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Alter Trick. Seit Jahren warnt die Polizei vor Hütchenspielern, trotzdem fallen immer wieder Menschen auf die Betrüger herein.

© Michael Hanschke dpa

Trickbetrüger in Berlin: Die Hütchenspieler-Szene wächst enorm

Ihre Masche ist uralt. Trotzdem boomt das Geschäft der Trickbetrüger in Berlin, wie neue Zahlen zeigen.

Es sieht kinderleicht aus. Die Murmel blitzt immer wieder unter den drei Streichholzschachteln hervor, die auf dem kleinen Tischchen mit roter Samtdecke von flinken Händen vertauscht werden. „Wo ist die Murmel“, fragt der Mann mit den flinken Händen. Ein anderer Mann zeigt auf eine Streichholzschachtel, unter der eben noch die Murmel zu sehen gewesen war und gewinnt zehn Euro.

Ein paar Minuten später hat der Mann schon 40 Euro gewonnen, inzwischen sind die beiden umgeben von einer Traube Touristen, die sich eigentlich die East Side Gallery ansehen wollen. Die Chance das Urlaubsbudget mit diesem offensichtlich berechenbaren Glückspiel aufzustocken - sie ist verlockend.

"Man kann beim Hütchenspiel nicht gewinnen"

„Man kann beim Hütchenspiel nicht gewinnen“, sagt dagegen eine Polizeisprecherin. Die vermeintlichen Gewinner seien Komplizen, das Ganze kein Glückspiel, sondern organisierte Kriminalität. Die Masche der Hütchenspieler ist seit Jahrzehnten bekannt, trotzdem steigt in Berlin die Zahl der Strafanzeigen wegen Betrug im Zusammenhang mit Hütchenspielern. Das geht aus der Antwort der Innenverwaltung auf eine Parlamentarische Anfrage des SPD-Abgeordneten aus Neukölln, Joschka Langenbrinck hervor.

Wo ist die Murmel? Die Zahl der Anzeigen hat sich im vergangenen Jahr fast verdoppelt.
Wo ist die Murmel? Die Zahl der Anzeigen hat sich im vergangenen Jahr fast verdoppelt.

© Imago

„Es scheint sich herumgesprochen zu haben, dass Hütchenspielerei in Berlin und anderen europäischen Hauptstädten eine lukrative Einnahmequelle ist“, sagt Langenbrinck. Die Zahlen der Innenverwaltung auf seine Anfrage bestätigen diesen Eindruck.

Strafanzeigen, Ordnungswidrigkeiten, Platzverweise und sonstige Vorgänge, wie Durchsuchungen und Sicherstellungen – überall ist die Anzahl der Anzeigen im Vergleich zu 2015 gestiegen, teilweise fast verdoppelt. Die 2013 gegründete Ermittlungsgruppe (EG) Hütchenspielbetrug zählt inzwischen 200 Personen zur „Hütchenspielerszene“, von denen 60 ihren Wohnsitz in Berlin haben. 2015 war die Szene noch auf 160 Personen geschätzt worden.

Organisierte Bandenkriminalität

Zu den Hintergründen der Täter gibt die Innenverwaltung detailliert Antwort auf Langenbrincks Anfrage: „Primär handelt es sich bei den Hütchenspielern um reisende Täter aus Mazedonien und anderen Ländern des ehemaligen Jugoslawien.“ Weiter heißt es, die Täter würden als Touristen nach Deutschland reisen und drei bis vier Monate in Berlin bleiben, „wobei Sinn und Zweck des Aufenthalts alleine im ‘Geldverdienen‘“ liege.

Langenbrinck weiß, dass es sich bei den Tätern hauptsächlich um Roma handelt, verweist im Gespräch aber darauf, dass diese in ihren Heimatländern auch strukturell diskriminiert und am Arbeiten gehindert werden. Ihm selbst seien Hütchenspieler immer wieder an touristischen Hotspots, wie dem Ku’damm, Unter den Linden und dem Alexanderplatz aufgefallen. Hütchenspielerei sei dennoch nicht akzeptabel. „Der Betrug ist organisierte Banden-Kriminalität und kein Freizeitbetrieb.“

Um die Problematik in den Griff zu bekommen, will der SPD-Politiker auf präventive Maßnahmen setzen. Er hofft, dass die Zahl der Aufenthaltsverbotsverfügungen, die im vergangenen Jahr bereits vor einer auf neun gestiegen ist, weiterwächst. Überhaupt wünscht sich Langenbrinck ein konsequenteres Durchgreifen: „Berlin sollte sich ein Beispiel nehmen an Hamburg oder München, wo sofort Platzverweise und Strafanzeigen gestellt werden.“

Dass man unbedingt Strafanzeige stellen solle, wenn man Opfer eines Betrugs geworden sei, betont auch die Polizeisprecherin: „Sein Geld bekommt man wahrscheinlich nicht mehr zurück, aber ohne Anzeige können auch keine Täter ermittelt werden.“

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