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Geschichtsbewusstsein: Sind ältere Lehrer im Osten befangen?

Es ist ein "Stück traurige Normalität", wie der frühere Stasibeauftragte Joachim Gauck feststellt: Brandenburgs Schüler haben große Wissenslücken in der DDR-Geschichte. Unterrichtet werden sie vielfach von ehemaligen SED-Parteimitgliedern.

Das unzureichende Wissen vieler Jugendlicher über die DDR hängt nach Überzeugung des früheren Stasi-Beauftragten Joachim Gauck vor allem mit der Befangenheit der Ost-Lehrer zusammen. Die älteren Lehrer im Osten seien "zu lange selbst Diener der Diktatur" gewesen und versuchten, das Thema DDR im Unterricht möglichst zu vermeiden. Dieses Problem sei beispielsweise aus Brandenburg auch hinlänglich bekannt, sagte der frühere Bundesbeauftragte für die Unterlagen des DDR-Staatssicherheitsdienstes und ehemalige DDR-Bürgerrechtler im Deutschlandfunk.

Gauck erinnerte daran, dass mit der Wende im Osten "die Lehrerschaft sehr großzüßgig übernommen" worden sei. Man habe damals vor allem die DDR-Fachlehrer "nicht einfach auf die Straße setzen" wollen. Überprüfungen hätten sich auf eventuelle Stasi-Verstrickungen beschränkt. Nicht entlassen worden seien zum Beispiel Lehrer, die in der DDR ein SED-Parteibuch hatten oder Parteisekretäre waren. Die hätten aber oft noch "viel verheerender" gewirkt. Gauck fügte hinzu, es gebe auch gute, aufgeklärte Lehrer, die kein Problem hätten, die DDR-Geschichte zu besprechen

Gauck: Wissenlücken sind nicht die Schuld der Jugendlichen

Gauck betonte, der Jugend könnten die Wissenslücken nicht angelastet werden. Seiner Erfahrung nach seien Jugendliche sehr interessiert an der DDR-Thematik. Dass heute viele Jugendliche so wenig über die DDR wüssten, sei gleichwohl "ein Stück traurige Normalität und zum Kotzen".

Der Theologe kritisierte in dem Zusammenhang die verbreitete DDR-Nostalgie, die einerseits von der früheren PDS politisch genutzt werde, andererseits von den Menschen getragen sei, die meinten, es könne früher nicht alles schlecht gewesen sein. Als "große Irrtümer" bezeichnete Gauck Meinungen, die DDR wäre ein "Arbeiterparadies" und besonders sozial gewesen. Diese Irrtümer seien leicht zu durchkreuzen. Wer die Fakten kenne, könne dem "dumpfen Nebel der Nostalgie" nicht erliegen.

Die Studie des Forschungsverbunds SED-Staat an der Freien Universität Berlin hatte ergeben, dass die Trennlinien zwischen Demokratie und Diktatur vielen Schülern offenbar nicht bekannt sind. So habe nicht einmal die Hälfte den SED-Staat explizit als Diktatur bezeichnet und mehr als ein Viertel diese Einstufung ausdrücklich abgelehnt. Mehr als 80 Prozent der Schüler gaben an, nur wenig über die DDR und die deutsche Teilungsgeschichte zu wissen, da sie in der Schule - wenn überhaupt - nur am Rande behandelt werden. Das DDR-Bild resultiere eher aus Gesprächen in der Familie und aus Filmen. (saw/ddp)

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