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70.000 Menschen jubelten beim Evangelischen Kirchentag 2017 in Berlin dem ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel zu.

© Maurizio Gambarini/dpa

Veranstaltungen in Berlin: Das bringen große Events der Stadt

Karneval der Kulturen, Turnfest, Kirchentag: Derzeit folgt in Berlin ein Event dem nächsten. Was bringen die Veranstaltungen der Stadt? Eine Kosten-Nutzen-Analyse.

Während am Anhalter Bahnhof noch die Instant-Kirche vom Himmelfahrtswochenende zerlegt wird, stehen ein paar Ecken weiter schon die Sperren für den Karneval der Kulturen. Am Brandenburger Tor und auf dem Messegelände wird fürs Turnfest mit geschätzten 100.000 Besuchern gerüstet, ebenso im Olympiastadion, das erst vor einer Woche zum DFB-Pokalfinale einen großen Auftritt mit gut 70.000 größtenteils auswärtigen Zuschauern hatte.

Wenn die Turner nächsten Sonnabend abreisen, startet in Tempelhof die Formel E. Die dreht auch Sonntag ihre Runden vor den Hangars, während der große Rest der Stadt den Radlern gehört, deren traditionelle Sternfahrt wegen des Karnevals der Kulturen bereits um eine Woche … – hört das denn gar nicht auf?

Eher nicht: Am Sonntag darauf folgt der Velothon, und dann ist fast schon Juli, also Zeit für Fashion Week und Christopher Street Day. Janz Berlin ist eine Party. Die Party der anderen, mag mancher Eingeborene murmeln, der schon lange keinen Sitzplatz mehr in der Bahn ergattert hat oder mit dem Auto unbehelligt von A nach B oder gar C kurven und dort parken konnte. Vom Überstundenberg der Polizisten nicht zu reden.

Auch Berliner profitieren von den Veranstaltungen

Keine Frage, dass auch viele Berliner vom Veranstaltungsmarathon profitieren – ob als Teilnehmer oder als Arbeitnehmer. Hinzu kommt der viel beschworene Imagegewinn. Doch der Nutzen für die Stadt ist nicht nur ein Bauchgefühl, sondern in Zahlen auszudrücken: Die Investitionsbank Berlin (IBB) hat den wirtschaftlichen Effekt von Großveranstaltungen berechnet – auf Basis eines Modells, mit dem ursprünglich Förderprogramme evaluiert werden sollten.

IBB-Chefvolkswirt Hartmut Mertens macht die Rechnung am Beispiel des Kirchentages auf: Das Publikum sei zwar mit durchschnittlich 35 Jahren relativ jung und nicht übermäßig zahlungskräftig gewesen – aber zahlreich und ausdauernd. Vier Tage und rund 2500 Veranstaltungen bedeuten, dass jede Menge Miete und Übernachtungskosten sowie Essen bezahlt wurden. Sie beschäftigten Veranstaltungsagenturen, Fotografen, Bühnenbauer.

Sie füllten Parkhäuser, brauchten Mietwagen und mussten versichert werden. Dieser „organisatorische Rahmen“ ergibt nach IBB- Rechnung 63 Millionen Euro Wertschöpfung. Dabei sei die relativ hohe Privatquartierquote beim Kirchentag schon berücksichtigt, sagt Mertens und erwähnt die ebenfalls angereisten teuren Promis. Insofern war schon der Besuch von Barack Obama in jeder Hinsicht Gold wert.

Auf die 63 Millionen Euro „Primärimpuls“ folgt volkswirtschaftlich der „Multiplikator-Effekt“, der beispielsweise darin besteht, dass Taxifahrer und Handwerker zusätzliches Geld verdient haben und ausgeben. Das bringe allein dieses Jahr weitere 72 Millionen Euro Wertschöpfung – basierend auch auf 300 bis 400 überwiegend temporären Arbeitsplätzen. Von denen profitiert auch die Landeskasse, die weniger Sozialleistungen zahlen muss und mehr Steuern einnimmt: 4,3 Millionen Euro direkt für Berlin habe die IBB berechnet, sagt Mertens und betont: „Wir gehen da sehr vorsichtig heran.“ Damit wäre zumindest die Hälfte des Landeszuschusses für den Kirchentag wieder hereingeholt.

Image-Gewinn für Berlin

Schwerer zu beziffern, aber ebenfalls nachweisbar ist der Image-Effekt für die Folgezeit. Als Beispiel nennt Mertens die Fußball-WM 2006, die den Hotels im Monat darauf mehr als zwölf Prozent Umsatzplus beschert habe – nach einem Minus im Vorjahreszeitraum. „Die WM war das größte Event, das Berlin hatte“: 680 Millionen Euro zusätzliches Bruttoinlandsprodukt und fast 6000 temporäre Arbeitsplätze. Wiederkehrende Veranstaltungen wie Berlinale und Fashion Week brächten auch dauerhafte Jobs.

Willy Weiland, Präsident des Berliner Hotel- und Gaststättenverbandes, bezeichnet die Großveranstaltungen als „gesparte Marketingkosten für die Hotels, weil diese Veranstaltungen millionenfach in die Welt getragen werden“. Christian Tänzler von Visit Berlin spricht von „Bildern, die wir nicht bezahlen können“. Nach dem Kirchentag gebe es von überall her Lob, wie gut Berlin sich entwickelt und präsentiert habe.

Der Karneval der Kulturen „steht fürs kosmopolitische, bunte Berlin“ und bestätige zur rechten Zeit ein positives Klischee. Das DFB-Pokalfinale dürfte sich nicht nur für die Hotels gelohnt haben, da mancher Fußballfan mit Familie gekommen sei, die in Berlin anderes unternommen habe. Und selbst lokal dominierte Events wie die Fahrradsternfahrt sieht der Tourismuswerber als „Lifestyle, den viele unserer Gäste erleben wollen – gerade auch weil ein Stück Autobahn dafür gesperrt wird“.

Dazu passt für Tänzler das gerade präsentierte Konzept für die „Radbahn“ entlang der U1: „Wenn ich das etwa in Brasilien zeige und die Leute dort sehen, dass die Menschen hier ihre Energie und sogar ihr Geld in so was stecken“, mache das dort mächtig Eindruck. Oder das Flussbad-Projekt: „Ob das kommt oder nicht: Allein die Idee nützt Berlins Image.“

Eine andere Frage ist, wie weit die Strahlkraft reicht: In Treptow-Köpenick beispielsweise waren auch am Himmelfahrtswochenende Hotelzimmer zu normalen Preisen frei. Mathis Richter, Geschäftsführer des lokalen Tourismusvereins, sagt, drei Viertel der Berlinbesucher kämen im Zusammenhang mit einem Kulturangebot. Und das finde meist in der City statt. Der Bezirk arbeite mit Visit Berlin an der „Entzerrung“ – und locke im Sommer mit Musikstars wie Klaus Doldinger und Günther Fischer, nachdem im Vorjahr Justus Frantz da war.

Richter teilt die Berlin-Touristen in drei Gruppen ein: Erstbesucher konzentrierten sich auf die City, junge Easyjetsetter auf Party. Aber bei den Mehrfachgästen habe man als grüner Außenbezirk zunehmend gute Chancen.

Für die maßgeblich vom Land finanzierte BVG sind Großereignisse eher ein Randgeschäft. Laut Sprecher Markus Falkner gibt es bei Events wie Kirchentag und Turnfest Teilnehmerausweise, von denen die BVG einen Anteil erhalte. Für die IGA als Langzeitveranstaltung erhalte die BVG mehr Geld vom Land, damit sie die U5 häufiger fahren lässt. Und für die erzwungenen Ausfälle etwa bei Karneval und Sternfahrt bekomme sie kein Geld abgezogen. Ist ja nicht ihre schuld, wenn kein Bus durchkommt.

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