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Erster Halt: Wernerwerk. Der Bahnhof an der Siemensdamm ist heute mit Stacheldraht gesichert, im Erdgeschoss befindet sich eine Kneipe. Kunden kommen aber schon seit 1980 nicht mehr mit der S-Bahn. Wer die Strecke erkunden will, muss Glück haben - selten bieten Bezirk, Bahn oder Ortsvereine Führungen an.

© André Görke

West-Berlin und die Reichsbahn: Ein Bahnstreik, der 35 Jahre nachwirkt

Erst zwei Wochen keine S-Bahn, dann die Stilllegung vieler Strecken: Der West-Berliner Eisenbahnerstreik von 1980 hatte weitreichenden Folgen - die bis heute nachwirken.

Ein langer Eisenbahnerstreik vor fast 35 Jahren war wohl der folgenreichste für das damals noch geteilte Berlin: 1980 legten die Beschäftigten der Reichsbahn in West-Berlin die Arbeit nieder. Damals wurde das Netz in der geteilten Stadt von der DDR-Staatsbahn betrieben, was eine merkwürdige Folge des Zweiten Weltkriegs war. Auch die S-Bahn gehörte dazu, deren Fahrgastzahlen aber nach dem Mauerbau um 80 Prozent zurückgingen.

Aus Protest gegen die Schließung der Grenze hatte der damalige Regierende Bürgermeister Willy Brandt (SPD) gemeinsam mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund dazu aufgerufen, die Züge zu boykottieren. Motto: "Der S-Bahn-Fahrer zahlt den Stacheldraht." Der Niedergang eines leistungsfähigen Nahverkehrssystems war die Folge. Der Ausbau der U-Bahnstrecken unter Regie der West-BVG wurde vorangetrieben, teilweise entstanden Linien sogar parallel zur S-Bahn.

Der Reichsbahn wurde der Betrieb in den folgenden Jahren zunehmend zu teuer, denn es fehlten mit den Fahrgästen ja auch die Einnahmen. Ganz nach kapitalistischer Methode begann das sozialistische Verkehrsunternehmen aus dem Osten beim Personal und bei Investitionen zu sparen. Anfang der 1980er wollte die DDR-Bahn den Verkehr sogar stark einschränken. So war geplant, wie der Tagesspiegel damals enthüllte, zwischen 21 und 5 Uhr fast alle Züge im Depot zu lassen.

„Überstunden, die miese Stimmung innerhalb des Betriebes, eine geringe Lohnerhöhung sowie ein neuer Fahrplan brachten im September 1980 das berühmte Fass zum Überlaufen“, heißt es dazu auf der Internetseite stadtschnellbahn-berlin.de über „Geschichte und Geschichten der Berliner S-Bahn“. Das Personal in den Zügen, auf den Bahnsteigen und Stellwerken legte die Arbeit nieder. Dies besiegelte aber das Ende auf den meisten Strecken. Nachdem der Streik nach zwei Wochen beendet war, ließ die Reichsbahn nur noch Bahnen zwischen Frohnau und Lichtenrade, Heiligensee und Lichterfelde Süd sowie zwischen Wannsee und Friedrichstraße fahren. Die meisten Reichsbahner verloren ihre Jobs oder wurden gekündigt.

Das Siechtum der S-Bahn dauerte noch bis 1984, ehe der West-Berliner Senat sich bereit erklärte, den Rumpfbetrieb zu übernehmen. Die DDR-Bahn war damit ein Problem los. Und der legendäre BVG-Direktor Joachim Piefke, der gern Fliege zum Anzug trug, hatte plötzlich ein "liebstes Kind" - zum Erstaunen vieler West-Berliner. Zehn Jahre später ging S-Bahn (West) zurück zur großen Eisenbahn. Die Deutsche Bahn AG, in der Bundes- und Reichsbahn aufgingen, trat auf den Plan.

Auf vielen der 1980 stillgelegten Bahnhöfe hielten übrigens erst Jahre nach dem Mauerfall wieder Züge. Auf der der so genannten Siemensbahn nach Gartenfeld und auf der Strecke nach Düppel fuhren sogar nie wieder Züge - der Streik von 1980 wirkt bis heute nach.

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