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Hat der Volksentscheid mehr Aussagekraft als ein Parlamentsbeschluss? Heinrich Strößenreuther, Mitinitiator des Radbegehrens, legte diese Sicht im Tagesspiegel-Interview nahe.

© picture alliance / Sophia Kembowski/dpa

Volksentscheid Fahrrad: Wie Heinrich Strößenreuther Legitimation berechnet

Die erste Stufe des Volksentscheids Fahrrad sei ähnlich legitimiert, wie der Senat mit absoluter Mehrheit es sei, legte Heinrich Strößenreuther im Tagesspiegel-Interview nahe. Welche Zahlen stehen hinter dieser Aussage?

Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast – Churchills humorige Dekonstruktion vermeintlich objektiver Zahlenwerke lässt sich trefflich anwenden auf die Frage nach der Legitimität von Volksvertretern und Volksbegehren. Der Mitinitiator des Radbegehrens, Heinrich Strößenreuther, hatte im Tagesspiegel erklärt, mit 105.000 abgegebenen Stimmen seien die Radler schon bei der ersten Stufe des Volksbegehrens ähnlich legitimiert, wie der Senat "mit absoluter Mehrheit" von 120.000 Stimmen es sei.

So mancher Leser rieb sich angesichts von rund 2,5 Millionen Berliner Wahlberechtigten verwundert die Augen und forderte schon mal eine Richtigstellung. "Laut amtlichem Wahlergebnis vereinigen CDU und SPD 640.427 Stimmen auf sich", ein Vielfaches der genannten Zahl, schrieb beispielsweise Clemens Goldberg und verwies aufs amtliche Wahlergebnis.

Stimmt's Herr Strößenreuther? "Richtig, und das entspricht in etwa auch dem Quorum, das ein Volksentscheid benötigt, um ein Gesetz durchzusetzen." Damit das gelingt, müssen 25 Prozent aller Wahlberechtigten zur Urne gehen und außerdem noch eine Mehrheit derselben zugunsten des Gesetzes votieren. Das sind dann: 621.345 Wähler.

Strößenreuther betont: Jeder dieser Bürger hat sich auf den Weg zum Wahllokal gemacht, um für ein einziges ganz konkretes Gesetz zu stimmen. Das legitimiere dieses konkrete Gesetz ungleich stärker als eines, das mit Parlamentsmehrheit von SPD und CDU beschlossen wird. Denn deren Wähler entscheiden aus ganz unterschiedlichen Motiven nur ein Mal alle fünf Jahre zugunsten der genannten Parteien und deren bunten Strauß an Gesetzen. Unter den Wählern können Lobbyisten, Radaktivisten, A100-Befürworter, Hundebesitzer, militante Vegetarier sein.

Aber warum spricht Strößenreuther von einer 120.000 Stimmen-Mehrheit, die er mit den 105.000 Stimmen vergleicht, die die Radaktivisten in der ersten Stufe des Volksentscheids gesammelt haben? "Weil es im parlamentarischen Alltag nur auf die Stimmen ankommt, mit denen eine Regierungskoalition ein Gesetz notfalls per Fraktionszwang durchpeitschen kann." Beispiel Fahrradgesetz: Spricht sich die Opposition geschlossen dagegen aus, kann dieses nur mit der absoluten Mehrheit durchgesetzt werden, die durch 120.000 Stimmen legitimiert ist. Alles klar?

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