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Procambarus clarkii, so die korrekte Bezeichnung für den Eindringling aus Nordamerika, unterwegs im Großen Tiergarten.

© Gregor Fischer/dpa

Wildes Berlin: Eingewanderte Krebse bevölkern den Tiergarten

Invasive Krebsarten aus Nordamerika dringen bis in die Mitte Berlins vor. Das lässt sich am Tiergartenufer beobachten.

Auf dem Weg zur Arbeit bremste Marcel R. Aulbach an einem frühen Augustmorgen des vergangenen Jahres plötzlich sein Fahrrad. Ein tiefrot gefärbter Krebs krabbelte am Tiergartenufer entlang, so groß wie ein Handteller. "Schien auf Pöbelei aus zu sein", kommentierte der Charlottenburger. Sobald er sich näherte, stellte sich das Tier auf und schwenkte seine dornenbewehrten Zangen. Es war ein Roter Amerikanischer Sumpfkrebs, nahm damals Berlins Wildtierexperte Derk Ehlert an – eine Art, die aus Europa ferngehalten werden soll.

In diesem Jahr haben solche Begegnungen keinen Seltenheitswert mehr. „Wir bekommen fast täglich Anrufe, dass die wandernden Tiere gesichtet wurden“, sagt Ulrike Kielhorn, Naturschutzreferentin beim Nabu Berlin. Besonders häufig werden die Tiere im Tiergarten um den Neuen See herum beobachtet. Passanten berichten verunsichert von „roten Skorpionen“, andere nehmen die Tiere mutig in die Hand.

Auf Wanderschaft zu neuen Gewässern

Zum ersten Mal hätten sich die Krebse „massiv raus begeben“, sagt Kielhorn. Während sie in Vorjahren lediglich in den frühen Morgenstunden des Hochsommers das sauerstoffarme Wasser verlassen, wollen sie nun vermutlich neue Gewässer besiedeln. Auch die hohen Wasserpegel nach dem regenreichen Sommer könnten dazu beigetragen haben, vermutet Ehlert. Die Krebse leben in selbstgebuddelten Röhren im Böschungsbereich: „Wenn das Wasser steigt, verlassen sie das sinkende Schiff.“

Bedrohung für heimische Arten

Die Entwicklung macht Derk Ehlert Sorgen. Gemeinsam mit anderen invasiven Arten aus Nordamerika wie dem Marmor- und dem Kamberkrebs oder der Chinesischen Wollhandkrabbe bedrohen die Einwanderer heimische Arten. Weniger durch Verdrängung als durch mitgebrachte Krankheiten - wie die für bestimmte Arten tödliche Krebspest. Sie selbst sind immun gegen diese Krankheit, übertragen sie aber auf andere Krebsarten.

Wie kam der rote Krebs nach Berlin?

Die Wege der Einwanderung nach Nordeuropa sind vielfältig. Es können Züchter gewesen sein, die ihre in Aquarien gehaltenen Tiere ausgesetzt haben oder Angler, die mit ihrer Gummikleidung in Nordamerika im Wasser gestanden haben und unwissend Krebseier mit nach Deutschland brachten. Auch in einem Freibad in Frankfurt am Main wurden die Krebse bereits gesichtet. In Asien und Nordamerika werden die Tiere sogar gezüchtet, um ihr delikates Fleisch zu verkaufen.

Auch aus anderen Berliner Gewässern im Südwesten sind Ehlert die tiefroten Krebse bekannt. Die Allesfresser ernähren sich von toten Ratten, Würmern und verendeten Fischen. Schon vor sieben Jahren bemerkte das Schifffahrtsamt einen weiteren Eindringling aus Nordamerika am Urbanhafen - den Kamberkrebs.

Aus Sicht der Naturschützer müssten die Exoten am Tiergarten eingesammelt werden - das gilt aber als Wilderei. Um sammelnd einzugreifen, sei es zu spät, schätzt dagegen Ehlert. „Es sind schon zu viele.“ (mit dpa)

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