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Abschied in die großen Ferien: Patenschüler aus den zehnten Klassen zusammen mit den Schülern der Sprachlernklassen. Vorn Lehrerin Susanne Großmann, Schulleiter Jens Stiller sowie Deutsch- und Philosophielehrer Lutz Armbrust (v.l.n.r.)

© DAVIDS/Sven Darmer

Willkommensklassen am Dreilinden-Gymnasium: Flüchtlinge erhalten feierlich ihre Zeugnisse

Am Dreilinden-Gymnasium in Wannsee wurden drei Willkommensklassen für Flüchtlinge eingerichtet. Nun wurden feierlich die Zeugnisse verliehen.

Samer liebt das Theater. Auf der Bühne des Dreilinden-Gymnasiums schlüpft er in drei verschiedene Rollen, trägt zur Feier des Zeugnistages Krawatte, und in den Ferien will er bei einem Discounter jobben. Vor ein paar Monaten ist er mit einem kaputten Schiff aus der Türkei gekommen, Griechenland hat er schwimmend erreicht. Auf seinem Zeugnis steht, er sei ein „überaus freundlicher Schüler. Hilfsbereit und engagiert“.

Samer gehört zu den Hunderten unbegleiteten Jugendlichen, die 2015 nach Berlin kamen und auf die Schulen verteilt wurden. Irgendwann war auch das Dreilinden-Gymnasium in Wannsee dran: Drei Willkommensklassen wurden eingerichtet, die hier „Sprachlernklassen“ heißen. Und dann begann das Wunder, das man am Mittwoch bestaunen konnte.

Wenn man nach der Menge des Applauses geht, der in der Aula aufbrandete noch bevor ihr Name fiel, hängt dieses Wunder ganz eng mit Susanne Großmann zusammen. Die gebürtige Dresdnerin, 34, hatte schon ein paar Jahre als Deutschlehrerin in Moldawien und Kirgisistan hinter sich, als sie 2014 ihr Referendariat am Dreilinden-Gymnasium antrat. Gerade als sie sich schon wieder nach dem Ausland zu sehnen begann, kam das Ausland zu ihr. In Person von Samer, Reza, Iyad, Yassin und all den anderen. Als ihr Schulleiter Jens Stiller die Kollegen fragte, wer sich um die Flüchtlinge kümmern will, hat sie sich gemeldet. Das war im November.

Deutsche Mitschüler übernahmen Patenschaften

„Die Weltgeschichte hat bei uns an die Tür geklopft“, nennt Jens Stiller das, was sich im letzten Herbst an seinem Gymnasium abspielte. Da war der erfahrene Schulleiter gerade erst selbst ganz frisch an die Schule gekommen. Susanne Großmann hat dann erstmal die richtigen Lehrbücher gekauft und alle zusammen haben ein Konzept gebastelt, bei dem die deutschen Mitschüler eine zentrale Rolle spielen, indem sie Patenschaften übernehmen. Und das klappte so gut, dass das Gymnasium als eine von sechs Schulen bei der deutschlandweiten Aktion „Schüler helfen Flüchtlingen“ als Vorbild ausgezeichnet wurde. Auch dieses Zeugnis wurde am Mittwoch vergeben.

Um zu verstehen, was alles passiert ist in diesen acht Monaten und wie alles zusammenwuchs, hat die Schule einen kleinen Film gedreht und am Mittwoch gezeigt, denn vom ersten Tag an haben sie ihr gegenseitiges Kennenlernen festgehalten: Den ersten Willkommensbrunch, das World-Café, den Arabischkurs für die Lehrer, die Kochaktion, das Kunstprojekt und das Patentraining, die gemeinsame Klassenraumrenovierung, die Exkursion zur Grünen Woche, das Entstehen der Sprachlernklassen, das Zusammentreffen mit den Schülern aus der Austauschpartnerschule in Haifa. Ja, auch das ging gut über die Bühne, obwohl doch unter den Flüchtlingen etliche Palästinenser, etwa aus Syrien, sind.

Aber jetzt ist das Schuljahr vorbei. Was wird nach den Ferien? Einige Flüchtlinge können am Dreilinden-Gymnasium bleiben. Zum Beispiel Yassin, 15, der einen richtigen „Grammatikfimmel“ hat, gern Schach spielt und sowohl Fußballer als auch Arzt werden will. Oder sein Freund Reza, 14, aus Afghanistan, der sich die Haare Hennarot gefärbt hat und jeden Tag aus Hermsdorf kommt. Und Iyad, 15, aus Aleppo, für den das Dreilinden-Gymnasium „das Beste an Deutschland“ ist. Sein Lehrer Lutz Armbrust nennt ihn „einen meiner besten Schüler“.

Sie lachen und albern herum, haben die Blumen und ihre Zeugnisse in der Hand und stehen mit dem Krawattenliebhaber Samer in der Sonne vor der großen Treppe ihrer Schule und fast könnte man vergessen, dass dies Jugendliche im Ausnahmezustand sind. Aber da ergreift Yassin nochmal das Wort und sagt: „Mein Traum ist, dass ich meine Familie wieder sehe“.

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