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Bald wird die Skulptur nicht mehr vor der Berliner Volksbühne stehen. Das Rad wird demontiert.

© Kalaene/dpa

Volksbühne Berlin: Kein Denkmalschutz für laufendes Rad

Das laufende Rad vor der Volksbühne soll abgebaut werden – aus Protest gegen den neuen Intendanten Chris Dercon. Die Rechte am Werk sind aber noch ungeklärt.

Das Rad gilt als Symbol für Bewegung und Fortschritt. Auch vor der Volksbühne. Dort steht es als meterhohes Kunstwerk und fasst den avantgardistischen Anspruch des Theaters unter dem Intendanten Frank Castorf zusammen. Es hat Beine, ist also auch im doppeldeutigen Sinne fortschreitend.

Mit dem bevorstehenden Ende der Ära Castorf soll auch das laufende Rad verschwinden. Wie berichtet, ist dies der ausdrückliche Wunsch seines Erschaffers Rainer Haußmann. Dass die Skulptur noch vor der Übernahme des neuen Intendanten Chris Dercon verschwindet, ist ein politisches Signal: Wenn die Volksbühne in ihrer bisherigen Form neu erfunden wird, soll nichts zurückbleiben. Kritiker sprechen von einer Strategie der „verbrannten Erde“. Das Design des Rads geht übrigens auf ein mittelalterliches Geheimzeichen zurück – angeblich stand es einst für: „Vorsicht, Brandstifter“.

Heimliches Wahrzeichen der Stadt

In den 23 Jahren seines Bestehens ist das Kunstwerk am Rosa-Luxemburg-Platz zu einem heimlichen Wahrzeichen der Stadt geworden. Gibt es vielleicht deshalb noch Hoffnung? Haußmann selbst ist verreist und nicht zu erreichen. Seinen Bruder, der sich mit ihm das Atelier teilt, hatte er über den Schritt nicht informiert. „Die Entscheidung überrascht mich“, sagt Andreas Haußmann.

Der eigentliche Erfinder des laufenden Rades ist Bert Neumann. Der 2015 verstorbene Bühnenbildner gilt als ästhetischer Wegbereiter Castorfs. Das imagebildende Marketing der Volksbühne geht auf ihn zurück: von der Frakturschrift bis zum laufenden Rad.Diese Erkennungsmerkmale entstanden im autonomen Grafikbüro „LSD“, das er mit seiner Frau Lenore Blievernicht betrieb. Noch scheint ungeklärt, ob sie als Erbin den Entschluss Haußmanns abgesegnet hat. Auch die Sprecherin der Volksbühne kann darauf keine Antwort geben.

Nicht unter Denkmalschutz

Der Denkmalschutz will und kann das Speichenrad derweil nicht retten. „Es handelt sich hier um Kunst im Stadtraum. Für ein Denkmal ist das Rad zu jung – und auch kein festes Bauwerk“, sagt Christine Wolf vom Landesdenkmalamt. Die Demontage des laufenden Rads kann aber auch als Erfüllung des letzten Willens seines Erfinders gedeutet werden. Kurz vor seinem Tod sagte Bert Neumann dem Tagesspiegel, er wolle lieber ein Tattoo-Studio aufmachen, als für den neuen Intendanten zu arbeiten.

Auf einem Gedenkplakat, das an der Volksbühne an ihn erinnert, ist ein Foto des Künstlers abgedruckt. Er trägt einen roten Pullover, darauf steht in den markanten Lettern seiner eigenen Volksbühnen-Typografie: „Don’t look back“. Das Rad der Geschichte wird auch die Volksbühne nicht zurückdrehen können.

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