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Training. Jan Meiser in seinem Boxgym.

© Lukas Gasterer

Berliner Boxer: Der Muhammad Ali von Hellersdorf

Jan Meiser, geboren in Stepnogorsk, Kasachstan, aufgewachsen in Berlin, will die Welt mit den Fäusten erobern. Dafür muss er nicht nur im Ring hart kämpfen. Eine Vorschau auf unser Magazin "Tagesspiegel BERLINER".

Bevor Jan Meiser morgens in den Boxring steigt, muss er seinen schwersten Kampf gewinnen. Den mit seiner Oma. »Guten Morgen«, sagt er und gibt ihr einen Kuss auf die Wange, gleich nachdem sie ihm die Tür ihrer Parterrewohnung in Berlin-Hellersdorf geöffnet hat. Hier ist Jan aufgewachsen. Ein schmaler Flur, drei Zimmer, statt Türen hängen dünne Vorhänge wie Gardinen in den Rahmen. Bilder und Fotos an den Wänden, Jan ist oft darauf zu sehen. Ein Ort zum Verweilen.

Aber Jan hat es eilig. Schnell huscht er von Zimmer zu Zimmer und sammelt seine Sachen zusammen. Stiefel, Boxhandschuhe, Hose, Shirt, ein Handtuch zum Duschen. So, als wolle er dem Gespräch mit seiner Oma ausweichen wie den Fäusten seiner Gegner. Gleich die erste Frage ein verbaler K.o.-Schlag: »Jan, wann hörst du endlich mit dem Boxen auf?«. Kurzes Seufzen. »Ach, Oma, du weißt doch. Nicht bevor ich gutes Geld verdiene.« »Was ich weiß, ist, dass Boxen viel zu gefährlich ist. Immer auf den Kopf, immer drrrauf, drrrauf, drrrauf.« Aus der ehemaligen Sowjetrepublik Kasachstan stammt seine Oma Lydia. Das gerollte R hat sie mitgebracht. Sie wacht über die Familie, was ihr Enkel treibt, ist Grund für ein tägliches Klagelied. Als Jan geht, wird aus ihrer Frage eine Aufforderung: »Jan, hör endlich auf!«

"Sieh dir das an, Junge!"

Aber Jan, den alle in seinem Umfeld nur beim Vornamen nennen, 23 Jahre alt, 1,80 Meter groß mit kurzen, hellbrauen Haaren, grünen Augen und weichen, noch kindlichen Gesichtszügen hat nicht vor, mit dem Boxen aufzuhören. Er fängt jetzt erst so richtig damit an. Weltmeister möchte er werden. Und als Profi von seinem Sport leben können, Geld damit verdienen. Davon träumt er, seit ihn sein ehemaliger Manager vor fünf Jahren mitnahm nach New York. Dort stoppten die beiden auf der Reise zu einem Junioren-Box-Event in Kanada. Der Manager mietete ein Hotelzimmer direkt am Central Park, mit Panoramafenster und Blick auf die gigantische Grünfläche mitten in dieser gigantischen Stadt. Am Morgen, als Jan nach dem Aufstehen vor dem Fenster stand und auf den Park schaute, trat sein Manager hinter ihn. »Sieh dir das an, Junge, und merk dir, wie du leben kannst, wenn du es ganz nach oben schaffst,« sagte er. Das Bild vom Central Park hat Jan nie mehr vergessen, es ist stets in seinem Kopf. Es treibt ihn an, wenn ihm nach 80 Liegestützen die Kräfte schwinden und er doch 100 machen will oder wenn der Weg zur Trainingshalle ihm morgens lang wird, weil er eigentlich keine Lust hat. Der Central Park ist seine Tankstelle, immer dann, wenn ihm das Benzin auszugehen droht.

New York war ein kalkulierter Zwischenstopp. Der Manager wusste um Jans Talent und suchte nach einem Weg, ihn zu motivieren. Das erste Mal Berliner Meister ist Jan schon mit zehn Jahren geworden, dann wieder mit elf und mit dreizehn Jahren. Später Deutscher Meister und dreifacher Junioren-Weltmeister bei den Amateuren. Als Profi hat er vierzehn Kämpfe bestritten, zwölf davon gewonnen, acht durch K.O. Ein Unentschieden, eine Niederlage, alles im Mittelgewicht, wo man bis zu 75 Kilo wiegen darf. Eine Gewichtsklasse mit langer Tradition und eine, die sich vermarkten lässt, der es derzeit in Deutschland aber an einem Gesicht fehlt. Jan will dieses Gesicht werden.

Der Raum wirkt zu klein für all die Geräte

Wenn es einen Ort in Berlin gibt, der nichts vom Flair des Central Parks versprüht, dann ist es die Sporthalle am Teterower Ring, nahe der U-Bahnstation Kaulsdorf-Nord. Wer von dort zur Halle will, muss vorbei am Dream Shop, am Dream Barbier, am Dream Cafe, am Dream Bistro und am Dream Club. Alle Läden gehören einem Unternehmer aus Wedding, der Jan als Sponsor unterstützt.

Sehnsucht. In Meisers Boxgym in Hellersdorf.
Sehnsucht. In Meisers Boxgym in Hellersdorf.

© Lukas Gansterer

Oben in der zweistöckigen Halle, zweihundert Meter vom Dream Club entfernt, befindet sich Jans Box-Gym. Eine Betontreppe führt hinauf zu einer schweren Stahltür. Das Ambiente gleicht von außen einem Szeneclub in Mitte, wo Besucher ein Klopfzeichen oder ein Codewort drauf haben müssen, um reinzukommen. Jan hat einen Schlüssel, aber den braucht er an diesem bedeckten Junitag nicht. Die Halle ist offen, einige Boxer sind schon da. Der Raum wirkt zu klein für all die Geräte. Sandsäcke, Punching-Bälle, Ergometer, Hantelbänke, Medizinbälle, dazu ein Boxring im Hauptraum. Im Nebenraum stehen eine kleine Sofa-Ecke und eine Bar, die ganz ohne Flaschen auskommt. Es gibt nur einen alten Wasserspender und einen noch älteren Kühlschrank. An der Wand hängt ein Poster: Muhammad Ali, damals noch Cassius Clay, wie er über den gerade zu Boden gegangenen Sonny Liston triumphiert. Das wohl ikonischste Bild in der Geschichte des Boxens.

Wenn Sie wissen wollen, wie es weitergeht mit Jan Meiser, und mehr der fantastischen Fotos von Lukas Gansterer sehen wollen, lesen Sie weiter in unserem Magazin "Tagesspiegel BERLINER". Der untenstehende Link führt Sie schnell und kostenlos zum ePaper - nach einer wirklich schnellen und unkomplizierten Registrierung!

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