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Angebote des Türkischen Konsulats sind in etlichen Bundesländern noch immer willkommen.

© imago/Seeliger

Türkischer Konsulatsunterricht in Berlin: „Deutlich religiöse und nationalistische Inhalte“

Die Bildungsverwaltung hat Ankaras Lehrplan übersetzen lassen. Dabei kam zutage, was eigentlich niemanden überraschen konnte.

Eigentlich sollte es im Konsulatsunterricht nur um das Erlernen der Muttersprache und um Heimatkunde gehen. Jetzt stellt sich heraus: Der in Ankara konzipierte Lehrplan enthält nach Informationen der Bildungsverwaltung „deutlich religiöse und nationalistische Inhalte“. Dies teilte Bildungs-Staatssekretär Mark Rackles (SPD) am Donnerstag im Schulausschuss auf Anfrage der SPD-Abgeordneten Maja Lasic mit. Ein staatliches Alternativangebot solle noch in diesem Schuljahr anlaufen, um das Konsulatsangebot „entbehrlich zu machen“.

Die Ausführungen des Staatssekretärs ließen die Abgeordneten aufhorchen. Zwar gab es immer wieder in dieser Hinsicht Vermutungen, aber konkrete Beschwerden wurden kaum bekannt. Mehr noch: Der Unterricht fand kaum Beachtung, obwohl es Warnungen gab, dass – insbesondere seit dem Putschversuch – nur noch Erdogan-treue Lehrer von Ankara nach Deutschland abgeordnet werden würden. Als der Tagesspiegel vor diesem Hintergrund Ende 2016 Meinungen zum Konsulatsunterricht einholte, stellte sich heraus, dass das Thema weder im Senat noch im Abgeordnetenhaus oder in der GEW besondere Beachtung fand. Allerdings diagnostizierte der Abgeordnete Joschka Langenbrinck (SPD), dass es sich bei dem Unterricht um eine "Blackbox" handele.

Der Lehrplan wurde schon 2003 beanstandet

Inzwischen kümmere sich die Schulaufsicht „stärker“ um den Konsulatsunterricht, sagte Rackles im Ausschuss. So habe sich die Verwaltung den Lehrplan übersetzen lassen, und dort die beanstandeten Inhalte gefunden, weshalb man „seit Monaten“ mit dem Konsulat im Gespräch sei. Auf Anfrage sagte Behördensprecherin Beate Stoffers, dass die türkische Seite inzwischen einige der kritisierten Stellen überarbeitet habe. Dieser Prozess sei aber noch nicht abgeschlossen. Laut Stoffers handelt es sich um den selben Lehrplan, der schon 2003 beanstandet worden sei. Damals sei das Thema offenbar von der Bildungsbehörde nicht weiter verfolgt worden.

Mutlu forderte ein Berliner Konzept - vergebens

Am Konsulatsunterricht nehmen 2300 bis 3000 Berliner Schüler an über 100 Grundschulen teil. Es wird vermutet, dass viele Familien dieses Angebot nur mangels Alternative nutzen: Der grüne Bildungsexperte Özcan Mutlu hatte schon 2007 kritisiert, dass Berlin keine eigenen überzeugenden Konzepte entwickelte. Auch Personal gibt es nicht. Volkshochschulkräfte sollen jetzt Teil der Lösung werden.

Die Zeit drängt nicht nur wegen der potentiellen Einflussnahme der Erdogan-geprägten Türkei auf Berliner Schüler. Hinzukommt, dass einige Bezirke neuerdings Geld von der Botschaft dafür fordern, dass sie die Schulräume nutzen darf. Die Botschaft verweist darauf, dass in ihrem Haushalt dieser Posten nicht vorgesehen sei, weil bislang keine Miete gefordert worden sei. Zumindest in Mitte will das Bezirksamt aber auf einer Zahlung beharren. Falls die türkische Seite keine Lösung findet, wären 500 bis 700 Schüler plötzlich ohne den von ihren Familien gewünschten muttersprachlichen Unterricht. Wie berichtet, erwartet Botschaftsrat Cemal Yildiz, dass es Elternprotest geben wird.

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