangt 40 Versicherungs- und 30 Beitragsjahre, will aber die private Vorsorge nicht zur Pflicht machen. Die Grünen fordern lediglich 30 Versicherungsjahre und unterscheiden nicht zwischen Voll- und Teilzeit. Diese Voraussetzungen wären dann auch für viele Frauen zu erreichen, argumentieren sie. Die Linke will eine Mindestrente von 1050 Euro einführen. Die Union will zudem all den Müttern oder Vätern die Rente aufbessern, deren Kinder vor 1992 geboren wurden.

Die Linkspartei will die Rente mit 67 abschaffen. Die anderen halten mehr oder weniger daran fest. Die SPD will die Anhebung des Renteneintrittsalters aber erst voranbringen, wenn mindestens die Hälfte der 60- bis 64-jährigen Arbeitnehmer sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist. SPD und Grüne wollen für Arbeitnehmer außerdem mehr Möglichkeiten schaffen, früher aus dem Beruf auszusteigen, wenn sie diesen gesundheitlich nicht mehr auszuüben können – durch Änderungen bei der Erwerbsminderungsrente und eine Teilrente ab 60. Die FDP will den Renteneintritt flexibilisieren. Ab dem 60. Lebensjahr soll jeder selbst entscheiden können, wann er in den Ruhestand geht, bei entsprechenden Zu- oder Abschlägen.

Union und FDP wollen das System der privaten Krankenkasse erhalten, die Opposition nicht

Was ist in der Gesundheitspolitik geplant?

Hier stehen sich zwei Lager gegenüber. Union und FDP wollen das System erhalten, SPD, Grüne und Linke möchten es von Grund auf verändern. Das Schlagwort für den Umbau lautet „Bürgerversicherung“. Am verhaltensten gibt sich dabei die SPD. Sie will die private Vollversicherung nicht von jetzt auf gleich abschaffen, sondern der Branche erst mal die Neukunden nehmen. Wer bereits privat versichert ist, soll es bleiben dürfen. Allerdings kann er sich binnen eines Jahres zum Wechsel in die neue Bürgerversicherung entschließen. Die Grünen versichern, sie planten „keine Einheitsversicherung“, die Bürgerversicherung könne auch privat offeriert werden. Und die Linke verkündet lapidar, die private Vollversicherung abschaffen und das Angebot der Privaten auf Zusatzleistungen beschränken zu wollen.

Sehr konkret werden die Grünen bei der Finanzierung. Sie wollen die Beitragsbemessungsgrenze auf das in der Rentenversicherung geltende Niveau anheben und alle Einkommensarten zur Finanzierung heranziehen – neben Arbeitseinkommen und Renten auch Aktiengewinne, Zins- oder Mieteinnahmen. Bei der SPD ist nur die Rede von einer „stetig ansteigenden Steuerfinanzierung“. Die Linke will ebenfalls alle Einkommen beitragspflichtig machen, ohne Grenze nach oben. Sie verspricht zudem, alle Zuzahlungen abzuschaffen und die Privatisierung von Kliniken rückgängig zu machen. Gemeinsam ist den Oppositionsparteien, dass sie wieder zur paritätischen Finanzierung zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern zurück wollen. Den Ärzten versprechen SPD und Grüne, dass es für sie auch ohne Privatversicherte zu keinen Honorareinbußen kommt.

Die Union dagegen bekennt sich zum Erhalt von gesetzlicher und privater Krankenversicherung. Versprochen wird im Programm „eine gut erreichbare Versorgung durch Ärzte und Krankenhäuser, vor allem in ländlichen Regionen“. Dazu wolle man „zum Beispiel die Attraktivität des Hausarztberufs steigern“. Krankenkassen, „deren Rücklagen die gesetzliche Mindestreserve um ein Mehrfaches übersteigen“ sollen zur Rückerstattung verpflichtet werden. Die FDP plädiert für eine „starke private Krankenversicherung“ und bei gesetzlich Versicherten für die weitere Abkopplung der Beiträge von den Löhnen. Kassenpatienten sollen auf Rechnung behandelt werden und die Kosten danach erstattet bekommen.

Wie wollen die Parteien die Probleme in der Altenpflege lösen?

Die FDP hat schon einmal das Jahr der Pflege ausgerufen, ohne dass groß etwas passiert ist. Aber nun sind sich alle Parteien zumindest in einem einig: In der nächsten Legislatur muss es eine Pflegereform geben, die diesen Namen verdient. Der Ansatzpunkt ist die Definition von Pflegebedürftigkeit, und der Blick richtet sich vor allem auf die steigende Zahl Demenzkranker: Mit neuen Kriterien will man endlich auch Menschen mit geistigen und psychischen Defiziten besser gerecht werden. Nach jahrelangem Ringen hatte eine Expertenkommission dafür im Juni Vorschläge übergeben. Klar ist vor allem, dass es teurer wird. Und die altbekannten Probleme kommen dazu: Die Zahl der Pflegebedürftigen steigt weiter – und schon jetzt mangelt es wegen der fehlenden Attraktivität des Jobs überall an Pflegekräften. Dennoch bleiben die Ankündigungen von Union und Liberalen mager. Die FDP empfiehlt als Allheilmittel die „Stärkung der Kapitaldeckung“ und will den staatlich geförderten Pflege-Bahr weiter ausbauen. Und die Union kündigt nur vage an, die Pflegeversicherung „weiterentwickeln“ zu wollen – um gleich hinzuzufügen, dass dies den Einzelnen nicht davon entbinde, „seine Eigenverantwortung und Eigeninitiative wahrzunehmen“. Beim Pflege-Bahr soll es bleiben. Allerdings ist im Unionsprogramm auch die Rede von einer „moderaten“ Erhöhung der Pflichtversicherungsbeiträge. Denkbar seien Aufschläge von 0,2 bis 0,3 Prozentpunkten, heißt es dazu in der Fraktion.

Der SPD-Kandidat Peer Steinbrück dagegen hat sich bereits auf eine Steigerung um 0,5 Punkte festgelegt – was immerhin mehr als fünf Milliarden Euro in die Pflegekassen brächte. Zudem sollen 125000 zusätzliche Vollzeitstellen geschaffen werden. Man wolle „zügig eine umfassende Pflegereform einleiten“, steht im SPD-Programm. Und in seinen „Eckpunkten für eine neue Pflege“ hat der Zuständige im Kompetenzteam, Karl Lauterbach, weitere Versprechungen gemacht. Dazu gehört eine neue, unabhängige Begutachtung der Pflegebedürftigen ohne Beteiligung der Kassen, ein Mindestpersonalschlüssel für Pflegeheime und verstärkte psychotherapeutische Betreuung. Die Förderung privater Zusatzversicherungen wollen SPD, Grüne und Linke wieder abschaffen. Stattdessen dringen sie auch auf eine Bürgerversicherung auch in der Pflege, in die alle einzahlen müssen und in die auch Überschüsse der Privatversicherer fließen sollen.

Streit um Kita oder Betreuungsgeld - und die FDP schwankt

Was ändert sich für Familien?

Das zentrale familienpolitische Streitthema zwischen Regierung und Opposition findet sich auch in den Wahlprogrammen: das Betreuungsgeld, das es seit August 2013 für Eltern gibt, die ihre Kleinkinder nicht in eine Kita geben. Während die Union daran festhält, wollen es SPD und Grüne streichen und lieber Geld in den Kitaausbau stecken. Auch die FDP kündigt an, die Wirkung des Betreuungsgeldes zu überprüfen und es dann möglicherweise abzuschaffen. Bei einer Neuauflage von Schwarz-Gelb könnten sich die Liberalen damit aber wohl kaum durchsetzen. Die Linke will das Betreuungsgeld streichen und stattdessen bis zu zehn Monate länger Elterngeld zahlen, also 24 Monate – vorausgesetzt Vater und Mutter nehmen je zwölf Monate Elternzeit. Und auch Hartz–IV-Empfänger sollen Elterngeld erhalten, ohne Anrechnung auf ihre Hilfen.

Beim Ausbau der Kinderbetreuung will die SPD den Ländern Geld geben, um gebührenfreie Kitas zu finanzieren. Die Grünen wollen mehr in die Aus- und Weiterbildung von Erziehern stecken und bundesweite Mindeststandards für die Qualität der Betreuung – etwa, was die Zahl der Kinder angeht, die eine Erzieherin betreut. Auch Union, FDP und Linke versprechen, den Kita-Ausbau voranzutreiben, nennen dafür aber keine konkreten Summen.

Union und FDP wollen die Steuerfreibeträge für Kinder und das Kindergeld anheben. Die SPD kündigt ein „sozial gestaffeltes Kindergeld“ an. Familien mit kleineren Einkommen sollen pro Kind und Monat bis zu 140 Euro mehr erhalten. Bei allen anderen bliebe es bei 184 Euro pro Kind, der Steuervorteil für Familien mit hohen Einkommen soll aber entfallen. Die Grünen versprechen den Einstieg in eine Kindergrundsicherung, die sie aus dem Abschmelzen des Ehegattensplittings finanzieren wollen.

Zur Startseite