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Oft behindern Rad- und Autofahrer sich gegenseitig.

© dpa

Wahl-Serie: Verkehr: Und sie bewegen sich doch

Probleme haben sie alle: Fußgänger, Radler und Autofahrer. Oft behindern sie sich auch gegenseitig. Die Parteien haben große Lösungen – aber im Kleinen tun sie sich schwer. Ein Überblick auf den Alltag auf Berlins Straßen.

In Bewegung sind wir alle. Zu Fuß, mit dem Rollstuhl, auf dem Fahrrad, in Bahnen und Bussen, auf dem Motorrad oder im Auto. Aufgabe der Politiker und der Planer ist es, hier Lösungen zu finden, die es ermöglichen, schnell und sicher ans Ziel zu kommen. Aber wie sieht der Alltag aus?

ZU FUSS

Fußgänger sind in der Mehrheit. Immerhin 32 Prozent aller Wege in der Innenstadt werden per pedes zurückgelegt. Das ist gar nicht so einfach. Gehwege sind häufig zu Stolperfallen geworden. Bis zu 80 Prozent der Anlagen sind nach Angaben des Bezirksamts in Marzahn-Hellersdorf sanierungsbedürftig. Nur etwas besser sieht es in Lichtenberg, Steglitz-Zehlendorf, Tempelhof-Schöneberg und Reinickendorf aus. Dort muss „nur“ mehr als die Hälfte der Gehwege erneuert werden. Am besten schneidet Mitte ab, das einen Erneuerungsbedarf von 15 Prozent gemeldet hat.

Doch auch dort, wo es sich gut laufen lässt, müssen Fußgänger aufpassen. Radfahrer machen ihnen inzwischen zunehmend den Platz streitig. Gern kommen sie auch von hinten und überholen mit knappem Abstand. Ein kleiner Schritt zur Seite kann fatale Folgen haben – für beide Seiten. Es sind nicht nur die „Kampfradler“, die zu einer Gefahr für Fußgänger werden können. Auf einem kurzen Abschnitt an der Brandenburger Straße in Wilmersdorf waren es beim Test eine etwa 50-jährige Frau und ein Jugendlicher, die den Gehweg zur Fahrbahn gemacht hatten.

Wenn trotzdem alles gut geht, lauert schon das nächste Problem: Das Überqueren breiter Fahrbahnen, an denen es eine Mittelinsel gibt. Nur wer zügig laufen kann, schafft es an Ampeln in einem Rutsch auf die andere Straßenseite; die anderen müssen warten, bis es zum zweiten Mal Grün für sie wird. Die Gehzeiten sind in der Regel knapp bemessen, damit die Autofahrer möglichst eine Grüne Welle erwischen.

Ärger gibt es oft auch, wenn Autos rechts abbiegen und auf Fußgänger treffen, die die Straße überqueren, auf die das Auto einbiegen will. Schaltet die Ampel um, während der Fußgänger noch auf der Fahrbahn ist, fordert so mancher Autofahrer mehr oder weniger aggressiv mit Verweis auf das rote Licht zur Eile. Versuche mit Ampeln, die anzeigen, wie lang die Grünphase noch dauert, hat es gegeben. Mehr ist aber zumindest bisher nicht herausgekommen.

In ihren Wahlprogrammen bleiben die Parteien vage bei Aussagen, wie sie das Vorankommen der Fußgänger verbessern wollen. Mehr Platz soll es für sie geben, heißt es übereinstimmend, ohne konkreter zu werden.

AUF DEM RAD

Ja, wir sind mit'm Radl da – und es sollen immer mehr werden, die sich strampelnd fortbewegen. Radstreifen auf der Fahrbahn erleichtern inzwischen das Radler–Leben; die Benutzungspflicht für oft schmale und auch noch marode Radwege auf Gehwegen ist bis auf wenige Ausnahmen aufgehoben. Auch auf der Uhlandstraße in Wilmersdorf gibt es schon seit Jahren einen solchen Radstreifen auf der Fahrbahn – imNorden exakt bis zur Bezirksgrenze an der Lietzenburger Straße. Nach der Kreuzung werden die Radfahrer auf Charlottenburger Boden mitten in den Autoverkehr geschickt. Auch im vereinigten Bezirk scheint es keine einheitliche Planung zu geben.

Richtung Süden ist vor der Kreuzung auf Charlottenburger Gebiet lediglich eine Aufstellfläche für Fahrräder markiert – und diese war bei einem Test zugeparkt. Überhaupt: Beim Abfahren am Morgen war der Radstreifen mehrfach blockiert – von Lieferwagen, von einem Umzugslaster, vom Paketauslieferer und auch vom Müllfahrzeug. Auch mehrere Personenwagen standen auf der Radspur, obwohl es jetzt in der Ferienzeit ganz in der Nähe reguläre freie Parkplätze gab.

Aber auch ohne blockierte Extra-Spuren kann es für Radler eng werden. Am Bahnhof Friedrichstraße blockierte bei einer Testfahrt ein Lieferwagen die rechte Fahrbahn so, dass für die Radler nur ein ganz schmaler Streifen zwischen Fahrzeug und den Schienen der Straßenbahn blieb – was zum Sturz führen kann, wenn man in die Schiene gerät. Und an der Hauptstraße in Schöneberg stand ein Auto auf dem Radweg, der zum Gehweg gehört, obwohl der Streifen dort deutlich rot markiert ist.

Einig sind sich alle Parteien bei dem Ziel, den Radverkehr zu fördern. Grüne und Linke wollen weitere Fahrradstreifen an Hauptverkehrsstraßen, wie es auch die Initiative Volksentscheid Fahrrad fordert – und der ADFC (siehe Seite 7). Schnellwege stehen ebenso in den Wahlprogrammen. Die CDU will sich auf stillgelegte Bahntrassen konzentrieren. Die SPD setzt auf weitere Begegnungszonen mit der „Priorität für den Fuß- und Radverkehr“.

IN BUS UND AUTO

Busfahrgäste und Autofahrer haben ähnliche Probleme. Sie leiden unter den Baustellen. Gleich mehrere gibt es jetzt in den Ferien – unter anderem in Mitte auf der Leipziger Straße, in Charlottenburg am Tunnel unter dem Adenauerplatz, in Schöneberg auf der Martin-Luther-Straße, in Tiergarten auf der Potsdamer Brücke, in Lichtenberg auf der Möllendorfstraße und in Köpenick auf der Dahlwitzer Landstraße. Hinzu kommen die Arbeiten auf der südlichen Autobahn A 113, wo zwischen Späthstraße und Adlershof die Fahrbahnen saniert werden. Das aber kann wenigstens den Busfahrgästen egal sein.

Leiden muss derzeit unter anderem, wer auf der Linie 200 ((Zoologischer Garten–Prenzlauer Berg/Michelangelostraße) unterwegs ist. Baustellen bremsen die Fahrt auf der Budapester Straße, auf der Tiergartenstraße, auf der Leipziger Straße sowie Unter den Linden.

Schneller sein kann der Bus auf Busspuren, die auch Radfahrer, Taxis und Rettungsfahrzeuge nutzen dürfen. Mehr als hundert Kilometer gibt es in der Stadt. Großen Zuwachs hat es in den vergangenen Jahren allerdings nicht mehr gegeben. Und oft geht es den Busfahrern wie den Radlern: Ihre Spuren sind zugeparkt.

Auf der kurzen Fahrt vom Olivaer Platz in Charlottenburg zum Bahnhof Zoo musste der Fahrer beim Test sechs illegal haltenden Autos ausweichen. Noch schlimmer traf es die Linien M 48 und M 85, wo die Busspuren auf der Hauptstraße am Nachmittag fast komplett durch eine Reihe von parkenden Autos völlig nutzlos geworden waren. In ihren Programmen versprechen die Parteien, sich für den Ausbau des Nahverkehrs einzusetzen. Zu zugeparkten Busspuren findet sich aber kein Wort.

Dieser Text ist Teil unserer Serie zur Berlin-Wahl 2016. In der vierten Folge ging es um die Klimapolitik..

Die nächsten Folgen: Sicherheit, 11.8., Integration, 13.8., Wirtschaft, 15.8., Ämter, 17.8., Demokratie, 19.8.

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