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1989. Vor 26 Jahren endete West-Berlin gleich hinterm Weihnachtsbaum. Und auf dem Brandenburger Tor wehte die schwarz-rot-goldene Fahne mit dem Staatswappen der DDR. Die Mauer wurde hier erst kurz vor Heiligabend geöffnet.

© Sven Simon / Imago

Weihnachten im Kalten Krieg: Als Berlin zum Fest die getrennten Familien zusammenführte

Weihnachten eilten schon immer die Menschen nach Berlin, ob nach West oder Ost - im Kalten Krieg per Interzonenzug und nicht ohne Hindernisse. Erinnerungen an Jahre der Teilung.

Zwei Millionen Menschen werden an diesem Weihnachten 25 Jahre nach der Wiedervereinigung bis in die ersten Tage des neuen Jahres Gäste in Berlin sein – Touristen aus aller Welt, die von „Visit Berlin“ mit einer Werbekampagne in die Hauptstadt gelockt wurden, auf die Spuren von Weihnachtsmärkten, Konzerten, Shoppingerlebnissen und der Suche nach der Ausstrahlung dieser Stadt.

Dass Berlin von jeher aber auch der große gesamtdeutsche Familientreffpunkt war, oft von Ängsten um die Verwandten in der DDR überschattet, gerät dabei fast in Vergessenheit. Allenfalls erinnern wir uns noch an die turbulente Weihnacht 1989, in der Stadt der seit wenigen Wochen offenen Mauer, beseelt von einem unbeschreiblichen Glücksgefühl, das keine Sorgen und Bedenken kannte.

Gerade hatte Willy Brandt noch, es war der 18. Dezember, mit seinem „Nun wächst zusammen, was zusammen gehört“ – ohne es zu ahnen – die Situation in einem historisch gewordenen Satz zusammengefasst. Einem Satz, dem Helmut Kohl einen Tag später vor den Ruinen der Frauenkirche in Dresden unter unbeschreiblichem Jubel sein „Mein Ziel bleibt, wenn die geschichtliche Stunde es zulässt, die Einheit unserer Nation“ hinzufügte.

An die Einheit der Nation denken konnte man in West-Berlin in den Jahrzehnten davor allenfalls mit bangem Herzen, und die Besucher aus Westdeutschland zu Weihnachten waren jedes Jahr ein wichtiger Indikator dafür, ob die Stadt ins bundesrepublikanische Vergessen zu geraten drohte.

Wie viele Menschen kamen? Wurden Sonderzüge eingesetzt, boten PanAm und BEA Sonderflüge? Gab es auf den Interzonenstrecken Behinderungen? Ging die Abfertigung in Helmstedt problemlos? Das waren in den Jahren bis zum Viermächteabkommen über Berlin vom 3. September 1971 Fragen, die auch die Zeitungen beschäftigten.

1962 war für Westberlin ein bitteres Weihnachten

In keiner Ausgabe des Tagesspiegels bis zum Weihnachtsfest 1988 fehlten solche Meldungen auf der ersten Seite und im Berlinteil, und oft waren es die Aufmacher, 1962 und 1972 etwa, wobei 1962 für die West-Berliner ein besonders bitteres Fest war, denn zum zweiten Mal konnten sie ihre Verwandten im Ostteil der Stadt nicht besuchen.

Das ändert sich erst 28 Monate nach dem Bau der Mauer zu Weihnachten 1963 mit dem ersten von vier Passierscheinabkommen. Heute erscheint es als rührende Reminiszenz, wenn am 24.12.1955 auf der Titelseite steht: „Stärkster Weihnachtsverkehr seit 1945“ – und weiter im Text: „Die acht planmäßigen und drei zusätzlichen Interzonenzüge waren in Richtung Berlin zu 200 Prozent besetzt ... verschiedentlich mussten Frauen und Kinder zurückbleiben, weil sie sich in dem Gedränge keinen Platz erobern konnten.“ Heute kann die Bahn auf Anfrage nicht einmal mehr sagen, wie viele zusätzliche Züge sie an Weihnachten einsetzt.

Ein Jahr später, 1956, meldet der Tagesspiegel „75 000 Besucher an den Feiertagen erwartet“, und man liest: „Bei den (überfüllten) Nachtzügen kletterten die Reisenden mitunter durchs Fenster.“

1961, die erste Weihnacht nach dem Mauerbau, besteht die halbe Seite eins des Tagesspiegels aus Durchhalteappellen des Regierenden Bürgermeisters, den Weihnachtsbotschaften des britischen und französischen Stadtkommandanten und der wohl als Beruhigung gedachten Notiz, dass ein amerikanischer Militärkonvoi nach einer viertägigen Übung in der Bundesrepublik ohne Zwischenfälle über die Interzonenautobahn nach West-Berlin zurückkehren konnte.

Auch die Ost-Berliner Medien berichteten getreulich, aber weniger spektakulär, über den Weihnachtsverkehr. Dem „Neuen Deutschland“ ist es am 25. Dezember 1956 ein Zweispalter wert, über die stark ausgelasteten Interzonenzüge zu schreiben – es waren ja Züge, die die Reichsbahn stellte. 32 Jahre später, am 17. Dezember 1988, meldet das ND dann 312 Entlastungszüge der Reichsbahn von und nach Ost-Berlin.

Es waren eben beide Berlins große Familientreffpunkte.

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