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Protest gegen Gentrifizierung in Schöneberg (Archivbild).

© Kitty Kleist-Heinrich

Zweckentfremdung und Eigenbedarf: Die Mieterstadt Berlin ist längst nicht gerettet

Gegen eine überhöhte Miete und gegen eine Kündigung: Gleich zwei Gerichte haben zugunsten von Mietern entscheiden. Das ist gut - aber reicht nicht zur Lösung der vielen Probleme am Wohnungsmarkt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Nowakowski

Zwei Urteile – und ein guter Tag für die Mieter. Das Berliner Landgericht hat die Gültigkeit der Mietpreisbremse bestätigt und der Bundesgerichtshof in Karlsruhe die Kündigung eines Mieters zurückgewiesen und damit das seit 2014 geltende Zweckentfremdungsverbot gestärkt.

Berlin, die Mieterstadt, ist damit aber längst nicht gerettet. Die Immobilien hier sind zu attraktiv, als dass nicht mit immer neuen Winkelzügen versucht würde, Regeln und Gesetze auszuhebeln. Der Preis regiert den Markt; die Mieter – und auch die rot-rot-grüne Koalition – können sich dem nicht entziehen. Im Koalitionsvertrag etwa wird den städtischen Wohnungsgesellschaften aufgegeben, bis 2021 rund 25.000 Wohnungen zu kaufen, um den öffentlichen Sektor zu stärken. Ob das gelingt, ist offen. Erst kürzlich unterlagen sie beim Verkauf von einigen tausend Wohnungen gegen private Investoren.

Auch das Zweckentfremdungsverbot entfaltet in Berlin trotz des gestrigen Urteils längst nicht die Kraft, die sich der Gesetzgeber vorstellte. Auf den Vermittlungsportalen finden sich weiterhin genug Ferienwohnungen in der Hauptstadt. Das Abschreckungspotenzial ist längst verpufft. Wer nur die eigene Wohnung anbietet, kann ziemlich sicher sein, nicht kontrolliert zu werden. Die Bezirksämter haben zu wenig Personal; zudem dürfen Mitarbeiter aus Datenschutzgründen nicht selbst im Netz nach Anbietern fahnden. Das Zweckentfremdungsverbot ist zudem leicht zu umgehen: Wird die Wohnung für zwei Monate vermietet, gilt das als regulärer Mietvertrag.

Teure Neubauten ziehen die Mietpreise insgesamt in die Höhe

Bei der Mietpreisbremse ist es ähnlich. Erstens gelten die Mietobergrenzen nur für vorhandene Wohnungen, nicht für Neubauten. Die können ganz nach Gutdünken angeboten werden. Weil diese Wohnungen aber in den nächsten Mietspiegel miteinbezogen werden, hat das ebenfalls preistreibende Wirkung. Immer mehr Wohnungen werden auch möbliert vermietet, weil für die der Mietspiegel ebenfalls nicht gilt. Hochgetrieben werden können die Mietpreise schon vor Baubeginn. Etliche Immobilienentwickler haben sich darauf verlegt, sich eine Baugenehmigung zu holen, dann aber nicht zu bauen, sondern zu warten, bis die Bodenpreise steigen, um zu verkaufen.

Allen Willensbekundungen zum Trotz sind die Möglichkeiten des Senats begrenzt. Das macht die Bemühungen nicht überflüssig, nur gibt es kein Allheilmittel. Eine schärfere Mietpreisbremse kann eh nur die Bundesregierung erlassen. Und jedes Gesetz stachelt die Kreativität der Bauherren und Vermieter an, Schlupflöcher zu finden. Aufgeben aber ist keine Lösung. Das Modell der kooperativen Baulandentwicklung, bei dem sich private Bauherren verpflichten müssen, einen Anteil niedrigpreisiger Wohnungen für Geringverdiener zu errichten, ist ein Weg.

Baugenehmigungen zeitlich zu befristen, wie es Bausenatorin Katrin Lompscher plant, um so Spekulation zu verhindern, ist ebenfalls eine gute Idee. Vor allem aber wird es darauf ankommen, dass die städtischen Wohnungsgesellschaften die im Koalitionsvertrag vereinbarten 30.000 neuen Wohnungen errichten. Nur wenn das Angebot groß genug ist, wird die Macht des Marktes eingedämmt und bleiben die Mieten bezahlbar.

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