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Über 870 Schüler fehlten in Berlin im letzten Halbjahr mehr als 40 Tage unentschuldigt.

© dpa

Unentschuldigtes Fehlen: Mehr Schwänzer in Berlin als angenommen

Eine neue Statistik zeigt: Im zweiten Schulhalbjahr wird mehr geschwänzt. Der Bezirk Mitte will jetzt effektiver gegen das Schwänzen vorgehen und auch die Gerichte schneller einschalten.

Eine neue Statistik bringt es an den Tag: In Berlin schwänzen noch mehr Schüler regelmäßig den Unterricht als bisher angenommen. 873 Schüler der Klassen 7 bis 10 fehlten im zweiten Halbjahr 2013/14 mehr als 40 Tage unentschuldigt, im ersten Halbjahr waren es 644. Seit diesem Jahr werden auch die Fehlzeiten des zweiten Schulhalbjahres ausgewertet, bisher ging nur das erste Halbjahr in die Statistik ein. Tatsächlich gibt es aber noch viel mehr Schwänzer in Berlin – denn die Grund- und Oberstufenschüler werden in der jetzigen Statistik nicht berücksichtigt. Gerade an Grundschulen sind die Fehlquoten aber oft hoch.

In Mitte, dem Bezirk mit den meisten Schwänzern, wurde jetzt ein Verfahren entwickelt, mit dem die Zusammenarbeit zwischen Schulen, Schulamt, Jugendamt und Schulaufsicht verbessert und beschleunigt werden soll. Die Dienste sollen ihre Maßnahmen koordinieren und auf den Einzelfall abstimmen. Lotsen vermitteln zwischen Jugendämtern und Schulen, zudem soll die Schulaufsicht bei hartnäckigen Schwänzern beim Familiengericht melden können, dass ein Verdacht auf Kindeswohlgefährdung vorliege, die Schüler in ihrer geistigen und sozialen Entwicklung behindert würden. In letzter Konsequenz könnte das Gericht den Entzug oder eine Einschränkung des Sorgerechts veranlassen.

„Das Ziel ist, die Kinder wieder in die Schule zu bringen. Der Entzug des Sorgerechts steht ganz am Ende der Interventionen und ist Sache des Gerichts“, sagt Mittes Bildungsstadträtin Sabine Smentek (SPD). „Aber die Verfahren müssen beschleunigt werden, denn wenn Jugendliche lange schwänzen, ist es eigentlich schon zu spät.“ Die Gründe für das Schwänzen seien so vielfältig – von Mobbing, Lernschwierigkeiten, familiären Problem bis hin zur pubertären Schwierigkeiten – dass es wichtig sei, dass auch Sozialdienste einbezogen werden.

Wenn sich das Verfahren in Mitte bewährt, will die Senatsbildungsverwaltung prüfen, ob es auf andere Bezirke übertragen werden könne, sagte eine Sprecherin. Derzeit werde eine neue Handreichung zum Umgang mit Schuldistanz erarbeitet. Seit kurzem gelten bereits strengere Regeln: Schon nach fünf unentschuldigten Fehltagen im Halbjahr wird eine Schulversäumnisanzeigen gestellt.

Es sei gut, dass die Sensibilität dafür steige, dass es beim Schwänzen um Kindeswohlgefährdung gehe, sagte der SPD-Abgeordnete Joschka Langenbrinck. Im letzten Jahr hatte die SPD-Fraktion einen Neun-Punkte-Plan zur Vorbeugung und Bekämpfung der Schuldistanz beschlossen. „Wenn es hart auf hart kommt und die Prävention nicht fruchtet, muss ein Bußgeld durchgezogen werden, denn auch der beste Sozialarbeiter beißt mal auf Granit“, sagte Langenbrinck. Er fordert, dass auch die Fehlzeiten an Grundschulen erhoben werden: „Wir müssen so früh wie möglich gegensteuern.“

Im Dezember stand eine Mutter aus Reinickendorf vor Gericht, die Anklage lautete auf Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht. Die Mutter hatte alles versucht, weder das Jugendamt noch ein Familienhelfer konnten helfen. Das Verfahren wurde eingestellt.

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